Wir ziehen Bilanz: Agrarministerin Barbara Otte-Kinast
Landwirte nennen sie "eine von uns". Im eigenen Ministerium gilt Otte-Kinast zwar als nahbar, aber weniger durchsetzungsstark. Pluspunkte sammelte sie beim "Niedersächsischen Weg".
Barbara Otte-Kinast (CDU) ist Landwirtin durch und durch. Sie ist auf einem Hof aufgewachsen, hat dann erst als Hauswirtschaftsleiterin gearbeitet und später gemeinsam mit ihrem Mann einen Milchviehbetrieb geführt. Otte-Kinast ist landespolitische Quereinsteigerin, als sie 2017 ins Ministeramt kommt. Als Vorsitzende des Niedersächsischen Landfrauenverbandes ist sie in der Agrarszene aber keine Unbekannte. Unter Landwirten gilt die Ministerin als "eine von uns".
Größter Erfolg
Otte-Kinast war maßgeblich am Zustandekommen des "Niedersächsischen Wegs" beteiligt. Der Schulterschluss zwischen Landesregierung, Landwirten und Naturschützern war ein langer Prozess. Große Euphorie für das Projekt war anfangs bei der Landwirtschaftsministerin kaum zu spüren. Sie hat mit ihrer moderierenden und verbindlichen Art aber im Verlauf dafür gesorgt, dass Landwirte und Naturschützer weiter verhandelten und bis heute dabei geblieben sind. Herausgekommen ist eine bundesweit einmalige Zusammenarbeit verschiedener Interessengruppen zu Gunsten der Artenvielfalt.
Durch diesen Prozess ist es Otte-Kinast zusammen mit ihrem Ministerkollegen Olaf Lies (SPD) zudem gelungen, dass Landwirtschaftsministerium und Umweltministerium enger zusammenrücken. Wichtig, denn die Häuser arbeiten oft an denselben Themen. Das fällt mittlerweile deutlich einfacher, auch weil sich Lies und Otte-Kinast persönlich gut verstehen.
Zu jeder Bilanz einer Amtszeit gehören auch Bilder. Wir haben deshalb die Ministerin gebeten, uns Fotos aus ihrer Amtszeit zur Verfügung zu stellen, die ihr - aus welchen Gründen auch immer - wichtig sind.
Größte Angriffsfläche
Was sie selbst als Erfolg ihrer Amtszeit verbucht, legen ihr andere als Schwäche aus. Ackerbau- und Grünlandstrategie, Nutztierstrategie, Ernährungsstrategie, Gesellschaftsvertrag - auf all das ist Otte-Kinast stolz. Kritikern reicht das nicht. Strategien seien nett zu lesen, mehr aber nicht, ist von Naturschützern zu hören. Otte-Kinast wird unter anderem von der Opposition vorgeworfen, kaum etwas Konkretes umgesetzt zu haben und nicht gut darin zu sein, Entscheidungen zu treffen. Immer wieder zeigt sie zudem bei schwierigen Themen nach Berlin. In der Schweinepreis-Krise hatte es Otte-Kinast zwar geschafft, alle Akteure zu einem Krisengipfel zusammen zu holen. Am Ende blieb als Ergebnis aber nur ein Appell an den Bund.
Und dann war noch die Sache mit der geänderten Tiertransport-Verordnung. Im Juni 2021 wurde diese im Bundesrat verabschiedet. Ein Ergebnis: Kälber dürfen nicht mehr ab einem Alter von 14 Tagen transportiert werden. Ab 2023 müssen sie dafür mindestens 28 Tage alt sein. Der Aufschrei bei den Milchviehhaltern im Land war groß. Eine Abteilung des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums hatte diese Änderung vorgeschlagen. Otte-Kinast soll davon nichts gewusst haben - das Ministerium hatte offenbar an der eigenen Chefin vorbei gearbeitet.
Kommunikation
Eigentlich jeder, der mit Barbara Otte-Kinast zu tun hat, mag, wie sie mit Menschen umgeht. Mit Politiker-Kollegen wie mit Landwirten oder auch Förstern ist sie freundlich, verbindlich, zugewandt. Bei Terminen ist Otte-Kinast gut vorbereitet und den Gesprächspartnern gegenüber wertschätzend. Selbst politische Gegner beschreiben als "so nett, wie es das selten in der Politik gibt." Otte-Kinast menschelt, wo es nur geht. Dem Ministerkollegen wünscht sie im Vorbeigehen aufrichtig eine schöne Geburtstagsfeier. Mit Journalisten steht sie beim Parteifest an der Schnapsbude und plaudert. Otte-Kinast ist menschlich und nahbar. Gleichzeitig gilt sie aber als zu wenig durchsetzungsstark im eigenen Ministerium. Nicht wenige wünschen sich, sie würde öfter "auf den Tisch hauen".
Sympathiepunkte
Als es im Oktober 2020 im Niedersächsischen Landtag um die Situation der Schweinehalter geht, bricht Otte-Kinast während einer Rede in Tränen aus. Sie berichtet von verzweifelten Landwirtsfamilien. Von Telefonaten, in denen Bauern ihr von Selbstmordgedanken erzählen. Otte-Kinast scheut sich nicht, ihre Emotionen zu zeigen. So offen, wie es äußerst selten im Politikbetrieb geschieht. Dafür bekommt sie Respekt von allen Seiten.
Karriereaussichten
Otte-Kinast möchte gerne weiter Ministerin bleiben. Das könnte gelingen, wenn die CDU auch nach der Wahl weiter regiert. Sie gilt als eine der Favoritinnen auf ein Ministeramt, sollte es eine schwarze Beteiligung an einer Koalition geben. Der Landespolitik wird sie aber in jedem Fall erhalten bleiben. Otte-Kinast kandidiert im Weserbergland um ein Direktmandat. Selbst wenn sie dabei eine Niederlage erleiden sollte, wird sie über die Liste in den Landtag einziehen. Dort steht ihr Name weit oben auf Platz 2, der eine Garantie auf ein Landtagsmandat bedeutet.
Und sonst so?
Schon gleich am Anfang hatte Otte-Kinast eine Sache im Ministerium geändert. Die neue Chefin fand es befremdlich, dass bei Besprechungen das immer gleiche Gebäck auf den Tischen stand. Zum Landwirtschaftsministerium passten doch regionales Obst und Gemüse viel besser, fand sie. Also standen künftig Heidelbeeren, Erdbeeren und Gemüsesticks auf den Tischen. Alles frisch und aus Niedersachsen. Besprechungskekse sind seitdem aus dem Landwirtschaftsministerium verbannt.