Sellering zur Nord Stream-Stiftung: "Habe mich getäuscht"
Mecklenburg-Vorpommerns ehemaliger Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) will einer möglichen Auflösung der Klimaschutzstiftung nicht im Wege stehen. Bedingung dafür sei, dass alle rechtlichen Bedenken gelöst würden. Sellering räumte Fehler bei der Einschätzung Putins ein.
"Ich habe falsch eingeschätzt, wie die Möglichkeiten sind, auch mit Putin-Russland zusammenzukommen. Das ist ein Fehler, den ich einsehen muss - eine Illusion. Das gilt für alle hier im Land", sagte Sellering am Dienstag bei NDR MV Live. Die Politik, zu versuchen mit Russland auf einen "guten Partnerschaftskurs" zu kommen, würde von 80 Prozent der Menschen im Land getragen, so Sellering. "Und die alle sind grausam enttäuscht über das, was jetzt passiert ist."
Sellering: Nicht mit dem Finger auf andere zeigen
Hintergrund ist der Streit um den Umgang mit der umstrittenen Klima- und Umweltstiftung des Landes, die dabei mithalf, die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 zu Ende zu bauen und das Stiftungskapital - 20 Millionen Euro - vom russischen Staatskonzern Gazprom bekommen hat. Sellering forderte mehr Sachlichkeit in der Debatte. Es gehe um Lösungen und nicht darum, "mit dem Finger auf andere" zu zeigen. "Das könnte ich, glaube ich, tun. Ich bin der Erste und Einzige, der hier im Land sich ganz deutlich distanziert hat." Ein Rechtsgutachten soll nun prüfen, ob und wie die Stiftung aufgelöst werden kann.
Sellering: Müssen Menschen in der Ukraine helfen
Sellering zeigte sich dafür offen, dass das Land 20 Millionen Euro aus dem Haushalt für humanitäre Hilfe für die Ukraine bereitstellen sollte. "Die Menschen in der Ukraine, die leiden unter diesem grausamen und gemeinen Krieg. Und denen müssen wir helfen." An den Stiftungsvorstand sei von verschiedenen Menschen herangetragen worden, dafür das Geld von Nord Stream zu verwenden. "Das würden wir gerne. Wir haben ja im Vorstand Werner Kuhn, den Präsidenten des Deutschen Roten Kreuzes. Der hat immer wieder gesagt: 'Ich kenne ja die Flüchtlinge hier. Wir müssen dringend helfen. Gibt es nicht eine rechtliche Möglichkeit, dass wir dieses Geld für den Zweck nehmen?' Wir haben immer wieder geprüft und wir haben uns beraten mit Stiftungsrechtlern und Experten. Und am Ende bleibt: Es geht leider nicht."
Dass der Stiftungsvorstand einem Einsatz des Geldes für die Ukraine schon seit Länegem offen gegenüberstehe, wie Sellering insinuierte, deckt sich allerdings nicht mit früheren Aussagen. Noch am 25. Februar - am Tag nach dem Beginn der russischen Invasion in der Ukraine - hatte Sellering dem NDR gesagt, wer die Stiftung auffordere, das Geld für andere Dinge auszugeben, fordere zur Untreue auf. "Die Mittel zu nutzen, wie wir das tun, um an der Jahrhundert-Aufgabe Klimaschutz mitzuwirken und sich dann engagiert dafür einzusetzen, dass unser Planet überleben kann, das ist ja wohl ein Einsatz von 20 Millionen, der den Vergleich mit anderen positiven Einsätzen für unser Gemeinwesen nicht zu scheuen braucht", so Sellering seinerzeit.
CDU: "Ein wenig übers Ziel hinausgeschossen"
Die Landtagsopposition nahm die Kehrtwende Sellerings mit Genugtuung auf. "Ich freue mich erstmal, dass Herr Sellering für sich selber eingestanden hat, dass er in den letzten Tagen vielleicht ein wenig übers Ziel hinausgeschossen ist - vor allem verbal. Und dass er sich jetzt selbst vorgenommen hat, auch verbal deutlich abzurüsten", sagte CDU-Fraktionschef Franz-Robert Liskow. Es freue ihn zudem, "dass er den Vorschlag unserer Jamaika-Opposition aufgenommen hat, dass er sagt, diese 20 Millionen über den Landeshaushalt sollten wir doch für humanitäre Hilfe in der Ukraine zur Verfügung stellen. Das sind gute Töne, die ich sehr begrüße." AfD-Fraktionschef Nikolaus Kramer sagte, er wünsche sich, "dass wir eine rechtlich saubere Lösung finden, um diese Klimastiftung aufzulösen, aber möglicherweise den Klimagedanken nicht aus der Hand verlieren."
Grüne: Ministerium soll Stifung auflösen
Die Grünen im Landtag wollen sich damit nicht zufrieden geben. Sie halten die Aussagen von Sellering vom Dienstag für wenig glaubwürdig - und sehen die Landesregierung in der Pflicht. Man müsse nicht auf das Gutachten warten, sondern jetzt handeln, sagte die Grünen-Landtagsabgeordnete Constanze Oehlrich bei NDR MV Live: "Als Stiftungsaufsicht hätte das Justizministerium die Aufgabe, die Normen, die Befugnisse, die es hat, auszulegen und zu begründen, wie es zu seiner Rechtsauffassung kommt. Ich sehe es so, dass die Voraussetzungen dafür vorliegen, dass das Justizministerium tätig wird und die Stiftung aufhebt - so wie es in Paragraph 87 BGB geregelt ist."
Schlagwörter zu diesem Artikel
SPD
