Anorexie: Symptome, Ursachen und Behandlung bei Magersucht

Stand: 04.10.2022 14:38 Uhr

Die Anorexie, auch Magersucht genannt, ist eine psychische Erkrankung, die zu einer Essstörung führt. Betroffene werden immer dünner, entwickeln Symptome wie Haarausfall oder Herzprobleme. Welche Behandlung hilft?

Essen oder nicht essen - den ganzen Tag kreisen die Gedanken um die Ernährung und trotzdem wird gehungert. Oft fängt es mit einer Diät an, doch der Wunsch das Gewicht zu kontrollieren verselbständigt sich und wird zur psychischen Erkrankung: Anorexia nervosa - besser bekannt als Magersucht oder Anorexie. Sie betrifft überwiegend junge Frauen, nur jeder zwölfte Patient ist männlich.

Beteuerungen von Angehörigen und Freunden, sie seien zu dünn und ganz sicher nicht dick, können die Betroffenen nicht verstehen, denn sie haben eine gestörte Wahrnehmung ihres Körpers, eine sogenannte Körperbildstörung. Das heißt, sie sehen nicht mehr ihren tatsächlichen Körper, sondern einen anderen. Ihre Wahrnehmung ist verzerrt und entspricht nicht mehr der Realität. Menschen mit Magersucht sehen meist einen fülligeren Körper, schätzen sich also dicker ein, als sie sind. Ihr Körper wird nicht ausreichend mit Nährstoffen versorgt und leidet unter Mangelerscheinungen.

Symptome der Anorexie: Müdigkeit, Herzprobleme, Flaum auf der Haut

Die Betroffenen sind oft müde, frieren, viele haben einen zu langsamen Herzschlag, Herzrhythmus- und Konzentrationsstörungen oder Osteoporose. Bei Frauen bleibt oft die Monatsblutung aus. Auch äußerlich verändert die Magersucht den Körper: Haarausfall, trockene und juckende Haut, ein feiner Flaum auf der Haut (Lanugo-Behaarung) und Zahnschäden durch häufiges Erbrechen sind Anzeichen. Oft leiden die Betroffenen auch an anderen psychischen Erkrankungen wie Depressionen, Zwangs- oder Angststörungen.

Vielfältige Ursachen: Veranlagung bis gesellschaftlicher Einfluss

Eine einzelne Ursache für die Entstehung einer Anorexie gibt es nicht. Es kommen verschiedene Faktoren zusammen, die sich gegenseitig beeinflussen können:

  • biologische und körperliche Einflüsse
  • erbliche Veranlagung
  • gestörtes Essverhalten in früher Kindheit oder frühes, strenges Diäthalten
  • Faktoren in der persönlichen Entwicklung
  • niedriges Selbstwertgefühl, emotionale Labilität oder Sorge um Aussehen, Figur und Gewicht
  • Gesellschaftliche Einflüsse wie ein vorherrschendes schlankes Schönheitsideal

Diese Faktoren allein machen aber nicht krank, sondern bereiten der Erkrankung den Boden. Die Auslöser für eine Magersucht stecken meist tiefer und sind komplexer. Das können zum Beispiel belastende Erlebnisse sein, wie der Verlust eines geliebten Familienmitglieds, die Trennung vom Partner oder ein Trauma beispielweise durch Gewalt. Fast alle Patientinnen und Patienten geben an, Angst vor einem Kontrollverlust zu haben. Dahinter stecken mitunter Gewalterfahrungen, oft sexueller Gewalt, die sie machtlos erlebt haben. Immer gibt es tiefsitzende Auslöser und Faktoren, die sich gegenseitig beeinflussen und die in der Therapie angegangen werden müssen.

Behandlung der Anorexie: Ursache aufarbeiten

Wer an dieser Krankheit leidet, lebt ständig mit dem schlechten Gewissen, seinen Hunger nicht kontrollieren zu können. Für Ärzte und Therapeuten gehört die Essstörung zu den am schwierigsten zu behandelnden psychischen Erkrankungen, weil die Betroffenen die Magersucht oft auch als eine Art unsichtbare Freundin wahrnehmen. Ihrem Körper die benötigte Nahrung vorzuenthalten, verschafft ihnen das ersehnte Gefühl, über etwas die Kontrolle zu haben. Eine Therapie kann erst dann greifen, wenn die Patienten sich selbst eingestehen, dass ihr Essverhalten nicht normal ist.

Die Behandlung der Magersucht erfolgt in auf Essstörungen spezialisierten Kliniken und umfasst drei Säulen:

  • Die erste Säule umfasst das Gewicht und das Essverhalten der Betroffenen. Hier geht darum, akute Symptome zu lindern, an Gewicht zuzunehmen und ein gesundes Essverhalten zu entwickeln. Viele Betroffene wissen gar nicht mehr, was eine normale Portion ist.
  • Die zweite Säule besteht in der psychotherapeutischen Aufarbeitung der zugrundeliegenden Probleme.
  • Die dritte Säule soll Rückfällen vorbeugen. Dabei werden mögliche auslösende und aufrechterhaltende Faktoren der Krankheit betrachtet und angegangen.

Psychotherapie kann Betroffenen helfen

Manche bekommen ihre Essstörung mit einer ambulanten Psychotherapie in den Griff, bei einem auf Essstörungen spezialisierten Therapeuten. Dabei sollte ein Hausarzt eng eingebunden sein. Dass ambulante Therapien wirksam sein können, zeigt eine fünfjährige Studie. Es sollte aber eine spezielle Psychotherapie sein: eine kognitive Verhaltenstherapie oder eine tiefenpsychologische Therapie.

Bei einer stationären Therapie steht am Anfang die Motivationsförderung. Zunächst wird ein Therapie-Vertrag geschlossen: Damit verpflichten sich die Patienten, ein gewisses, verabredetes Maß in einer Woche zuzunehmen. Punkt zwei des Vertrages: Normalisierung des Essverhaltens.

Therapie: Arbeit in Einzel- und Gruppengesprächen

Viele Anorektiker bereiten zwar gern liebevoll Essen zu, picken dann aber nur darin herum. In der Therapie müssen sie es auch aufessen. Zweimal in der Woche wird gewogen. Nicht selten trinken Patienten vorher noch einen Liter Wasser um mehr Gewicht auf die Waage zu bringen und zu verbergen, dass sie nicht immer alles aufgegessen haben.

Mindestens einmal wöchentlich gibt es eine Einzeltherapiestunde: Spezialisierte Psychotherapeuten arbeiten oft mit Methoden der kognitiven Verhaltenstherapie. Auch tiefenpsychologische Methoden kommen zum Einsatz und sollen den Patienten helfen, ihre eigenen Ursachen für die Krankheit zu finden und zu verstehen. In Gruppengesprächen geht es dann mehr um allgemeine Probleme, zum Beispiel darum, warum viele ihre Magersucht behalten möchten.

Mögliche Folgekrankheiten: Osteoporose, Hormonveränderung, Herzversagen

Das Thema Selbstwert ist in der Therapie wichtig: Anorektiker haben oft einen extrem hohen Anspruch an sich selbst und das Gefühl, diesem Anspruch nicht gerecht werden zu können. Also werten sie sich ständig ab. Die Flucht in den selbstgewählten Hunger ist dann das einzig Positive - dabei haben sie Kontrolle über sich selbst.

Betroffene können auch körperlich sehr krank werden: Herzschäden mit Herzversagen, Hormonveränderungen, Osteoporose mit Rippen- oder Wirbelbrüchen in jungen Jahren können Folgen einer Magersucht sein. Etwa ein Viertel der Patienten kann nicht dauerhaft geheilt werden, die Erkrankung wird chronisch. Insgesamt ist das Risiko zu versterben zehnmal höher als bei gesunden Gleichaltrigen.

Krankheit beginnt meist mit Diät in der Pubertät

Ihren Anfang nimmt die Krankheit oft mit einer Diät zu Beginn der Pubertät. Der Wunsch schlank zu sein, ist aber meist nicht der treibende Motor hinter krankhaftem Hungern: Häufig stammen die Patienten aus behüteten Elternhäusern mit großem Harmoniestreben, in denen Wut und negative Gefühle nicht zugelassen werden. Die Krankheit ist ein Versuch, Autonomie zu bekommen. Bei Jugendlichen werden deshalb in der Regel auch die Eltern in die Therapie mit einbezogen.

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Visite | 04.10.2022 | 20:15 Uhr

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