Bunker auf Helgoland: Unterirdischer Schutzraum wird zum Museum

Stand: 07.12.2022 13:36 Uhr

So wie die lange Anna und die bunten Hummerbuden gehören die Bunker zu Helgoland. Fast 14 Kilometer lang war das Geflecht enger Gänge unter der Erde im Zweiten Weltkrieg. Seit Mittwoch ist auch im Unterland ein Bunkermuseum eröffnet - und das sogar ohne Führung.

von Laura Albus

Es ist der 18. April 1945, an den Olaf Goemann aktuell immer wieder denkt. Ein Tag, den er im Bunker auf dem Helgoländer Oberland verbringt. Es ist der Tag, an dem die Bomben fielen. Abgeworfen von Kampfflugzeugen der Royal Air Force, die die Insel in Schutt und Asche legen. Seine Erinnerungen an diesen Tag sind für den heute 82-Jährigen nur noch Bruchstücke. Damals, am Tag des Angriffs, war er fünf Jahre alt. Ein Kind im Krieg. Unzählige Tage und Nächte hat er im Bunker verbracht, wobei Tag und Nacht ohnehin zu einer grauen, gleichförmigen Masse verschwamm.

"Kinder sehen den Krieg anders." Olaf Goemann, Zeitzeuge

Ein älterer Herr blättert in einem Album mit eingeklebten Zeitungsartikeln. © NDR Foto: Laura Albus
Olaf Goemann überlebte die Bombardierung Helgolands. Er setzt sich dafür ein, dass die Erinnerung daran wachgehalten wird.

Helgoland war damals ein wichtiger Schauplatz im Zweiten Weltkrieg. Die Insel, das Dorf draußen im Meer, war durchzogen von unterirdischen Tunneln und Schutzbunkern. Ein System, das sich vom Oberland bis ins Unterland zog. Verworrene Kilometer unter dem roten Felsgestein. Olaf Goemann hat einen Teil seiner Kindheit in diesem Tunnelsystem verbracht. Wie oft er dorthin flüchtete, kann er nicht mehr sagen, es muss fast täglich gewesen sein. Je nach Grad der Alarmierung. Heute sagt er: "Kinder sehen den Krieg anders." Vieles weiß er nicht mehr. Angst war kein permanenter Begleiter, schließlich wurden die Stunden im Bunker zur Gewohnheit. Es sind Erinnerungsfetzen, die heute immer wieder aufblitzen. Zum Beispiel das Bild der Verwundeten, die an ihm vorbeigetragen wurden ins Krankenhaus.

Auch für Touristen: Ohne Führung in den Bunker

Der Zivilschutzbunker im Oberland, in dem Olaf Goemann so viel Zeit verbrachte, ist bereits seit langem der Öffentlichkeit zugänglich - allerdings nur mit Führung. Doch Helgoland lebt vom Tagestourismus. Und genau für diese Zielgruppe war der kurze Inselaufenthalt zu knapp für einen Besuch im Oberlandbunker. Deshalb der Plan: Auch der Bunker im Unterland soll für Besucher geöffnet werden. Nach Kriegsende wurde er mit Müll zugeschüttet. Fast zwei Jahre haben die Umbauarbeiten gedauert, denn ein Notausgang musste her. Am Mittwoch wurde der Museumsbunker eröffnet. Hier können Besucher ohne Führung mit Hilfe von Infotafeln, Fotos und ihren ganz eigenen Erfahrungen nachspüren, wie es sich in einem Bunker anfühlt, wie Museumsleiter Jörg Andres erklärt: "Das was man hier hat, diese Atmosphäre die man hier unten spürt, kann man nicht in einem Museum nachbauen." Dort unten sei man am Originalschauplatz. Was der Besucher dort empfinde, sei wichtig, um zu vermitteln, was die Bombardierungen der Insel mit den Helgoländern gemacht habe.

Erinnerungen wach halten

Ein gewölbter Bunker-Durchgang mit beleuchteten Informationstafeln an der Wand. © NDR Foto: Laura Albus
Viele Infotafeln schildern, was während der Bombardierung auf der Insel passierte.

Tagesgäste und Insulaner können nun erfahren, was mit der Insel während des Angriffs vom 18. April 1945, aber auch bei der sogenannten Operation "Big Bang" exakt zwei Jahre später geschah. Für Olaf Goemann, einen der letzten Zeitzeugen, ist es wichtig, dass die Erinnerung wachgehalten wird. Deshalb hat er die Eröffnung auch herbeigesehnt. Aber ihm geht es nicht nur um die Erinnerung an die Bombardierung seiner Insel, sondern vor einen allgemeinen Blick auf den Krieg. Dass Krieg höchstens auf dem Papier, niemals aber in der Realität Gewinner und Verlierer kennt. Darauf, dass es auch Strafgefangene auf Helgoland gab. Dass sich die Geschichten zwischen der großen Politik abspielen. Was Wiederstandskämpfer taten. Aber eben auch daran, wie es nach dem Fall der Bomben weiterging.

Für Olaf Goemann ging es mit einer Evakuierung am 19. April 1945 weiter. Erst sieben Jahre später sollte er für drei Tage zurück auf die Insel kommen. Und viele Jahre später dort wieder leben. Er hat den Bau des neuen Museumsbunker im Unterland unterstützt, ist sogar namentlich auf einer Stiftertafel vermerkt. Aber ob er sich das Ergebnis vor Ort anschauen wird, das weiß er noch nicht genau.

Weitere Informationen
Blick auf Helgolands rote Felsen und die Lange Anna. © NDR / Oliver Klebb

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 07.12.2022 | 19:30 Uhr

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