Daniel Günther (CDU) spricht neben Monika Heinold (Bündnis 90/Die Grünen) während einer Pressekonferenz nach dem Energiegipfel der Landesregierung © picture alliance/dpa Foto: Marcus Brandt

Energiegipfel in SH: Land will 180 Millionen Euro aufbringen

Stand: 06.09.2022 19:14 Uhr

In Zeiten von Energiekrise und Inflation hat Schleswig-Holstein ein eigenes Entlastungsprogramm aufgelegt. Das hat die Landesregierung nach dem Energiegipfel mit Wirtschaft und Kommunen bekanntgegeben.

Das Land will 180 Millionen Euro aufbringen - aus dem Ukraine-Notkredit. Es sollen zum Beispiel Kitas, Schulen und Hochschulen unterstützt, zwei Härtefallfonds eingerichtet und Klimaschutz und Dekarbonisierungsprojekte gefördert werden. Das kündigten Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) und Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) nach dem Energiegipfel am Dienstag an. Ziel sei es, das Bundespaket mit neuen Förderprogrammen, Aufstockungen und Darlehen zu ergänzen, hieß es in einer Regierungsmitteilung. Der Norden sei das erste Land mit einem derartigen Programm und damit Vorreiter in Deutschland, sagte Günther.

Monika Heinold (Bündnis 90/Die Grünen) spricht bei der Aktuellen Stunde im Landtag © NDR
AUDIO: Heinold: "Zugesagte Hilfen müssen schnell kommen" (1 Min)
Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) steht am Rednerpult im Landtag. © NDR Foto: Screenshots
AUDIO: Günther: Paket soll Lücken schließen (1 Min)

Die folgenden Vorhaben wird die Landesregierung dem Landtag vorschlagen:

  • Zehn Millionen Euro für Beratungseinrichtungen (Verbraucher- und Schuldnerberatung, Energie- und Klimaschutzinitiative, Angebote der Wohnungswirtschaft),
  • Aufstockung des Landes-Klimaschutzprogramms um 25 auf 75 Millionen Euro
  • Förderung von Projekten zur Dekarbonisierung in der Industrie (15 Millionen Euro)
  • Förderprogramm für kommunale Klimaschutzinvestitionen in Höhe von 75 Millionen Euro - sofern sich die Kommunen mit dem gleichen Anteil beteiligen
  • Härtefallfonds für Bürgerinnen und Bürger (20 Millionen Euro)
  • Härtefallfonds für Vereine und Verbände, insbesondere für Einrichtungen der Kultur, sowie für Sport, Minderheiten und Frauenfacheinrichtungen (20 Millionen Euro)
  • Unterstützungsprogramm für Kitas, Schulen berufliche Schulen und Hochschulen (15 Millionen Euro)

500-Millionen-Darlehensprogramm

Über die 180 Millionen Euro hinaus ist ein Darlehensprogramm zur Stützung von Stadtwerken und anderen Unternehmen in Höhe von 500 Millionen Euro geplant. Es sollen auch Stromrechnungen gestreckt werden können, wie Ministerin Heinold sagte.

Der Vorschlag der Landesregierung muss noch durch den Landtag. Heinold rechnet mit Belastungen für den Landesetat in dreistelliger Millionenhöhe.

Günther: "Wir müssen Einsparungen von 20 Prozent schaffen"

Das Ziel bleibe bestehen, so viel Energie wie möglich einzusparen, sagte Günther. In allen relevanten Bereichen müsse geschaut werden, wo Strom gespart werden könne. Schleswig-Holstein gehe mit gutem Beispiel voran. Das Land werde aber nicht den Bund ersetzen können: "Das werden wir nicht leisten können", sagte der Ministerpräsident. Er betonte zwar, dass das Land seine Verantwortung nun nicht auf die Kommunen abschieben werde. Doch habe jeder "im Rahmen der gesamtstaatlichen Verantwortung sein Päckchen zu tragen", erklärte er weiter.

Impuls für landeseigene Maßnahmen kam aus der Opposition

Erst am Wochenende hatte der Bund ein drittes Entlastungspaket vorgestellt, das insgesamt 65 Milliarden Euro kosten wird. Sozialverbände und die Opposition hatten daraufhin die schwarz-grüne Landesregierung aufgefordert, das Paket zu ergänzen. Ansonsten droht laut Sozialverband vielen Menschen der Verlust ihrer Wohnung. Günther hatte bereits in der vergangenen Woche einige Maßnahmen in Aussicht gestellt.

SPD: Schritt in die richtige Richtung

Das nun angekündigte Paket sei ein Schritt in die richtige Richtung, sagte SPD-Fraktionschef Thomas Losse-Müller. Er hätte sich jedoch unter anderem mehr Geld für benachteiligte Menschen gewünscht. "Ich bin mir nicht sicher, ob 20 Millionen Euro als Härtefalllösung reichen", sagte er. Außerdem hätte die Landesregierung früher reagieren können.

Der Kieler Oberbürgermeister Ulf Kämpfer (SPD) sprach ebenfalls davon, dass mit dem Landes-Paket ein erster Schritt gemacht sei. Er forderte für Stadtwerke einen Rettungsschirm. Es gehe nicht nur darum, dass sie ihre Rechnungen bezahlen können. Sie müssten auch für ihre Kunden Ratenzahlungen und Stundungen ermöglichen können.

Kritik von der FDP: Falsche Prioritäten

Von der FDP kam dagegen Kritik an den Plänen der Landesregierung. Fraktionschef Christopher Vogt warf der Schwarz-Grünen Koalition falsche Prioritätensetzung vor. "Von den 180 Millionen Euro, die die Landesregierung nun aus dem Ukraine-Notkredit nehmen will, sollen allein 75 Millionen Euro in einen längst beschlossenen Klimaschutz-Fördertopf fließen, der in der aktuellen Notlage gar nicht helfen wird", kritisierte er. Auch bei gezielten Hilfen für kleine und mittlere Unternehmen bestehe noch Nachholbedarf.

Auch SSW-Vorsitzender Lars Harms sprach von "völlig falschen Prioritäten". Das Maßnahmenpaket helfe nicht allen Menschen im Land. Harms hätte sich eine Entlastung bei den Kita-Gebühren und eine Mitfinanzierung des neuen Nahverkehrstickets durch das Land gewünscht.

Verbände begrüßen Entlastungen

Der Deutsche Gewerkschaftsbund Nord befürwortet die Pläne der Landesregierung. "Besonders begrüßen wir, dass, wie von den Gewerkschaften gefordert, ein Härtefallfonds für betroffene Bürgerinnen und Bürger aufgelegt wird." Auch der DGB Nord ist allerdings skeptisch, ob die 20 Millionen dafür ausreichen.

Der Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW) zeigt sich ebenfalls zufrieden mit den Ergebnissen des Energiegipfels. "Das war ein guter Dialog auf Augenhöhe", sagte Direktor Andreas Breitner. Die Unterstützung für Stadtwerke und am Gemeinwohl orientierten Unternehmen nehme Menschen die Angst, dass sie angesichts der Krise das Dach über ihrem Kopf verlieren. Breitner fürchtet allerdings ebenfalls, dass die vorgesehenen Mittel nicht reichen werden.

Der Kinderschutzbund Schleswig-Holstein verlangt, die Unterstützungsangebote möglichst schnell umzusetzen. Nach Angaben der Landesvorsitzenden Irene Johns leiden schon jetzt viele Menschen und besonders Kinder unter den stark gestiegenen Preisen.

IHK und Unternehmen sehen Darlehensprogramm als ersten Schritt

Aus Sicht des Präsidenten der IHK Schleswig-Holstein, Hagen Goldbeck, ist das geplante Darlehensprogramm des Landes zur Unterstützung der Unternehmen, die durch gestiegene Energiekosten in finanzielle Probleme geraten, ein Schritt in die richtige Richtung. Die Darlehen des Landes dürften allerdings kaum ausreichen. Die Vereinigung der Unternehmensverbände UVNord spricht von einem zukunftsträchtigen Entlastungspaket. Mit dem angekündigten Darlehensprogramm von 500 Millionen Euro kann der Mittelstand laut Hauptgeschäftsführer Thomas Fröhlich mit mehr Zuversicht in Herbst und Winter gehen. Der Verband kommunaler Unternehmen begrüßte insbesondere das Stützungsprogramm für Stadtwerke. Nun müsse der Bund sich klar dazu bekennen, Stadtwerke bei etwaigen finanziellen Engpässen zu unterstützen, sagte ein Sprecher.

Kritik kam vom Eigentümerverband Haus & Grund. Auch Eigentümer von Häusern und Wohnungen dürften nicht im Stich gelassen werden, sagte der Landesvorsitzende Alexander Blažek. Er verlangte eine Erweiterung des Wohngeldes. Andernfalls könnten Menschen mit geringem Einkommen ihre Rechnungen nicht bezahlen, dann drohten Zwangsversteigerungen und schwere Folgen für den Immobilienmarkt.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 07.09.2022 | 12:00 Uhr

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