Windkraft in SH: Fällt der zweite Regionalplan?
Den mühsam erarbeiteten Regionalplan für den Landesnorden hat das Oberverwaltungsgericht in Schleswig bereits für ungültig erklärt. Jetzt geht es um die Windkraftflächen im mittleren Schleswig-Holstein. Nun soll es laut Gericht ein Urteil geben.
Vom Grundsatz her gilt die Windkraftplanung in Schleswig-Holstein als vorbildlich. Während andere Bundesländer erst jetzt beginnen, die Verteilung der Flächen zu sortieren, traten in Schleswig-Holstein bereits 2012 die ersten Regionalpläne dazu in Kraft. Diese sollen nach einheitlichen Kriterien regeln, welche Flächen landesweit in Frage kommen. Wildwuchs wird damit verhindert, Investoren bekommen Sicherheit beim Planen - so das Ziel.
Windkraftgegner und -befürworter wollen gemeinsam Regionalpläne kippen
Der Teufel steckt allerdings im Detail: Wenn Klagen Erfolg haben, kippt die gesamte Planung für einen großen Bereich. Das war 2015 der Fall und droht sich jetzt zu wiederholen. Für den Raum Flensburg und die Kreise Nordfriesland und Schleswig-Flensburg hat das Oberverwaltungsgericht bereits die neuen Regionalpläne für ungültig erklärt. Eine Erweiterung von zwei auf drei Prozent der Landesfläche für die aktuellen Klimaziele ist ohnehin nötig, sodass eine Überarbeitung ansteht. Doch das dauert mindestens bis 2026. Vorerst ist die Branche verunsichert. Bis neue Pläne in Kraft sind, will das Innenministerium Zeit gewinnen: Gegen die OVG-Entscheidung werden alle Rechtsmittel ausgeschöpft. Erstaunlich ist nun: Windkraftgegner und -befürworter klagen Seite an Seite gegen die Regionalpläne.
Hamdorf: Artenschutz verhinderte Windpark
Die Investoren und Landeigentümer wollen oft erreichen, dass zusätzliche Flächen genehmigt werden. Beim ersten Planungsraum ging es unter anderem um frühere Landschaftsschutzgebiete in Nordfriesland. Im zweiten Planungsraum, über den nun am Dienstag mündlich verhandelt wurde, wendet sich eine Landwirtin dagegen, dass ihre Flächen für die Windkraft derzeit nicht in Betracht kommen. Diese liegen zwischen Hamdorf und Elsdorf-Westermühlen (Kreis Rendsburg-Eckernförde) nahe einer Potentialfläche, die aufgrund eines Seeadlerhorstes verkleinert wurde und schließlich ganz entfiel. Gegen die 15 Hektar, um die es vor dem OVG geht, sprechen nach der bisherigen Regionalplanung noch weitere Gründe - unter anderem das Vorkommen von Zwergschwänen.
Tabus für Windkraft-Ausschluss auf dem Prüfstand
Das Gericht wählte am Dienstag einen gründlichen Ansatz: Es deklinierte sämtliche Aspekte durch, die bei der Beurteilung jeder Teilfläche eine Rolle gespielt haben könnten. Zu den harten Tabus gehört ein Mindestabstand vom Wald von 30 Metern, zu den weichen Tabus der Abstand zu Vogelschutzgebieten. Abgewogen wird bei Vogelzugkorridoren oder militärischen Einwänden.
Hebelt Klimaschutz die Regionalplanung aus?
Der Rechtsanwalt der Klägerin, Timo Hohmuth, stellt die festen Abstände zur Wohnbebauung grundsätzlich in Frage. Die Landesregierung will damit "Vorsorge" treffen und Akzeptanz schaffen. Hohmuth gab zu bedenken, dass die Windkraft angesichts des Klimawandels viel eher Vorsorge für die Bürger schaffe. Das Gericht erteilte diesem Aspekt jedoch bereits eine Absage: Zwar habe das Bundesverfassungsgericht in seinem wegweisenden Urteil von 2021 die Politik in die Pflicht genommen, mehr für den Klimaschutz zu tun. Daraus folge aber nicht automatisch, dass in Schleswig-Holstein mehr Windkraftflächen ausweisen müsse.
Krummbek: Abbstandsregeln verhindern spätere Bebauung
Die Gemeinde Krummbek (Kreis Plön) will dagegen eine Fläche für Windparks verhindern. In diesem Fall verhindert Bebauung nicht Windkraft. Stattdessen verhindern die Anlagen aufgrund der Abstandsregeln eine künftige Bebauung, sobald sie stehen. Strittig ist dabei, ob der Ortsteil Ratjendorf als Splittersiedlung gilt. Hier leben knapp 100 der 420 Einwohner. Die Häuser stehen aufgereiht zwischen Höfen.
Saal von Jehovas Zeugen als Argument für vorhandene Infrastruktur
Derzeit gilt ein Mindestabstand zu Windparks von 400 Metern. Doppelt so groß wäre er, wenn der Ortsteil als vollwertig eingestuft würde. Hier kann jedes Detail ins Gewicht fallen. So führte der Rechtsanwalt der Gemeinde an, ein Saal von Jehovas Zeugen könne als Infrastruktur gewertet werden.
Auch Pläne für Süden von SH wohl bald Thema vor Gericht
Die Entscheidung im ersten Planungsraum hat laut Gericht keinerlei Präzedenzwirkung auf die jetzige Verhandlung, da es hier um andere Sachverhalte gehe. Auch mit dem dritten Planungsraum im Süden Schleswig-Holsteins wird sich das Gericht voraussichtlich bald befassen. Für diese Region wurden allein 43 Anträge eingereicht.