Evolutionsforscher Pääbo erhält Medizin-Nobelpreis
Der Nobelpreis für Medizin geht in diesem Jahr an den Evolutionsforscher Svante Pääbo. Das teilte das Karolinska-Institut am Montag in Stockholm mit. Der schwedische Wissenschaftler lebt und forscht in Leipzig. Als Erster sequenzierte er das Neandertaler-Genom.
Pääbo ist Direktor und Wissenschaftliches Mitglied am Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie. Der heute 67-Jährige entwickelte die Paläogenetik, die aus dem Erbgut alter Organismen Rückschlüsse auf den Verlauf der Evolution zieht. Pääbo sei am Telefon "überwältigt, sprachlos und sehr froh" gewesen, sagte Thomas Perlmann, Sekretär der Nobelversammlung, bei der Bekanntgabe. Die bedeutendste Auszeichnung für Mediziner ist in diesem Jahr mit zehn Millionen schwedischen Kronen (rund 920.000 Euro) dotiert.
Experte für jahrtausendealte DNA
Dass sich Erbgut überhaupt über Jahrtausende erhält, galt lange als undenkbar. "Noch 2006 habe ich das nicht einmal selbst geglaubt" sagte der Wissenschaftler 2014 in einem "Spiegel"-Interview. "Als ich in den frühen Achtzigern anfing, nach der DNA in den Knochenresten ausgestorbener Lebewesen zu suchen, hielten die meisten Experten das ganze Unternehmen für ziemlich verrückt." 1984 gelang ihm als Doktorand erstmals die Klonierung der DNA einer ägyptischen Mumie. 1997 sequenzierten Pääbo und sein Team erstmals kleine Teile der DNA eines Neandertalers und wiesen nach, dass sich das Erbgut deutlich von dem heutiger Menschen unterscheidet. Damit war erwiesen, dass Neandertaler nicht die direkten Vorfahren jetziger Menschen sind. 2010 rekonstruierte das Team eine erste Version des Genoms der Neandertaler aus Knochen. 2014 wurde diese Arbeit abgeschlossen.
Die Entdeckung der Denisova-Menschen
2012 gelang Pääbos Team ein weiterer Durchbruch: Es entschlüsselte das Genom aus einem Knochen, den es in der Denisova-Höhle im westsibirischen Altai-Gebirge gefunden hatte, und entdeckte, dass er von einer bis dahin unbekannten Urmenschen-Gruppe stammte. Die so getauften Denisova-Menschen waren entfernt mit den Neandertalern verwandt. Pääbos Vergleiche des Neandertaler-Genoms mit dem Erbgut moderner Menschen ergaben, dass sie bei ihrem Zusammentreffen vor rund 50.000 Jahren gemeinsamen Nachwuchs gezeugt haben müssen, zu einem Zeitpunkt, als moderne Menschen Afrika verließen und nach Europa und Asien auswanderten. Die Folge: "Jeder von uns trägt etwa ein bis zwei Prozent vom Neandertaler in sich", sagt Pääbo.
Erster Medizin-Nobelpreis ging an deutschen Bakteriologen
Seit 1901 haben 224 Menschen den Medizin-Nobelpreis erhalten, darunter zwölf Frauen. Der erste ging an den deutschen Bakteriologen Emil Adolf von Behring für die Entdeckung einer Therapie gegen Diphtherie. 1995 erhielt als erste und bislang einzige deutsche Frau Christiane Nüsslein-Volhard diese Auszeichnung. Im vergangenen Jahr bekamen David Julius (USA) und der im Libanon geborene Forscher Ardem Patapoutian den Preis. Die beiden haben Zellrezeptoren entdeckt, über die Menschen Temperaturen und Berührungen wahrnehmen.
Weitere Preisträger werden in dieser Woche benannt
Mit dem Medizin-Preis startete der Nobelpreis-Reigen. Am Dienstag und Mittwoch werden die Träger des Physik- und des Chemie-Preises benannt. Am Donnerstag und Freitag folgen die Bekanntgaben für den Literatur- und den Friedensnobelpreis. Die Reihe endet am folgenden Montag, 11. Oktober, mit dem von der schwedischen Reichsbank gestifteten sogenannten Wirtschafts-Nobelpreis.