Ein Lasercutter schneidet Gitarrenplektren aus einer erkalteten Eisenplatte. © Alexa Dudda Foto: Alexa Dudda

Nachhaltiges Start-up aus Kiel: Mit Algen Gitarre spielen

Stand: 30.07.2022 11:31 Uhr

Mit kleinen Dingen Großes bewirken: Das zeigen fünf Studierende aus Kiel, die aus Algen und Kaffeeresten Alltagsprodukte herstellen und mit dieser Idee das Problem Plastikmüll angehen.

von Alexa Dudda

In der Werkstatt des Kieler Wissenschaftsparks riecht es nach Algen. Im Raum steht ein Ofen, in dem eine grüne Masse erhitzt wird. Für den Studenten und Start-up-Gründer Salim Dinzad ist es ein Schritt in eine bessere Welt. Sein großes Ziel ist es, Alltagsprodukte aus Plastik zukünftig aus kompostierbaren Rohstoffen herzustellen. Dafür nutzt der 24-jährige Reststoffe von Algen oder Kaffee, die er kostenfrei von einer Kosmetikfirma und einer Rösterei aus Kiel bekommt. Salim schafft aus diesen Abfällen Neues und gründet mit der Idee das Start-up "napur". Neben Salim besteht das angehende Start-up aus vier weiteren Kieler Studierenden aus den Bereichen Wirtschaft und Agrarwissenschaften.

Aus Alt mach Neu: Abfälle wiederverwerten

"Wir haben erst mal überlegt aus dem Material, das wir haben, was ist das Leichteste, das wir herstellen können. Dann dachten wir, ein Plektrum ist zweidimensional und das können wir relativ leicht herstellen." Gitarrenplektren werden benutzt, um die Saiten einer Gitarre zu spielen. "Es sind kleine Chips, die in aller Regel aus Plastik bestehen. Nach einer Zeit des intensiven Gitarrenspielens werden sie weggeschmissen. Unsere können auf den Kompost", erklärt Salim. Die Studierenden experimentieren viel und probieren verschiedene Mischverhältnisse aus Algenresten und dem Bindemittel PLA aus, eine Plastikalternative, die aus Maisstärke hergestellt wird. "Weil es gut ist, wenn wir von diesen Reststoffen, die normalerweise im Müll landen, möglichst viele einsammeln und upcyclen können."

Muskelkraft und Lasercutter

Zwei junge Männer erhitzen ein Gemisch aus Algen und Biokunststoff im Schmelzofen. © Alexa Dudda Foto: Alexa Dudda
Vorsichtig holen Salim (links) und Bo das heiße Algengranulat für ihre Gitarrenplektren aus dem Ofen.

Das Gemisch aus Algen und Biokunststoff wird so lange im Schmelzofen erhitzt, bis es weich genug ist, um mit einem Eisenblock zu einer Platte geschlagen zu werden. Dafür benutzen Salim und sein Teamkollege Bo Schmid-Bonde noch reine Muskelkraft. Danach schneidet ein Lasercutter in Sekundenschnelle und millimetergenau Gitarrenplektren aus der erkalteten, grünen Platte. "Da kann man dann auch ein bisschen die ursprünglichen Ressourcen rausriechen", sagt Bo. "Aber wir wollen natürlich auch nicht, dass die Kunden dann später nur Kaffee oder Algen riechen, wenn sie ihre Produkte in der Hand halten."

Aller Anfang ist schwer

Das Team fand im Mai 2021 zusammen, um abbaubare Plastikalternativen zu schaffen. Die erste Idee, einen kompostierbaren Kaffeebecher herzustellen, musste wieder verworfen werden, da der verwendete Rohstoff Lignin in der Lebensmittelbranche nicht zulässig ist. Doch die Gruppe gab nicht auf. Die Lösung fanden sie in der Ostsee und einer Kieler Kaffeerösterei. Seit drei Monaten stellen sie Gitarrenplektren, Einkaufschips und Brillenetuis aus Algen und Kaffeeresten her. Knappe 1.000 Euro haben sie bisher für Reinigung der Maschinen, Bindemittel und Werbung ausgegeben. Sie finanzieren sich hauptsächlich über gewonnene Wettbewerbe und Förderpreise. "Das Schöne ist, in dieser Nachhaltigkeits-Start-up-Schiene findest du nur nette Menschen, die Bock draufhaben, was zu verändern und dich zu unterstützen", freut sich Salim.

Optimistischer Blick in die Zukunft

Das Ziel sei auf jeden Fall, mit dem Projekt später den Lebensunterhalt bestreiten zu können. "Wir sind da auch ganz optimistisch, weil es einfach mehr Plastikalternativen braucht und die Menschen das immer mehr wollen." Mit dem Start-up "napur" möchten die fünf den Zugang dazu erleichtern. Momentan stellen sie die Produkte auf Anfrage her. Um sich zu erweitern, sind sie auf der Suche nach Kooperationen mit Optikern und Musikgeschäften und wollen sich schnellere Maschinen anschaffen. Für die notwendigen finanziellen Mittel haben sie eine Crowd-Funding-Kampagne ins Leben gerufen und bewerben sich im September auf das Gründungsstipendium Schleswig-Holstein. "Schleswig-Holstein ist ein guter Standort, denn die Start-up Förderung ist super", sagt Salim. Mit dem Gründungsstipendium stünden den innovativen Köpfen ausreichend Mittel zur Verfügung, um ihren Traum eines nachhaltigen Unternehmens zu verwirklichen.

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