Eine Frau liest aus dem Koran, daneben liest ein Mann aus der Bibel © picture alliance / Godong Foto: Pascal Deloche
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AUDIO: Was Koran und Bibel gemeinsam haben (5 Min)

Was Koran und Bibel gemeinsam haben

Stand: 06.02.2023 12:07 Uhr

Was haben Bibel und Koran gemeinsam? Der evangelische Theologe Wolfgang Reinbold hat nun ein vergleichendes Textbuch für die Praxis vorgelegt, das überraschende Einsichten ermöglicht.

von Brigitte Lehnhoff

"Wer die Bibel kennt und zum ersten Mal den Koran in die Hand nimmt, macht eine eigentümliche Leseerfahrung: Jeder zweite oder dritte Satz wirkt schon beim ersten Lesen vertraut." So formuliert es im Vorwort der Verfasser des vergleichenden Textbuches, der evangelische Theologe Wolfgang Reinbold, Professor für Neues Testament an der Universität Göttingen.

Gemeinsame Lehren für das Zusammenleben

"Die Personen und die Themen, über die der Koran spricht, kennen wir aus der Bibel", sagt Reinbold. "Adam, Noah, Abraham, Isaak, Ismael, das Volk Israel, Jesus, Maria etc. - all diese Personen kommen sehr häufig im Koran vor. Die Fragen, die angesprochen werden, sind sehr oft Fragen, die schon in der Bibel in dieser Weise vorkommen."

Buch-Cover: Wolfgang Reinbold - Koran und Bibel: Ein synoptisches Textbuch für die Praxis © Vandenhoeck & Ruprecht Verlag
"Koran und Bibel: Ein synoptisches Textbuch für die Praxis" ist im Vandenhoeck & Ruprecht Verlag erschienen und kostet 55 Euro.

Insbesondere sind das die Lehren für das Zusammenleben: die Sorge beispielsweise für Arme, für Witwen und Waisen. Gemeinsame Themen sind aber auch Gerechtigkeit oder das Lob der göttlichen Schöpfung. Interessierte Leserinnen und Leser können sich die Gemeinsamkeiten auf verschiedene Weise erschließen. In der Mitte jeder Buchseite sind die Verse der Suren des Koran abgedruckt, im oberen Teil auf Deutsch, im unteren auf Arabisch.

"Immer dann, wenn es Bezüge schon in der Bibel gibt, stehen die Bibeltexte daneben", so Reinbold. "Ähnliches gilt für die große jüdische Traditionsliteratur, auch dort finden wir nicht ganz selten Geschichten, die wir in einer ähnlichen Weise im Koran entdecken."

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Das Christentum und den Islam besser verstehen

Links und rechts der Mittelspalte wird auch auf Hadithe verwiesen, also auf Überlieferungen aus dem Leben des Propheten Muhammad, ebenso auf Texte aus nachbiblischer Zeit. "Man profitiert sehr, wenn man diese Texte kennt, denn wir verstehen einen Text besser, wenn wir Vergleichstexte haben", erklärt Reinbold. "So können wir sowohl Christentum als auch insbesondere den Islam besser verstehen, wenn wir diese Bezüge kennen. Das will das Buch sichtbar machen."

Deshalb ist auch eine umgekehrte Suche möglich, mit Hilfe eines Bibelregisters, eines Registers außerbiblischer Quellen und eines Personenregisters. Wolfgang Reinbold, in der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers auch Beauftragter für Kirche und Islam, reagiert damit auf häufige Nachfragen aus der Praxis, zum Beispiel von Lehrkräften: "Wir haben hier diesen Text, gibt’s da eigentlich was Vergleichbares im Koran, zum Beispiel zu den zehn Geboten?", lautet eine typische Frage, erzählt Reinbold. "Und jetzt schauen sie in den Index, 2. Mose 20, wo die zehn Gebote stehen, und finden die Parallelen und können dann in den Koran einsteigen und dort auf Anhieb die Stellen finden, wo sie vergleichbare Texte haben."

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Wolfgang Reinbold © NDR
Wolfgang Reinbold hofft, mit seinem Buch das Verständnis zwischen Christen, Muslimen und Juden voranzubringen.

Nachzuvollziehen sind in dem Textbuch mit allen 114 Suren des Koran auch die Punkte, in denen sich Koran und Bibel unterscheiden, vor allem die Lehre vom dreieinigen Gott und die Kreuzigung Jesu. Das synoptische, also vergleichende Textbuch wendet sich vor allem an Nutzerinnen und Nutzer, die beruflich mit Religion zu tun haben: Religionspädagoginnen zum Beispiel, Pfarrer oder Imame. Sich mit der Handhabung vertraut zu machen, braucht ein wenig Zeit. Unterzieht man sich aber dieser Übung, kann das Textbuch ein Gewinn auch für interessierte Laien sein.

"Meine Erwartung und Hoffnung ist natürlich, dass das das Verständnis zwischen Christen, Muslimen und Juden voranbringt", sagt Reinbold. "Meine Erfahrung ist, dass sehr viele - auf allen Seiten - diese Bezüge gar nicht kennen. Christen, Juden, Muslime sind eine Familie, sie kommen von denselben Ursprüngen her und sie unterscheiden sich in ihren Deutungen."

Wolfgang Reinbold enthält sich jeder Wertung

Das Textbuch ermöglicht eine Annäherung auf quasi neutraler Grundlage. Denn der Autor Wolfgang Reinbold enthält sich jeder Wertung und Deutung. Ausschließlich auf der Basis überlieferter religiöser Texte macht er Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede bewusst. Und damit dürfte es zumindest schwieriger werden, gegenseitige Klischees weiter zu pflegen.

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