Väterstudie: Das Ideal des "aktiven" Papas

Stand: 07.02.2023 17:44 Uhr

Väter wollen mehr sein als der reine Ernährer der Familie, zeigt eine Studie der Fachhochschule Kiel und der TU Braunschweig. Dabei stoßen sie jedoch offenbar an ihre eigenen Grenzen.

von Stella Kennedy

Über zweieinhalb Jahre haben Sozialwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler zum Thema Vaterschaft in Deutschland geforscht. Ihre Ergebnisse haben sie am Montag bei einer digitalen Pressekonferenz vorgestellt. Der Schwerpunkt: Wie stehen Väter heute selbst zu ihrer Rolle als Elternteil? Was für eine Art Vater möchten sie sein, welche Werte möchten sie ihren Kindern vermitteln und wie lassen sich ihre Aufgaben mit dem Beruf vereinbaren? Eines zeigen die Forschungsergebnisse deutlich: Nur der Ernährer und ein Papa sein, der höchstens am Wochenende mit den Kindern spielt, das wollen sie nicht. Doch auch das neue Vater-Ideal kommt nicht ohne Hürden.

Berufstätige Väter: Zwischen altem und neuem Rollenbild

Kai Marquadsen © Matthias Pilch
Prof. Dr. Kai Marquardsen forscht an der FH Kiel an Armut und sozialer Ungleichheit im Kontext der sozialen Arbeit.

Anders als noch bei vergangenen Generationen, seien heutigen Vätern soziale und emotionale Werte wesentlich wichtiger als früher, sagt Prof. Dr. Kai Marquardsen von der FH Kiel. Nur rund zwölf Prozent der Befragten der Studie hielten es für ihre wichtigste Aufgabe, der Familie finanzielle Sicherheit zu bieten. In dem Zusammenhang hätten auch viele der Interviewten ihre eigenen Väter kritisiert, so Marquardsen. Diese seien oft zu abwesend und mit der Arbeit beschäftigt gewesen. Zudem hielten viele ihre eigenen Väter als zu bestimmend. Wie sie selbst ihren Vater in ihrer Kindheit erlebt hätten, empfinden viele als negatives Vorbild. Die Motivation vieler Väter heute also: es selbst ganz anders zu machen.

Projektleiterin Dr. Kim Bräuer von der TU Braunschweig wird deutlich: "Die Studie hat uns gezeigt, dass Werte wie Disziplin und Durchsetzungsfähigkeit als wesentlich unwichtiger gesehen werden, als wir es aus Studien zu vorherigen Generationen wissen". Im Vergleich dazu sei der wichtigste Wert für heutige Väter: Vertrauen. Sie möchten emotional sein (dürfen), ihren Kindern Zuneigung zeigen und generell vermehrter eine aktive Vaterschaft ausleben. Laut Studie würden sich die Väter dafür am häufigsten in der Kinderbetreuung engagieren, indem sie zum Beispiel mit den Kindern spielten.

Der ewige Konflikt zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Grafik Haus und Familienarbeit © Kim Bräuer und Flora Brzosa
Eine Grafik aus der Studie zeigt auf, wie sich die befragten Eltern die Haus- und Familienarbeit aufteilen.

Leider prallen viele der Wünsche und Vorstellungen heutiger Väter in Deutschland auf eine Lebensrealität, die alles andere ist als familienfreundlich, wie auch diese Studie wieder zeigt. "Wie wir es bisher auch schon aus Studien zu Müttern kannten, haben uns alle der Befragten gesagt, dass sie ihren eigenen Vorstellungen zu Vaterschaft nicht gerecht werden können", so Bräuer.

Obwohl die Befragten als aktiver Vater handeln möchten, sind fast 85 Prozent der Väter wöchentlich 40 Stunden oder mehr erwerbstätig und kommen dabei, ähnlich wie berufstätige Mütter, in einen "Work-Family-Konflikt" - wie die Wissenschaftlerin es nennt. "Hier zeigen sich Parallelen zur Mutter als Allrounderin, die im Job erfolgreich sein muss und gleichzeitig liebevoll die Kinder und ihre Verwandten umsorgt". Der Leistungsdruck und die Belastung, die auf Eltern lastet, ist demnach hoch.

Flexible berufliche Rahmenbedingungen und mehr Elterngeld

Grafik guter Vater © Kim Bräuer und Flora Brzosa
Eine weitere Grafik aus der Studie legt offen, was sich Väter unter guter Vaterschaft vorstellen.

Um Eltern und speziell auch Väter zu entlasten, fordern die Forschenden der FH Kiel und TU Braunschweig familienpolitische Reformen. "Die Daten zeigen, dass in der beruflichen Gestaltung deutlich mehr Flexibilität geschaffen werden muss, damit die Väter ihre aktive Vaterschaft auch praktisch besser leben können", so Bräuer.

Dabei geht es auch um das gesamtgesellschaftliche Bild der Vaterrolle, was sich oft nicht mit den Vorstellungen der Väter deckt. Deutlich werde dies beispielsweise am Arbeitsplatz, wie Bräuer erläutert: "Wenn wir uns die Umfragedaten anschauen, sehen wir auch, dass viele sich nicht sicher sind, ob ihr eigenes Ideal auch das sei, was gesellschaftlich gewollt werde und ob auch ihre Arbeitgeber dies unterstützen würden". Dies verschärfe natürlich den Vereinbarkeitskonflikt zwischen Job und Familie, den die Interviewten spüren würden, so die Projektleiterin.

Im besten Falle, so die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, sollten also Arbeitgeber auch die aktive Vaterschaft unterstützen. Arbeitszeiten und Arbeitsort sollten so flexibel gestaltet werden dürfen wie möglich. Zudem sollte gerade Familien mit prekärem wirtschaftlichen Hintergrund finanzielle Hemmnisse genommen werden.

Ganz speziell fordert Bräuer, dass das Elterngeld für Familien mit geringem Einkommen prozentual erhöht werden sollte. "Denn nur wenn die finanziellen Rahmenbedingungen stimmen, ist die aktive Vaterschaft, die sich die Mehrheit der Befragten wünschen, überhaupt erst möglich".

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