Abschiebung von Islamisten: "Wir haben eine robuste Linie"

Stand: 19.12.2023 20:21 Uhr

Seit 2015 hat Niedersachsen 27 mutmaßliche Islamisten abgeschoben. "Wir haben eine robuste Linie", sagt Innenministerin Daniela Behrens (SPD). Und dennoch funktioniert es nicht immer.

von Angelika Henkel

Es ist eine Zahl, die aufhorchen lässt: Rund 90 Islamisten werden in Niedersachsen als sogenannte Gefährder eingestuft - Menschen, denen die Sicherheitsbehörden aufgrund ihrer Radikalität auch Gewalt zutrauen. Es sind Fälle, mit denen sich allerdings nicht nur Polizei und Verfassungsschutz beschäftigen, sondern auch ein Gremium im Innenministerium, das es seit 2005 gibt und das Gefährder identifizieren soll, die keinen deutschen Pass haben. Ausländerbehörden, das Bundesamt für Migration und die Staatsanwaltschaften sitzen mit der Polizei gemeinsam an den Akten. Das Ziel: Gegen wen lassen sich so viele Beweise vorbringen, dass eine Ausweisung aus Deutschland möglich ist?

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Ministerin Daniela Behrens im Gespräch im Studio. © Screenshot
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Seit 2015 ist es 27-mal gelungen, mutmaßliche Islamisten abzuschieben - nach Afghanistan, Georgien, Russland und weitere Länder. Zuletzt am Freitag ein Mann aus dem Irak, der in Niedersachsen in Polizeigewahrsam saß, aber zuletzt in Sachsen-Anhalt wohnte. Er soll möglicherweise ein Attentat auf einem Weihnachtsmarkt geplant haben. "Wir haben eine sehr robuste und strenge Linie", sagt Innenministerin Daniela Behrens (SPD) dem NDR Niedersachsen. "Wir nutzen alle rechtlichen Mittel, um sie im Fall der Fälle abschieben zu können."

Viele mit deutschem Pass

Doch von den rund 90 Menschen, die in Niedersachsen als gefährlich eingestuft werden, haben fast 40 Prozent die deutsche Staatsangehörigkeit, weitere rund 30 Prozent haben die deutsche und eine weitere Staatsangehörigkeit, wie die Ministerin sagt. All diese Personen können nicht abgeschoben werden und müssen von der Polizei bewertet und so gut es geht beobachtet werden. Diejenigen Gefährder, die Ausländer sind, sollen ausgewiesen werden.

Kooperation der Heimatländer notwendig

Doch es gibt Hürden: Einige Länder verweigern die Rücknahme. In Syrien herrscht weiterhin eine Diktatur. Behrens: "Wir können nicht irgendwo hinfliegen und die Menschen dort absetzen, wir brauchen die Kooperation des Heimatlandes. Das macht es nicht einfach." In einigen Fällen klagen die Betroffenen, denn natürlich gilt auch für sie der Rechtsstaat.

Ausweisungsinteressen versus Bleibeinteressen

Am Verwaltungsgericht Hannover landen landesweit die meisten Fälle. Das dürfte daran liegen, dass die Szene in Hildesheim - rund um den verbotenen Verein DIK - polizeilich besser durchleuchtet werden konnte als anderswo. "Das Gesetz sieht vor, dass sogenannte Ausweisungsinteressen und Bleibeinteressen abgewogen werden müssen", erklärt Mirko Widdascheck vom Verwaltungsgericht Hannover. Bleibeinteressen können das Wohl von Kindern sein - oder ob jemand in Deutschland geboren und verwurzelt ist.

Abwägung im Einzelfall

"Wir überprüfen zum Beispiel auch, ob diese Person sich mittlerweile glaubhaft und erkennbar von diesen Vereinigungen distanziert haben." Es sei ein Unterschied, ob eine Person wiederholt in einer Moschee gepredigt hat oder ob ein Jugendlicher einmalig ein Faltblatt verteilt hat und seitdem nie wieder auffällig wurde. "Die Verfahren haben aufgezeigt, dass die deutschen Behörden und die Judikative hier nicht blauäugig gegenüber islamistischen Tendenzen sind", sagt Widdascheck dem NDR.

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Hallo Niedersachsen | 19.12.2023 | 19:30 Uhr

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