Fähre blockiert: Habeck in SH von wütenden Bauern abgefangen
Bundeswirtschaftsminister Habeck wollte am späten Donnerstagnachmittag mit der Fähre von Hallig Hooge am Fähranleger Schlüttsiel in Schleswig-Holstein anlegen. Dort wartete eine aufgebrachte Gruppe - es kam zu einem Handgemenge mit der Polizei. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Nötigung.
Aufgebrachte Stimmung am Donnerstagnachmittag am Fähranleger Schlüttsiel (Kreis Nordfriesland): Etwa 250 bis 300 Personen hatten sich dort laut Polizei versammelt, als eine Fähre von Hallig Hooge anlegen wollte. Zuvor soll in sozialen Medien bekannt geworden sein, dass der Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) an Bord war. Nach Polizeiangaben versuchten etwa 25 bis 30 Personen auf die Fähre zu gelangen, konnten aber durch die Beamten - teilweise unter Einsatz von Pfefferspray - zurückgehalten werden. Die Polizei erstattete von Amts wegen Anzeige gegen Unbekannt wegen Landfriedensbruch.
Die Staatsanwaltschaft Flensburg hat nach eigenen Angaben ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Nötigung gegen Unbekannt eingeleitet. Darüber hinaus werde geprüft, ob weitere Straftaten wie Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Landfriedensbruch vorliegen, sagte Oberstaatsanwalt Bernd Winterfeldt. Zuvor hatte Spiegel Online berichtet.
Ob es sich bei der Protest-Gruppe ausschließlich um aufgebrachte Landwirte handelte, ist unklar. Laut Polizei wurden zuvor in den sozialen Medien Aufrufe zur Demonstration in Schlüttsiel verbreitet. Daraufhin machten sich den Angaben zufolge etwa 80 landwirtschaftliche Fahrzeuge auf den Weg zum Fähranleger.
Bürgermeister ruft die Polizei
Ockholms Bürgermeister Matthias Feddersen (WGO) hatte kurz vor der Blockadeaktion die Polizei eingeschaltet. Er sei im Vorwege über ein Treffen von Habeck mit Bauern informiert worden, habe dies aber als Fake-News abgetan, so Feddersen. Das Ordnungsamt habe letztlich dazu geraten, die Polizei zu informieren. Das tat Feddersen schließlich und sagte NDR Schleswig-Holstein: "Aus heutiger Sicht würde ich sagen: Alles richtig gemacht. Wenn ich mir jetzt vorstelle, es wäre keine Polizei dort gewesen, dann hätten sie vielleicht doch die Fähre gestürmt." Die Polizei betonte, dass sich der Großteil der Personen vor Ort ordentlich verhalten hätte. Ein kleiner Teil sei "etwas pöbelig" gewesen.
Robert Habeck bietet Gespräch an - Demonstranten lehnen ab
Laut einer Sprecherin von Robert Habeck sei der Minister bereit gewesen, mit einigen Landwirten zu sprechen. Aus Sicherheitsgründen sei es aber nicht möglich gewesen, sich mit allen Demonstranten auszutauschen. Die Bauern hätten daraufhin das Gesprächsangebot komplett ausgeschlagen.
Fähre fährt erstmal wieder zu Hallig
Nach Angaben der Polizei konnte Habeck nach dem Vorfall aus Sicherheitsgründen die Fähre nicht verlassen. Er musste wieder zur Hallig Hooge zurückkehren. Die Polizei war mit etwa 30 Beamten im Einsatz. Die Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen wegen des Verdachts der Nötigung eingeleitet. Darüber hinaus werde geprüft, ob weitere Straftaten wie Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Landfriedensbruch vorliegen, sagte ein Behördensprecher.
Die Fähre "Hilligenlei" legte dann in der Nacht zu Freitag nach einer Extrafahrt mit Robert Habeck an Bord in Schlüttsiel an. Außer ihm waren nach Informationen von NDR Schleswig-Holstein nur Personenschützer an Bord. Habecks einziger Kommentar um kurz vor 2 Uhr war: "Bin privat hier."
"Gut zu Hause angekommen"
"Herr Habeck ist gut zu Hause angekommen", sagte ein Sprecher der Flensburger Polizei am Freitagmorgen. Der Wirtschaftsminister habe eine Extra-Fähre genommen und sei gegen 2.30 Uhr zu Hause angekommen. Es habe auch keine weiteren Proteste gegeben. Auch ein Sprecher Habecks bestätigte die Ankunft.
Am Freitagvormittag bedankte sich Habeck über eine Sprecherin bei der Besatzung des Schiffes: "Sie sind unvermittelt in Mitleidenschaft geraten. Die Crew musste mit einem blockierten Hafen umgehen und die schwierige Lage managen." Weiter bedauerte Habeck, dass keine Gesprächssituation mit den Landwirten zustande kommen konnte. Es bereite ihm Sorge, dass sich die Stimmung im Land so sehr aufheize.
Politiker reagieren erschüttert
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) meldete sich über seinen Regierungssprecher zu Wort. Auf dem Kurznachrichtendienst X bezeichnete er die Aktion als "beschämend". Eine solche Verrohung der politischen Sitten sollte keinem egal sein, so der Kanzler weiter. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) äußerte sich ebenfalls auf X zu dem Vorfall: "Dort, wo Worte durch Gepöbel und Argumente durch Gewalt ersetzt werden, ist eine demokratische Grenze überschritten." Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) postete, Gewalt und Nötigung seien verachtenswert.
Schwarz: "Das Vorgehen ist inakzeptabel"
Auch der schleswig-holsteinische Landwirtschaftsminister Werner Schwarz (CDU) verurteilte die gestrige Eskalation der Bauernproteste. "Bei der Blockade in Schlüttsiel sind ganz klar Grenzen überschritten worden. Das dortige Vorgehen ist inakzeptabel und schadet dem eigentlichen Anliegen." Schwarz teilt weiter mit, dass Gewalt gegen Menschen oder Sachen in der politischen Auseinandersetzung nichts verloren hätten. "Ich appelliere daher noch einmal eindringlich, in der anstehenden Protestwoche friedlich und demokratisch zu demonstrieren."
"Einige Bauern versauen es sich gerade ordentlich"
Der schleswig-holsteinische Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz (Grüne) schrieb beim Kurznachrichtendienst X, "der Verrohung des politischen Diskurses folgen Drohungen und Gewalt. In einem demokratischen Rechtsstaat verbieten sich aber diese Mittel. Der Bauernverband und alle Beteiligten müssen sich ohne Wenn und Aber von diesem unsäglichen Vorgang distanzieren." Der Europapolitiker Rasmus Andresen (Grüne) schrieb: "Dieser Protest ist absolut inakzeptabel. Dialog Ja, Hetzjagd Nein." Auch Max Mordhorst, FDP-Bundestagsabgeordneter aus Schleswig-Holstein, meldete sich zu Wort. "Einige Bauern versauen es sich gerade ordentlich. Seid anstrengend, laut, kritisch. Aber wer sich wie die Letzte Generation verhält, verdient keine politische Solidarität."
Habeck war selbst jahrelang Landtagsabgeordneter in Schleswig-Holstein, von 2012 bis 2018 war er unter anderem Landwirtschaftsminister. Sein Heimat-Wohnort ist Flensburg; sein Wahlkreis Flensburg-Schleswig.
Bauernproteste gehen weiter
Aktuell protestieren Landwirte bundesweit wegen des geplanten Abbaus von Subventionen. Am Donnerstag dann ein Entgegenkommen seitens der Bundesregierung: Die Koalition will auf die Abschaffung der Kfz-Steuerbefreiung für die Landwirtschaft verzichten. Die Abschaffung der Steuerbegünstigung beim Agrardiesel soll gestreckt und in mehreren Schritten vollzogen werden. Der Deutsche Bauernverband hält die Maßnahmen jedoch für unzureichend.
Hinweis der Redaktion: In einer früheren Version hatten wir geschrieben, dass die Personalien der Demonstranten aufgenommen wurden und sie mit Anzeigen rechnen müssen. Dies hatte uns die Leitstelle Nord mitgeteilt. Erst aufgrund von weiteren Recherchen unserer Autoren stellte sich heraus, dass keine Personalien aufgenommen worden sind, sondern die Staatsanwaltschaft Flensburg ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Nötigung gegen Unbekannt eingeleitet hat. Wir haben die entsprechende Stelle korrigiert.