Beratungen durch Betreuungsvereine: Kürzungen befürchtet

Stand: 24.09.2022 20:23 Uhr

Wer sich wegen einer Erkrankung oder einer Behinderung nicht selbst um seine rechtlichen Belange kümmern kann, der bekommt vom Amtsgericht einen rechtlichen Betreuer an die Seite. Oft übernehmen diese Aufgabe Angehörige - als Ehrenamt. Beraten lassen können sich die juristischen Laien von sogenannten Betreuungsvereinen. Diese befürchten aber Kürzungen.

Die 19-jährige Lily ist mehrfach behindert, fast blind und sie spricht nicht. Seit Lily volljährig ist, sind ihre Eltern ihre ehrenamtlichen rechtlichen Betreuer, zuständig für Behördengänge, Gesundheits- und Vermögenssorge. Wenn sie bei Anträgen etwa für Lilys Grundsicherung oder angesichts neuer Gesetze nicht weiter wissen, hilft ihnen ein Betreuungsverein. "Diese Erfahrung, mit so vielem sehr allein zu sein, die haben wir oft im Alltag", sagt Lilys Mutter Julia Schön-Wittke. "Und dann ist es unheimlich gut zu wissen, dass es den Verein gibt. Man muss nicht auch noch alles, was diese rechtliche Betreuung betrifft, irgendwie auf seinen Schultern fühlen."

Gesetzentwurf belastet Betreuungsvereine

Betreuungsvereine wie der Elternverein Leben mit Behinderung Hamburg schlagen jetzt aber Alarm. Grund ist ein neuer Gesetzentwurf der Justizbehörde, durch den die Vereine Kürzungen befürchten. Der Hamburger Gesetzentwurf zur Umsetzung der Betreuungsrechtsreform sieht vor, dass die Vereine für ihr Personal zum Teil in Vorleistung gehen. Dadurch würden sie einen Teil der Förderung erst rückwirkend erhalten, wenn sie bestimmte Leistungen nachweisen. Dazu gehört die Durchführung von Infoveranstaltungen oder die Akquise von neuen Betreuern und Betreuerinnen. Leistungen, die im geforderten Umfang kaum zu erreichen seien.

"Bis zu 25 Prozent Einbußen"

"Wir rechnen im Worst Case mit bis zu 25 Prozent Einbußen für die Vereine, die heute existieren", sagt Kerrin Stumpf vom Verein Leben mit Behinderung Hamburg. "Und wir sehen die Gefahr, dass wir diesen Bereich immer schlechter personell besetzen können. Denn da besteht ein enormer Leistungsdruck, ohne dass wir sicher sagen können, dass das dann nachher auch gut finanzierte Arbeitsplätze sind."

Justizbehörde will reagieren

Die Justizbehörde teilte auf Anfrage des Hamburg Journals mit, sie nehme die Kritik der Vereine ernst. Ein neuer Gesetzentwurf sei bereits in Arbeit: "Dieser bildet die Bedenken aus der Praxis ab und befindet sich aktuell in der Behördenabstimmung. Vorgesehen ist, die Vergütung gegenüber dem ursprünglichen Entwurf zu verbessern." Wie sehr aber - das steht allerdings noch nicht fest.

"Da hat jemand am Schreibtisch den Überblick verloren"

Deshalb hält Julia Schön-Wittke an den Bedenken fest: "Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass das politisch gewollt sein soll. Ich hab dann das Gefühl, da hat jemand am Schreibtisch den Überblick verloren, darüber, was das bedeutet für die Betreuungsvereine und dass wir einfach Fachleute brauchen, die uns unterstützen." Im Betreuungsverein Ansprechpartner zu haben, die ihr den Rücken freihalten und sie in juristischen Fragen zu Lilys Zukunft beraten bedeute für sie auch, mehr Zeit für sich und ihre Tochter zu haben.

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Dieses Thema im Programm:

Hamburg Journal | 24.09.2022 | 19:30 Uhr

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