Schweriner Volleyballerin aus der Türkei: "Es war schrecklich"

Stand: 07.03.2023 06:57 Uhr

Sie ist aus dem aktuellen Kader des SSC Palmberg Schwerin gar nicht mehr wegzudenken. Zu Saisonbeginn wechselte die in Ankara geborene Volleyballerin Tutku Yüzgenc vom türkischen Topclub Fenerbahce Istanbul zum deutschen Rekordmeister. Vor genau einem Monat der Schock: das verheerende Erdbeben in ihrer Heimat. Clemens Paulsen hat sich mit ihr getroffen.

von Clemens Paulsen

Auf die erste Anfrage, ob sie über die Katastrophe in ihrer Heimat reden möchte, reagiert Tutku Yüzgenc sofort. "Natürlich, es ist wichtig, dass die Leute wissen, was in meiner Heimat passiert ist." Zum verabredeten Zeitpunkt erscheint die 1,93 Meter große Diagonalangreiferin auf die Minute pünktlich. Sie lächelt, wirkt aber schüchtern. Vom Erdbeben erfuhr sie gleich früh morgens. "Als ich aufgewacht bin, hatte ich Nachrichten auf dem Handy. Ich habe Videos gesehen. Es war schrecklich. Ich konnte es nicht verstehen. Ich wusste erst nicht, wo genau es passiert ist, welches Ausmaß dieses Erbeben wirklich hatte. Ich habe mit meinen Eltern, Freunden, mit der Familie telefoniert. Alle haben dasselbe erzählt. Es ist alles zerstört. Wie kann das nur möglich sein? Und dann habe ich gewartet."

"Die Bilder ... grauenhaft. Es war schrecklich"

Stündlich kommen neue Fotos, schreckliche Videos von völlig zerstörten Städten und Dörfern. Im deutschen wie im türkischen Fernsehen folgt eine Sondersendung der nächsten. "Es gab so viele Bilder von zerstörten Häusern. Gebäude, die einfach weg waren. Dann diese Stille, zunächst konnte ja niemand direkt helfen. Erst nach einem Tag konnten dann die Arbeiten beginnen. Die Bilder… grauenhaft. Es war schrecklich."

Trost von der Mitspielerin

Tutku Yüzgenc fängt kurz an zu weinen. Zu heftig, zu verstörend ist all das, was sie aus der Türkei erreicht. Ihre Mitspielerin Pia Kästner holt sie zu sich. Auf gar keinen Fall soll Tutku jetzt allein in ihrer Wohnung sein. Sie kocht mit Pia, sie reden viel, schauen Filme. In den Tagen nach dem Erdbeben erfährt sie von Sportlern, die in den Trümmern gestorben sind. "Meine engen Freunde waren nicht betroffen. Aber ich weiß von Volleyball-, Fußball- und Handball-Mannschaften, ich habe gehört, dass es da viele Opfer gab. Ich habe meine erste Trainerin angerufen. Sie sagte: Ich bin okay, aber betet für uns. Es ist so furchtbar."

Dankbar über Hilfsbereitschaft in Deutschland

Tutku Yüzgenc ist dankbar und froh, dass sie in Schwerin ist. "Der SSC ist meine zweite Familie. Ich gebe alles für dieses Team und das Team gibt alles für mich. Die Hilfe und Unterstützung ist überwältigend. Ich weiß manchmal gar nicht, was ich sagen soll." Am kommenden Wochenende geht es nach der Spielpause in der Bundesliga weiter. Dann muss der SSC in Dresden antreten. Die Spiele, das Training: Tutku Yüzgenc braucht diesen Rhythmus, um im Gleichgewicht zu bleiben und nicht ständig an ihre Familie und ihre Landsleute in der Heimat zu denken. "Es macht es leichter für mich, wenn ich an die Hilfsbereitschaft der Menschen in meinem Verein, in Schwerin und in Deutschland denke."

Weitere Informationen
Zwei Geschwister stehen in den Trümmern der Altstadt von Antakya (Türkei). Beide waren bei einem Erdbeben vor einem Jahr verschüttet worden. © Boris Roessler/dpa

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Bei den Beben starben etwa 60.000 Menschen, Millionen wurden obdachlos. Wie ist die Lage ein Jahr nach der Katastrophe? mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 07.03.2023 | 07:00 Uhr

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