Razzia in Hannover (AfD).  Es geht um die Parteispenden-Abrechnungen von Ansgar Schledde. © NDR Foto: Johannes Koch

Razzia bei AfD in Niedersachsen: Partei bestreitet Vorwürfe

Stand: 18.04.2024 11:10 Uhr

Die Staatsanwaltschaft Hannover ermittelt gegen den AfD-Landtagsabgeordneten und stellvertretenden Landesvorsitzenden Ansgar Schledde. Der Vorwurf: Ein Verstoß gegen das Parteienrecht. AfD Niedersachsen bestreitet die Vorwürfe.

von Mandy Sarti, Amelia Wischnewski und Johannes Koch

Um kurz nach 9 Uhr am Morgen fahren fünf Mannschaftswagen und mehrere Zivilfahrzeuge der Polizei vor der AfD-Parteizentrale vor. Seitdem durchsuchen Staatsanwaltschaft und Polizei die Büros des Landesverbandes und des Kreisverbands Ems-Vechte in Hannover. Hannovers erste Staatsanwältin Kathrin Söfker bestätigt dem NDR Niedersachsen die Ermittlungen ihrer Behörde. Die AfD Niedersachsen bestreitet die Vorwürfe.

Staatsanwaltschaft: "Gelder tauchen nicht im Rechenschaftsbericht auf"

Es gehe um den Anfangsverdacht des Verstoßes gegen das Parteiengesetz, sagt Staatsanwältin Söfker: "Es sollen Spenden auf einem privaten Konto vereinnahmt und nicht unverzüglich an die Partei weitergeleitet worden sein." Diese Gelder sollen für Parteizwecke verwendet worden sein. "Die Gelder tauchen nicht im Rechenschaftsbericht der AfD auf", so Söfker. Das sei ein Verstoß gegen Paragraf 31d des Parteiengesetzes. Im Fokus der Ermittlungen: Der Landtagsabgeordnete und stellvertretende AfD Landesvorsitzende Ansgar Schledde. Der Landtag hatte zu Beginn der Plenarsitzung am Mittwoch die Immunität der AfD-Abgeordneten aufgehoben. Schledde war dabei selbst nicht zugegen. Er hatte sich entschuldigen lassen.

AfD-Landesvorsitzender: "Kalter Kaffee von vorgestern"

In einer Pressemitteilung schrieb zunächst der AfD-Landesvorsitzende Frank Rinck: "Die Vorwürfe, die gegen meinen Stellvertreter Ansgar Schledde erhoben werden, entbehren jeder Grundlage." Man könne auch sagen: Kalter Kaffee von vorgestern, so Rinck. Der Hintergrund: Dem stellvertretenden AfD-Landesvorsitzenden Schledde wurde schon vor zwei Jahren vorgeworfen, eine "schwarze Kasse" zu führen. Der damalige AfD-Landtagsabgeordnete Christopher Emden hatte behauptet, Schledde würde Geld für aussichtsreiche Listenplätze bei den damals anstehenden Landtags- und Bundestagswahlen fordern.

AfD-Landeschef Rinck spricht von "Schmutzkampagne"

Ansgar Schledde auf dem Landesparteitag der AfD Niedersachsen am 02.07.2022. © picture alliance/dpa Foto: Phillip Schulze
Der Niedersächsische Landtag hat die Immunität des AfD-Landtagsabgeordneten Ansgar Schledde aufgehoben. (Archivbild)

Die Staatsanwaltschaft Osnabrück führte nach Emdens Vorwürfen Ermittlungen wegen Untreue gegen Ansgar Schledde. Diese wurden allerdings eingestellt. Niedersachsens AfD-Chef Rinck schreibt heute, auch diesmal habe die AfD der Staatsanwaltschaft vollste Zusammenarbeit und Transparenz zugesichert. Die jetzt durchgeführte Hausdurchsuchung sei völlig unverhältnismäßig, so Rinck. "Ebenso legt der Zeitpunkt, wenige Tage vor dem Landesparteitag und im Vorfeld der EU-Wahl, den starken Verdacht nahe, dass es sich hier wieder einmal um eine Schmutzkampagne gegen die AfD Niedersachsen handelt." Die Justiz werde gegen die Opposition missbraucht und die AfD werde sich mit allen rechtsstaatlichen Mitteln dagegen wehren.

Parteien müssen Rechenschaft ablegen

Nach Informationen des NDR Niedersachsen, der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" (HAZ) und der "Neuen Presse" soll Schledde Parteispenden nicht rechtzeitig an die AfD weitergeleitet und diese auch nicht gesetzestreu angegeben haben. Jedes Jahr müssen Parteien über Einnahmen und Ausgaben im Bundestag schriftlich Rechenschaft ablegen und dabei auch Parteispenden transparent aufführen. Der Bundestag, der den Rechenschaftsbericht prüft, bestätigte auf NDR Anfrage, den Sachverhalt zur Niedersachsen-AfD zu kennen.

Auch Landtags- und Bundestagsabgeordnete sollen überwiesen haben

Nach Informationen des NDR Niedersachsen und der "HAZ" handelt es sich um rund 48.000 Euro, die mit klarem AfD-Bezug auf Schleddes Privatkonto eingegangen sein sollen. Auf das Konto sollen demnach unter anderem Abgeordnete Zahlungen geleistet haben, die inzwischen im Landtag oder im Bundestag sitzen. Konkret geht es offenbar um die Landtagsabgeordneten Klaus Wichmann, Jens Brockmann, Harm Rykena, Dennis Jahn sowie Ansgar Schledde selbst. Und außerdem um die Bundestagsabgeordneten Thomas Erhorn, Jörn König, Frank Rinck und Dirk Brandes. Die Namen und die jeweiligen Summen liegen dem NDR vor. Die Zahlungen variieren zwischen mehreren Hundert und mehreren Tausend Euro. Zum Teil soll es sich um regelmäßige Überweisungen handeln. Die Verwendungszwecke sollen unter anderem die Begriffe "Kriegskasse" oder "K-Kasse Mandatsträger", sowie "Aufstellungsversammlung", "eventueller Parteitag" und "Wahlkampf" enthalten.

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AfD-Mitglieder bestreiten Geld für Parteizwecke verwendet zu haben

Die Landtagsabgeordneten Wichmann, Brockmann, Rykena, Jahn und Schledde sowie die Bundestagsabgeordneten Erhorn, König, Rinck und Brandes haben geschlossen schriftlich auf eine NDR Anfrage geantwortet. In der Stellungnahme heißt es: Richtig sei, dass auf einem privaten Konto private Zahlungen von verschiedenen Personen geleistet wurden. "Falsch ist, dass dieses Geld für Parteizwecke verwendet wurde." Das Geld sei lediglich für private politische Treffen und private Reisekosten verwendet worden. "Kein einziger Euro wurde der AfD zur Verfügung gestellt", schreiben die neun AfD-Mitglieder weiter. "Eine Aufnahme solcher Gelder in den Rechenschaftsbericht einer Partei wäre sachlich falsch und rechtlich strafbar." Dabei berufen sie sich auf das Parteienrecht.

Ex-AfD-Mann Emden: "Ich hätte es auch in bar zahlen können"

Im Gespräch mit dem NDR Niedersachsen erneuert der ehemalige AfD-Abgeordnete Christopher Emden allerdings seine Vorwürfe: "Mir wurde damals angeboten, einen Betrag von 4.000 Euro zu zahlen, um die Unterstützung für die Aufstellung zur nächsten Landtagswahl zu bekommen." Die Kontoverbindung für die "Kriegskasse" sei die von Schledde gewesen, sagt Emden. "Ich hätte es aber auch in bar zahlen können." Emden entschied sich dagegen und machte die mutmaßliche "schwarze Kasse" öffentlich. Es folgte eine Unterlassungsklage gegen ihn. Im März stellte das Landgericht Verden fest: Emdens Vorwürfe seien glaubhaft. Das bestätigte eine Sprecherin des Landgerichts dem NDR Niedersachsen. Das Urteil ist allerdings nicht rechtskräftig. Ansgar Schledde hat dagegen Rechtsmittel eingelegt.

Durchsuchungen kurz vor AfD Parteitag

Die Durchsuchungen kommen für Schledde durchaus ungelegen. Am Samstag will er sich zum Landesvorsitzenden der AfD wählen lassen und damit Frank Rinck ablösen. Eigentlich ein leichtes Spiel für den 46-Jährigen, der in der Partei als "Strippenzieher" gilt, denn es gibt offenbar keinen Gegenkandidaten. Trotz der Durchsuchungen heute gilt weiter die Unschuldsvermutung.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | Aktuell | 17.04.2024 | 10:00 Uhr

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