NDR Elbphilharmonie Orchester

Omer Meir Wellber dirigiert Haydn, Schnittke und Tschaikowsky

Freitag, 06. Januar 2023, 20:00 bis 22:00 Uhr

Porträt: Rodrigo Reichel, Stimmführer der 2. Geigen des NDR Elbphilharmonie Orchesters © NDR Foto: Knop
Rodrigo Reichel ist einer der herausragenden Künstler in der Hamburger Musikszene.

"Mein Fürst", bekannte Joseph Haydn gegenüber seinem Biografen August Griesinger, "war mit allen meinen Arbeiten zufrieden, ich erhielt Beifall, ich konnte als Chef eines Orchesters Versuche machen, beobachten, was den Eindruck hervorbringt und was ihn schwächt, also verbessern, zusetzen, wegschneiden, wagen; ich war von der Welt abgesondert." So ging der Komponist jenseits aller Zwänge von Markt und Mode (an denen Mozart als "freier" Künstler in Wien letztlich scheiterte) mit intellektuellem Kalkül seinem erklärten Ziel nach, das Publikum "durch etwas Neues zu überraschen und auf eine brillante Art zu debütieren".

Vermittler zwischen E- und U-Musik

Auch Alfred Schnittke betonte fast zwei Jahrhunderte später, dass erst "der freie Umgang mit den Regeln - an der Grenze zum Risiko - gerade jener Nährboden" sei, "aus dem die vitalen Elemente der Kunst hervorsprießen" würden: "Damit in der Muschel, die auf dem Boden des Ozeans liegt, eine Perle heranwachsen kann, ist ein Sandkörnchen - etwas 'Fehlerhaftes', Fremdartiges - notwendig. Ebenso in der Kunst, wo das wahrhaft Große sehr oft ‚der Regel zuwider' entsteht." Diese bewusste Intertextualität, die über alle Grenzen der musikalischen Epochen und Stilebenen hinweg geht, findet sich auch in Schnittkes Concerto grosso Nr. 1 von 1976/1977. Denn in diesem mit Cembalo, präpariertem Klavier, zwei Soloviolinen und Streichorchester recht ungewöhnlich instrumentierten Werk finden sich immer wieder Momente des "Gemeinen" und "Banalen", etwa in Form von "vulgärer Gebrauchsmusik" (Schnittke), die in ironischer Mechanisierung, mit absurden Sequenzierungen oder in Konfrontation mit überzogenem Pathos nicht unwesentlicher Bestandteil des Werks wird. Erklärtermaßen schwebte Schnittke hierbei „ein utopischer einheitlicher Stil vor, bei dem die Fragmente der E- und U-Musik keine grotesken Einschübe wären, sondern Elemente einer mannigfaltigen musikalischen Realität.

Tschaikowskys romantisches Scheitern

Die Entstehungsgeschichte der "Manfred-Sinfonie" nach einer Versdichtung von George Byron war lang und verwickelt: Unter dem Eindruck von Hector Berlioz' ebenfalls durch Byrons Dichtung angeregter Sinfonie "Harold en Italie", die der französische Romantiker bei einem Gastspiel in St. Petersburg dirigiert hatte, entwarf Wladimir Stassow im Winter 1867/68 das Programm zu einer Sinfonischen Dichtung. Die sollte eigentlich Milij Balakirew komponieren. Doch dieser lehnte ab und sandte Stassows Entwurf an Hector Berlioz. Doch auch daraus wurde nichts. Schließlich schickte Stassow das Programm im Herbst 1882 an Peter Tschaikowsky, mit der Bemerkung: "Das Sujet ist nicht nur sehr tiefgründig, sondern auch zeitgemäß, denn die Krankheit der modernen Menschen besteht in der Unfähigkeit, Ideale zu bewahren. Sie werden zerschlagen und hinterlassen in der Seele nichts als Bitterkeit. Daher das ganze Leiden unserer Zeit."

Meine beste Orchesterkomposition

Tschaikowskys "Manfred-Sinfonie" fiel bei ihrer Uraufführung am 11. März 1886 in Moskau durch; auch bei weiteren Aufführungen reagierten Publikum und Presse zurückhaltend. Sogar der renommierte Kritiker Hermann Laroche, Tschaikowskys Freund und begeisterter Förderer, ging auf Distanz - aufgrund genereller Vorbehalte gegenüber programmmusikalischen Genres: "Mein Vergnügen als Hörer steigert sich umso mehr, je weniger ich mich an das ursprüngliche Programm erinnere". Ungeachtet dessen hielt Tschaikowsky selbst die "Manfred-Sinfonie" lange Zeit für seine beste Orchesterkomposition.

Zu Gast im Studio: Rodrigo Reichel, Stimmführer der 2. Violinen im NDR Elbphilharmonie Orchester.

Eine Sendung von Stephan Sturm.

Das Programm

Joseph Haydn
Sinfonie d-Moll Hob. I:80
Alfred Schnittke
Concerto grosso Nr. 1 für zwei Violinen, Cembalo, präpariertes Klavier und Kammerorchester
Peter Tschaikowsky
Manfred-Sinfonie h-Moll op. 58

Stefan Wagner und Rodrigo Reichel Violine
NDR Elbphilharmonie Orchester
Ltg.: Omer Meir Wellber

Aufzeichnung vom 22.03.2019 in der Elbphilharmonie Hamburg

Weitere Informationen
Konzertszene: Das NDR Elbphilharmonie Orchester mit Alan Gilbert beim Schlussapplaus auf der Bühne der Elbphilharmonie Hamburg © NDR Foto: Peter Hundert

NDR Elbphilharmonie Orchester

Das international renommierte Flaggschiff der NDR Ensembles ist das Residenzorchester der Elbphilharmonie Hamburg. mehr

Weitere Informationen
Tournee: mit Arabella Steinbacher in Frankfurt © NDR Sinfonieorchester

Konzerte und Opern auf NDR Kultur

Hier verpassen Sie kein Konzerthighlight! Eine Übersicht der kommenden musikalischen Höhepunkte auf NDR Kultur. mehr

NDR Kultur App Themenbilder

NDR Klassik

Sollten Sie einmal ein Konzerthighlight auf NDR Kultur verpasst haben, finden Sie hier eine Übersicht der musikalischen Höhepunkte, die nachgehört werden können. mehr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Elbphilharmonie

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Mann und Frau sitzen am Tisch und trinken Tee. © NDR Foto: Christian Spielmann

Tee mit Warum - Die Philosophie und wir

Bei einem Becher Tee philosophieren unsere Hosts über die großen Fragen. Denise M‘ Baye und Sebastian Friedrich diskutieren mit Philosophen und Menschen aus dem Alltag. mehr

Mehr Kultur

Paul Auster während einer Lesung © Soeren Stache/dpa-Zentralbild/dpa Foto: Soeren Stache

US-Schriftsteller Paul Auster ist tot

Der Autor der "New-York-Trilogie" starb am Dienstag mit 77 Jahren an den Folgen einer Krebserkrankung in New York. mehr