Wir ziehen Bilanz: Umweltminister Olaf Lies
Abstand halten! Darunter hat wohl niemand im Kabinett während der Pandemie so gelitten wie Olaf Lies. Er herzt seine Mitmenschen leidenschaftlich gern. Umarmend und einnehmend ist auch sein Politik-Stil: Lies tritt gern als Vermittler auf.
SPD-Mann Olaf Lies ist der umtriebigste Minister im Kabinett: Die Grenzen zwischen seinem früheren Job als Wirtschaftsminister und seinem jetzigen Amt als Umweltminister verlaufen manchmal fließend - zum Ärger der CDU, die ja den Wirtschaftsminister stellt.
Größter Erfolg
Dass sich Umweltschützer, Landwirte und Politik auf den sogenannten Niedersächsischen Weg geeinigt haben, ist auch Lies zu verdanken. Über Monate hat er - gemeinsam mit CDU-Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast - den bundesweit einmaligen Vertrag mitverhandelt. Im Kern verpflichten sich beim Niedersächsischen Weg alle Seiten zu mehr Natur- und Artenschutz. Landwirte erhalten dafür Ausgleichszahlungen. Lies hat das Umweltministerium in seiner Amtszeit zu einem machtvolleren Ministerium gemacht. Auch, weil Energiefragen zuletzt deutlich in den Mittelpunkt gerückt sind.
Zu jeder Bilanz einer Amtszeit gehören auch Bilder. Wir haben deshalb den Minister gebeten, uns Fotos aus seiner Amtszeit zur Verfügung zu stellen, die ihm - aus welchen Gründen auch immer - wichtig sind.
Größte Angriffsfläche
Für die erneuerbaren Energien setzt sich Lies zwar leidenschaftlich und öffentlichkeitswirksam ein, die Bilanz seiner Amtszeit ist allerdings mager. Wenn es um Windräder und Solaranlagen geht, konnte der Minister sich gegen Kommunen, Umweltverbände und den Koalitionspartner CDU am Ende oft nicht durchsetzen. Auch beim bezahlbaren Bauen und Wohnen kann er außer allgemeinen Plänen kaum etwas vorweisen. Als unendliche Geschichte in der Landespolitik zählt auch Lies' vermurkste Wolfs-Politik: Der Plan, den Wolf zu schützen und gleichzeitig gezielte Abschüsse zu erlauben, ist gescheitert. Von der Opposition wird Lies gern als Ankündigungsminister verspottet.
Sympathiepunkte
Lies ist Optimist und lässt sich den Spaß an der Arbeit auch an nervigen Tagen nicht verderben. Obwohl er eher Freund der schnellen und knackigen Schlagzeile ist, kümmert er sich persönlich auch um lästige Themen und vermittelt in langwierigen Auseinandersetzungen. Aus seinem Umfeld ist zu hören, dass Lies gut mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern umgeht. Für viele habe er ein offenes Ohr, heißt es.
Kommunikation
Lies versteht es, Politik zu erklären und dabei sich selbst zu verkaufen. Egal, wo er auftritt: Der Friesländer findet schnell einen Draht zu den Leuten - egal, ob Wolfsgegner, Unternehmenschefin oder Bienenfreund. Und er schafft es spielend, allen das Gefühl zu geben, dass er auf ihrer Seite steht. Wie kaum ein anderer steckt der Diplom-Ingenieur tief in seinen Themen und kann auch spontan mit Faktenwissen glänzen - von der Atomkraft bis zum Wattenmeer.
Karriereaussichten
Dem Umweltminister stehen viele Türen offen: Falls die SPD wieder Teil der kommenden Landesregierung ist, wäre er die Idealbesetzung für ein noch zu schaffendes Klima- und Wirtschaftsministerium. Sollte SPD-Ministerpräsident Stephan Weil in eine dritte Amtszeit gehen, stünde Lies mittelfristig als sein Nachfolger in den Startlöchern. Sollte die SPD die Wahl verlieren, gäbe es sicher lukrative Angebote aus der Wirtschaft. Für die Führung beim Energie-Dachverband BDEW (Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft) war er bereits 2019 im Gespräch.
"... und sonst so?"
Rückzugsort des Ministers ist der Hof seiner Familie in Sande im Landkreis Friesland. Wegbegleiter beschreiben charakterliche Ähnlichkeiten zwischen Lies und dem Esel der Familie: Beiden wird eine gewisse ostfriesische Sturheit nachgesagt.