Demo in Lingen: Kein Streckbetrieb, kein Geschäft mit Russland

Stand: 01.10.2022 18:13 Uhr

In Lingen haben rund 200 Personen am Sonnabend gegen einen Weiterbetrieb der letzten deutschen Kernkraftwerke protestiert. Drei Meiler sind noch am Netz, sie sollen Ende des Jahres abgeschaltet werden.

Wegen der aktuellen Energiekrise könnte das endgültige Aus zumindest von zwei Atomkraftwerken (Akw) jedoch verschoben werden. Die Bundesregierung will spätestens Anfang Dezember entscheiden, ob insbesondere Isar 2 in Bayern und Neckarwestheim in Baden-Württemberg im ersten Quartal 2023 im sogenannten Streckbetrieb weiter Strom produzieren sollen. Dafür spreche momentan vieles, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) vor Kurzem. Die europäische Stromproduktion sei wegen ausgefallener Akw in Frankreich nicht ausreichend gesichert.

Lingen geht vom Netz: Gilt das auch nach der Wahl?

Die Aktivistinnen und Aktivisten, die sich in Lingen versammelten, befürchten, dass auch ein Weiterbetrieb des dortigen Kernkraftwerks Emsland noch nicht komplett vom Tisch ist. Sie forderten ein klares Bekenntnis von Bundes- und Landesregierungen, alle drei Akw bis zum 31. Dezember endgültig abzuschalten. "Wir fürchten, dass nach der Landtagswahl Lingen wieder auf die Tagesordnung kommt", sagte Matthias Eickhoff vom Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen.

BUND: Landespolitik muss für Atomausstieg eintreten

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in Niedersachsen übergab anlässlich der Demonstration einen offenen Brief an Landtagskandidierende. Das teilte der BUND mit. Darin werde die Landespolitik aufgefordert, sich für einen konsequenten Atomausstieg einzusetzen. Einen Streckbetrieb oder gar eine Verlängerung von Laufzeiten lehne der BUND aufgrund immenser Gefahren auch für künftige Generationen strikt ab.

Forderung: Uran-Importe aus Russland stoppen

Rund 20 Organisationen hatten zu dem Protest aufgerufen. Nach Angaben Matthias Eickhoff nahmen rund 200 Menschen teil. Die Demonstrierenden protestierten auch gegen Uran-Importe aus Russland in die EU. Prominentester Redner bei der Kundgebung sollte eigentlich der russische Umweltschützer Vladimir Slivyak sein. Der Träger des Alternativen Nobelpreises hatte bereits im September gefordert, die Zusammenarbeit mit dem russischen Atomkonzern Rosatom zu beenden. Slivyak musste seine Teilnahme allerdings wegen Krankheit absagen, wie es von den Veranstaltenden hieß.

Bündnis: Transportwege nicht transparent genug

Das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) hatte russische Uran-Transporte in die Brennelemente-Fabrik in Lingen zuletzt bestätigt. Grundlage seien Genehmigungen aus dem Jahr 2021, sagte ein BASE-Sprecher. Aus Sicht von Anti-Atom-Gruppen aus Deutschland, den Niederlanden und Russland seien die Transporte nicht transparent, sagte Alexander Vent, Sprecher des Bündnisses Atomkraftgegner_innen im Emsland (AgiEL). Es sei ihnen noch nicht gelungen, den Transportweg genau nachzuvollziehen.

Brennelemente-Fabrik beliefert Atomkraftwerke

In Lingen werden in der einzigen deutschen Fabrik dieser Art Brennelemente für die nukleare Stromerzeugung in Europa hergestellt. Die Fabrik ist ebenso wie die Uran-Anreicherungsanlage im westfälischen Gronau vom Atomausstieg ausgenommen und hat eine unbefristete Betriebsgenehmigung. In Lingen wird auch Uran weiterverarbeitet, das in Russland angereichert wurde. Die Fabrik gehört dem französischen Unternehmen Framatome. Sie beliefert unter anderem Atomkraftwerke in Belgien, Frankreich, der Schweiz, den Niederlanden, Großbritannien, Spanien, Schweden und Finnland. 

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | Aktuell | 01.10.2022 | 13:00 Uhr

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Atomkraft

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