Badeunfälle: Warum es an der Ostsee gerade besonders gefährlich ist
Stand: 13.06.2023 14:56 Uhr
In Timmendorfer Strand ist am Montag ein 20 Jahre alter Ratekauer nach Angaben der Polizei vor den Augen seiner Freunde ertrunken. Wegen des kräftigen Ostwinds entstehen aktuell starke Strömungen an mehreren Stränden entlang der Ostsee.
von Antje Kasemeyer
In Timmendorfer Strand sind am Montagnachmittag zwei Badegäste verunglückt. Einer von ihnen, ein 20-Jähriger aus Ratekau (Kreis Ostholstein), verstarb laut Polizei in der Nacht in einem Lübecker Krankenhaus. Ein 23-jähriger Lübecker konnte am Strand reanimiert werden und wurde in eine Neustädter Klinik gebracht. Die beiden Männer waren unabhängig voneinander ins Wasser gegangen, aber gleichzeitig in Not geraten. Erst am Sonntag waren an der gleichen Stelle sieben Menschen aus dem Wasser gerettet worden, nachdem ein Zehnjähriger trotz Badeverbots in die Wellen gegangen und in Not geraten war. Zunächst hatte seine Familie versucht, ihn zu retten, ehe dies der DLRG gelang.
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Viele Menschen unterschätzen die Gefahren beim Schwimmen, sodass es zu tödlichen Badeunfällen kommen kann. Worauf ist zu achten?
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Unterströmungen - die unterschätzte Gefahr
Die starke Unterströmung durch den anhaltenden Ostwind hatte die Badegäste erfasst. In Timmendorfer Strand und vielen anderen Orten entlang der Ostsee herrscht seit Tagen und auch aktuell Badeverbot - zu sehen an den roten Flaggen. Sie besagen, dass Baden verboten - weil lebensgefährlich - ist. Das Tückische: Die gefährlichen Unterströmungen sind für den Laien nicht mit bloßem Auge erkennbar. Diese sogenannten Rippströmungen sind Brandungsrückströme, die an Buhnen, Molen sowie an Sandbänken vor der Küste entstehen.
Doch diese Sandbänke verändern sich ständig. Bei kräftigeren Winden, insbesondere bei auflandigem Wind, kann das Wasser der Brandungswellen dort nicht ungehindert zurückfließen. Stattdessen sucht sich das Wasser den Weg des geringsten Widerstandes, fließt durch Lücken und Rinnen zwischen den Sandbänken ab. Durch diese Bündelung wird der Wasserstrom immer schneller und zieht Schwimmer aufs Meer hinaus oder drückt sie auf den Meeresboden hinab. Auch an Buhnen und Molen sind die Rippströmungen gefährlich. Treffen Wellen dort schräg auf Hindernisse am Ufer, fließt das Wasser mit erhöhter Geschwindigkeit an diesen entlang zurück ins Meer.
Die Flaggen am Strand - immer wieder ignoriert
An der Nordsee oder wie derzeit besonders an der Ostsee kommen die gefährlichen Rippströmungen samt starkem Wind und Wellengang vor. Die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) hat im Jahr 2003 neue Kennzeichen zur Sicherung von Badestellen eingeführt. Rot und gelb sind die Farben, die Badegästen, Urlaubern und Wassersportlern wichtige Hinweise zur Bewachung der Strände, Risiken und anderen Rahmenbedingungen geben. Doch immer wieder ignorieren Badegäste diese lebenswichtigen Warnungen.
Ein 23-jähriger Lübecker konnte am Montag am Strand reanimiert werden und wurde per Hubschrauber in eine Neustädter Klinik gebracht.
Es ist heiß dieser Tage und so verleitet der Sprung ins kühle Nass so manchen Badegast zur Unvernunft. Übermut, der Einfluss von Alkohol, Leichtsinn und der Irrglaube, ein geübter Schwimmer zu sein - all das kann fatale Folgen haben, diese unsichtbaren Gefahren unter Wasser wirken oft wie ein Staubsauger mit enormer Kraft.
Helfen mehr Warnhinweise ?
Nicht nur die roten Flaggen sollten Badegästen warnen, auch die gelben Signale mahnen zur Vorsicht. Dazu gibt es Hinweisschilder an den Promenaden und Stränden, die über die Gefahren aufklären. Doch reicht dies alles? Müssen gerade die Urlauber im Vorfeld noch mehr aufgeklärt werden und wie sollte dies besser geschehen? Selbst Warnungen per Megaphon durch DLRG-Helfer direkt am Strand wurden schon von Schwimmenden ignoriert - die jüngsten Unglücksfälle passierten zudem Einheimischen.
Die Hohwachter Bucht ist immer wieder von Strömungen betroffen, vor Fehmarn geraten zumeist Wassersportler in Gefahr bis hin zur Seenot. Niendorf, Neustadt und gerade Scharbeutz warnen vor der berüchtigten "Kammer". Dort treffen gleich zwei Strömungen unter Wasser aufeinander. An diesem Scheitelpunkt werden bis zu drei Knoten gemessen - ein Sog, dem auch erfahrene Schwimmer kaum entkommen können.
Tipps zum sicheren Baden im Meer
Der Wind weht Richtung Land und verursacht einen starken Seegang und kraftvolle Wellen, die am Strand brechen. Die Wassermengen fließen dann unter den brechenden Wellen zurück ins Meer. "Diese Unterströmung ist von außen nicht unbedingt zu erkennen, kann aber einen Badenden leicht umwerfen und ihn mit großer Kraft ins Meer ziehen", erklärt Thies Wolfhagen vom DLRG Landesverband Schleswig-Holstein. Dieser Sog ist für Schwimmer deutlich spürbar, man hat kaum eine Chance, sich daraus zu befreien. In solchen Situationen entsteht oft Panik. Betroffene werden hektisch, können die Situation dadurch noch weniger kontrollieren und verlieren schnell an Kraft.
Die DLRG kennzeichnet am Strand deutlich, wann es zu gefährlich ist, zu baden. Weht die rote Fahne und sind entsprechende Schilder aufgestellt, sollte man nicht ins Wasser gehen. Wer sich diesem Rat widersetzt und trotzdem in eine gefährliche Unterströmung gerät, sollte unbedingt Ruhe bewahren, rät Wolfhagen: "Es ist am besten, kurz die Luft anzuhalten, nicht gegen die Strömung anzuarbeiten und sich erstmal von der Strömung treiben zu lassen. Kommt man wieder an die Oberfläche, sollte man versuchen, zu winken und auf sich aufmerksam zu machen." Wer kann, sollte versuchen, irgendwo Halt zu finden.
Signalisiert die DLRG mit ihren Fahnen, dass Baden verboten ist, sollte man sich unbedingt daran halten. Man darf allerdings an der Wasserkante spazieren gehen und die Füße zum Abkühlen ins Wasser halten. Trotz ihrer deutlich sichtbaren Warnungen, sehen die DLRG-Retter täglich Tausende, die trotzdem im Meer baden und sich auch nach persönlicher Ansprache nicht davon abbringen lassen. Damit bringen sie nicht nur sich selbst, sondern auch die Retter in Gefahr, sagt Wolfhagen.
Kinder haben weniger Kraft. Ihnen fällt es noch schwerer, gegen starke Wellen und überraschende Strömungen anzuarbeiten. Außerdem haben Kinder oft ein nicht so ausgeprägtes Gefühl für Gefahren. Sie erkennen womöglich nicht, dass eine Situation gefährlich ist. Jeder Erwachsene, der trotz Warnungen ins Wasser geht, gefährde - als schlechtes Vorbild - auch Kinder, so Wolfhagen.
Ertrinken geht oft völlig lautlos von sich. Ertrinkende schlucken zu viel Wasser, können sich dann nicht an der Oberfläche halten und gehen schließlich unter. Besondere Aufmerksamkeit ist angebracht, wenn man beobachtet, dass sich ein Badender unnormal bewegt oder plötzlich verschwindet.
Wer vom Strand aus eine gefährliche Situation im Wasser beobachtet, sollte in jedem Fall andere Strandbesucher und vor allem die Rettungsschwimmer über die Lage informieren. Bevor man selbst ins Wasser geht, sollte man abschätzen, ob man sich eine Rettung zutraut, rät der Experte. Dann ist wichtig: Auf keinen Fall alleine ins Wasser gehen, sondern immer mit mehreren! Ertrinkende sind oft in Panik und können so auch ihre Retter unter Wasser drücken. Wenn möglich, sollte man einen Auftriebskörper, wie ein Surfbrett oder einen Schwimmreifen mitnehmen, an dem man sich festhalten kann. Wer kann, sollte außerdem einen Rettungsruf über die "112" absetzen.
An der Nordsee sind vor allem die Gezeitenströmungen - also Ebbe und Flut - gefährlich. Urlauber können diese mangels Erfahrung oft nicht richtig einschätzen und geraten so in gefährliche Situationen, aus denen sie sich selbst nicht retten können. Ebenfalls gefährlich sind Untiefen: Das Ufer sieht zunächst flach aus, unter Wasser fällt es dann aber plötzlich und unerwartet steil ab - das ist besonders für Kinder eine Gefahr. Auch Brückenbauwerke und Betonstege können gefährlich werden, wenn man von den Wellen dagegen geschleudert wird oder der Sog einen darunter zieht. Von Bauwerken und Felsen im Wasser sollte man sich grundsätzlich fernhalten, sagt Wolfhagen.
Bei ablandigem Wind sind weniger die Wellen das Problem. Besonders gefährlich wird es zum Beispiel, wenn man auf einer Luftmatratze liegt und nicht merkt, dass man zu weit vom Ufer abkommt.
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Dieses Thema im Programm:
NDR 1 Welle Nord |
Nachrichten für Schleswig-Holstein |
13.06.2023 | 14:00 Uhr