Welche Perspektive haben die LNG-Terminals im Norden?
Als Folge des Kriegs in der Ukraine will sich Deutschland möglichst schnell unabhängig von russischem Gas machen. Deshalb setzt die Bundesregierung auf den Import von klimaschädlichem Flüssiggas, kurz: LNG. Sind die Anlagen später für klimafreundlichen Wasserstoff zu gebrauchen?
Für den Transport auf Schiffen wird Erdgas verflüssigt, weil sich so das Volumen des Gases um das 600-fache verringert. Um das Flüssiggas wieder gasförmig zu machen und so in das deutsche Erdgasnetz einspeisen zu können, braucht es daher spezielle Terminals. Da diese bislang nicht benötigt wurden, müssen sie erst errichtet werden. Weil es angesichts der Energiekrise und der enorm gestiegenen Preise schnell gehen muss, werden die LNG-Terminals übergangsweise als schwimmende Plattformen angemietet. Für später sind feste Terminals an Land vorgesehen.
Sechs schwimmende LNG-Terminals im Norden
Aktuell sind sechs schwimmende LNG-Terminals geplant, alle in Norddeutschland. Laut Bundeswirtschaftsministerium soll im Dezember 2022 das erste Gas in Wilhelmshaven angeliefert werden. Dort soll eines der insgesamt fünf schwimmenden LNG-Terminals liegen, die der Bund anmietet. Zum Jahreswechsel soll ein LNG-Terminal am Standort Brunsbüttel zur Verfügung stehen.
Darüber hinaus soll - ebenfalls Ende 2022 - noch ein privat betriebenes Terminal in Lubmin ans Netz gehen. Die drei weiteren von der Bundesregierung gecharterten schwimmenden Terminals - für Wilhelmshaven, Lubmin und Stade - lassen noch deutlich länger auf sich warten. Da wird ein Netzanschluss erst Ende 2023 angepeilt.
Zusätzlich drei LNG-Terminals an Land geplant
Diese beiden ersten LNG-Terminals in Wilhelmshaven und Brunsbüttel sollen von Januar bis März 2023 insgesamt drei Milliarden Kubikmeter Gas ins deutsche Netz liefern. Zum Vergleich: Von Januar bis März 2021 hat Deutschland aus Russland rund 15 Milliarden Kubikmeter Gas bezogen. Über die schwimmenden LNG-Terminals in Norddeutschland kann in diesem Winter also nur ein Teil der Versorgungslücke geschlossen werden, die der russische Lieferstopp aufgerissen hat.
Zusätzlich sind schon feste LNG-Terminals in Wilhelmshaven, Brunsbüttel und Stade geplant. Der Bau dauert aber einige Jahre, sodass diese Anlagen frühestens im Jahr 2025 in Betrieb gehen können.
Wie gelingt der Umstieg auf Wasserstoff?
Klimaschützer und Umweltpolitiker kritisieren, dass der Bund mit den LNG-Terminals auf eine klimaschädliche Energieform setzt - auch wenn sie nur als Übergangslösung gedacht sind. Hinzukommt, dass die schwimmenden Plattformen später nicht für klimafreundlichen Wasserstoff genutzt werden können. In der Fachsprache heißt das: Die schwimmenden Terminals sind nicht "Wasserstoff-ready" oder nicht "H2-ready".
"Grüner" Wasserstoff soll unter anderem dabei helfen, extrem Energie-intensive Branchen wie die Chemie-, Stahl- und Zement-Industrie klimaneutral zu machen. Auch Lkw und Busse könnten künftig mit "grünem" Wasserstoff fahren.
Der Bund verweist darauf, dass immerhin die LNG-Terminals an Land später für eine Wasserstoff-Nutzung umgerüstet werden sollen. "Die landseitigen Terminals in Stade und Brunsbüttel sollen so gebaut werden, dass eine Umstellung auf das bereits gut verschiffbare Wasserstoff-Derivat Ammoniak möglich ist", teilt die Bundesregierung mit.
Ammoniak hilft beim Wasserstoff-Transport
Warum ist hier die Rede von Ammoniak? Nun: Reiner Wasserstoff lässt sich bislang nicht in großen Mengen verschiffen - und auch seine Rückumwandlung von flüssig zu gasförmig gestaltet sich schwierig. Deswegen werden sogenannte Derivate genutzt - also chemische Verbindungen, von denen Wasserstoff ein Teil ist. So lässt sich der Wasserstoff einfacher transportieren. Ammoniak ist ein beliebtes Derivat, weil es bereits heute im großen Stil als Dünger um die Welt geschifft wird. Für seine Verarbeitung müssen die LNG-Terminals allerdings besonders ausgestattet werden.
Laut der Betreiber werden die Land-Terminals in Stade und Brunsbüttel von Beginn an so gebaut, dass eine spätere Umstellung auf Ammoniak leicht möglich ist. So plant der Energiekonzern RWE, am Standort in Brunsbüttel später Ammoniak zu importieren und dann in Wasserstoff und Stickstoff aufzuspalten.
Wilhelmshaven setzt auf synthetisches Gas
Am Standort Wilhelmshaven setzt der Energiekonzern TES nicht auf Ammoniak, sondern auf eine andere Lösung: synthetisches Gas, zusammengesetzt aus Wasserstoff und CO2. Das Unternehmen spricht von "Grüngas". Der Vorteil: Für synthetisches Gas kann die vorhandene LNG-Infrastruktur - Tanker, Terminals und Anschluss-Leitungen - ohne Umrüstung genutzt werden. "Im Prinzip verheiratet man den grünen Wasserstoff mit dem Kohlenstoff-Atom, das in dem CO2 drin ist, und bekommt dann synthetisches Gas", erklärt Jens Schmidt, Technischer Leiter bei TES. "Und das synthetische Gas lässt sich technisch genauso verflüssigen und genauso behandeln wie Flüssiggas."
"So schließt sich der Kreislauf"
TES will mit dieser Technologie das erste Unternehmen sein, das über ein LNG-Terminal Wasserstoff importiert. Spätestens 2025 soll es soweit sein. Will man später dann nur den Bestandteil Wasserstoff nutzen, muss man allerdings - ähnlich wie bei Ammoniak - das klimaschädliche Kohlendioxid abspalten - und das sollte nicht in die Atmosphäre gelangen. Kein Problem, sagt Schmidt: "Wir bauen die Anlagen so, dass wir das CO2 komplett auffangen." Schließlich könne man das Kohlendioxid auch gut wiederverwenden. "Wir verflüssigen das CO2 und dann wird es per Schiff dorthin gebracht, wo neues Grüngas hergestellt wird", sagt Schmidt. "So schließt sich der Kreislauf."
Noch zwanzig Jahre lang Gas statt Wasserstoff
Die festen Terminals an Land, müssen - rein rechtlich - erst in 20 Jahren in der Lage sein, Wasserstoff in das deutsche Erdgasnetz einzuspeisen. So will es das LNG-Beschleunigungsgesetz. "Um die Terminals nach 2043 weiter betreiben zu können, müssen sie dann mit Wasserstoff oder Wasserstoff-Derivaten versorgt werden", sagt Björn Munko vom Deutschen Verein des Gas- und Wasserfachs (DVGW). "Ob ein Betreiber schon heute Vorkehrungen für eine Wasserstoff-Readiness treffen muss, steht nicht im Gesetz."
Eine Wette auf die Zukunft
Zudem ist noch unklar, was sich am Markt langfristig als Wasserstoff-Derivat durchsetzt - Ammoniak, synthetisches Gas oder eine ganz andere Verbindung. Insofern sind die Investitionen der Energiekonzerne in die eine oder die andere Technik zur Zeit noch Wetten auf die Zukunft. Und das ist - neben den technischen Herausforderungen - ein Grund, warum sich viele mit der viel beschworenen "Wasserstoff-Readiness" noch Zeit lassen.