Personalnot der Krankenhäuser in SH spitzt sich zu

Stand: 07.12.2022 07:00 Uhr

Die meisten Krankenhäuser in Schleswig-Holstein bewerten ihre Personalsituation als schlecht. Die Kliniken sehen darin auch ein strukturelles Problem - und hoffen auf die Reform aus Berlin.

von Jörn Zahlmann, Hannah Böhme und Jörg Jacobsen

Eine "Revolution im Krankenhaussektor" hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) mit seinen Reformplänen am Dienstag in Berlin angekündigt. Die ist aus Sicht vieler Kliniken nicht nur deshalb überfällig, weil die Einrichtungen derzeit überwiegend rote Zahlen schreiben. Ein zweites gravierendes Problem: Die Personalnot nimmt immer weiter zu. Das bestätigt auch eine aktuelle Umfrage von NDR Schleswig-Holstein unter den 32 Kliniken im Land, die in der Notfallversorgung tätig sind.

Die meisten Krankenhäuser bewerten Situation als "schlecht"

Von den 18 Krankenhäusern, die auf die Fragen zur Personalsituation geantwortet haben, bewerten 11 die Lage als schlecht. Die Patientenversorgung kann nur noch mit Mühe sichergestellt werden. Kein einziges angefragtes Krankenhaus spricht von einer guten Personallage. "Im medizinischen Bereich ist die Situation zum Teil schon sehr schwierig. Dies betrifft vor allem Assistenzärzte und Pflegekräfte", heißt es etwa vom Klinikum Nordfriesland mit seinen Akuteinrichtungen in Husum, Niebüll und auf Föhr. In diesen Kliniken gebe es in diesem Jahr zum ersten Mal auch bei den Ausbildungsplätzen zu wenig Bewerberinnen und Bewerber.

Hoher Krankenstand in vielen Kliniken

Hinzu kommt aktuell in vielen Kliniken noch ein erhöhter Krankenstand: Am Friedrich-Ebert-Krankenhaus in Neumünster liegt dieser im Vergleich zu 2019 um rund ein Drittel höher. Ähnlich sieht es an den Westküstenkliniken (WKK) in Heide und Brunsbüttel aus. Das schafft weitere Probleme: "Kurzfristige Personalausfälle beispielsweise durch Krankheitswellen sind mittlerweile gar nicht oder nur noch mühsam mit teuren Zeitarbeitskräften zu kompensieren", teilen die WKK mit.

Videos
Romy Hiller im Gespräch mit Katharina Seiler © Screenshot
2 Min

Gesundheitspolitik: Lauterbach präsentiert Krankenhausreform

Was der Bundesgesundheitsminister plant und was sich für kleinere Krankenhäuser ändert berichtet Katharina Seiler aus Berlin. 2 Min

Mehr Studienplätze, leichtere Anerkennung von Abschlüssen

Kliniken wie das DRK-Krankenhaus in Ratzeburg fordern deshalb eine schnellere Anerkennung von Berufsabschlüssen aus dem Ausland und bundesweit mehr Studienplätze: "Der Anteil der Medizinstudienplätze in Deutschland müsste um mindestens 50 Prozent gesteigert werden, um eine bedarfsgerechte Anzahl von Medizinern und Medizinerinnen auszubilden." Aber auch dann würde es aufgrund der langen Ausbildungszeit sechs bis sieben Jahre dauern, bis man positive Effekte erwarten könne.

Mit Zentralisierung gegen den Personalmangel?

Der Fachkräftemangel werde zu einem Problem, das die Kliniken allein nicht mehr in den Griff bekommen, meint der Geschäftsführer der Westküstenkliniken in Brunsbüttel und Heide, Dr. Martin Blümke: "Man muss die vorhandenen Fachkräfte an den geeigneten Stellen zusammenführen und da sind wir bei Krankenhausplanung, bei Zentralisierung, bei einer geordneten Versorgungsstruktur. Da sehe ich das Land massiv in der Pflicht, gemeinsam mit den Kliniken einen neuen Zuschnitt zu entwerfen."

Reform verspricht strukturelle Veränderungen

Einen zentralen Beitrag könnten dazu die am Dienstag vorgestellten Reformpläne von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) leisten. Sie sollen die "Über-Ökonomisierung" der Krankenhäuser stoppen und die Kliniken von wirtschaftlichem Druck befreien, zum Beispiel durch die Reform der bisher geltenden einheitlichen Fallpauschalen für Behandlungen. Unter anderem dieser Kostendruck hat in den vergangenen Jahren zu einer "ausgedünnten Personaldecke" geführt, heißt es etwa vom Städtischen Krankenhaus Kiel. Die Hoffnungen sind also groß, dass sich an der Struktur der Kliniken schnell grundsätzlich etwas ändert - und damit auch an der Personalsituation.

Wer wurde gefragt?

Reporterinnen und Reporter aus den fünf NDR Regionalstudios im Land haben in der vergangenen Woche 32 Kliniken angeschrieben. Darunter sind Kliniken der Grund- und Regelversorgung, Schwerpunktkliniken und das UKSH als Maximalversorger. Es handelt sich um Standorte, die für die Akutversorgung von Patienten relevant sind. Einige Betreiber haben für die Beantwortung der Fragen um mehr Zeit gebeten, andere lehnten die Teilnahme ab oder reagierten gar nicht.

VIDEO: Krankenhäuser in Schleswig-Holstein in der Finanzmisere (5 Min)

Weitere Informationen
Der Flur in einem Krankenhaus © IMAGO / YAY Images Foto: IMAGO / YAY Images

Krankenhaus-Reform: Vertreter aus SH fordern mehr Mittel

Die Krankenhausgesellschaft warnt davor, das Geld einfach nur umzuverteilen. Eine Krankenhauslandschaft umzubauen, erfordere Investitionen. mehr

Romy Hiller im Gespräch mit Katharina Seiler © Screenshot
2 Min

Gesundheitspolitik: Lauterbach präsentiert Krankenhausreform

Was der Bundesgesundheitsminister plant und was sich für kleinere Krankenhäuser ändert berichtet Katharina Seiler aus Berlin. 2 Min

Die Imland Klinik in Eckernförde. © Screenshot

Imland Klinik in Not: Es fehlen fast 50 Millionen Euro

Nach eigenen Angaben ist eine Bank, die die Klinik finanziert hat, abgesprungen. Nun braucht es schnell eine Entscheidung des Kreises. mehr

Blick auf das Hauptgebäude des Diakonissen Krankenhaus in Flensburg. © picture alliance / dpa | Carsten Rehder Foto: Carsten Rehder

Sanierungsverfahren: Wie geht es weiter mit dem Diako Krankenhaus?

Um eine Zahlungsunfähigkeit zu verhindern, hat die Klinik ein Schutzschirmverfahren beantragt. Dafür muss nun ein Plan vorgelegt werden. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 07.12.2022 | 07:00 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Gesundheitsvorsorge

Pflege

Nachrichten aus Schleswig-Holstein

Ausgestopfte Pfuhlschnepfe stehen auf einem inszenierten Strand im Multimar Wattforum in Tönning. © NDR Foto: Pauline Reinhardt

Klimawandel im Wattenmeer: Folgen für Dorsch und Pfuhlschnepfe

Die Nordsee wird immer wärmer, dadurch verändert sich die Entwicklung der Tiere. Auch die Flächen im Wattenmeer sind in Gefahr. mehr

Videos