Islam-Debatte: "Wir treten auf der Stelle!"
Eigentlich ist es ganz einfach: In Deutschland leben Muslime und deshalb ist auch ihre Religion ein wichtiges Thema. Aber die Debatten um den Islam kreisen oft um Terror und Gewalt und die angeblich mangelnde Integrationsbereitschaft. Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht darüber in den Talkshows diskutiert wird.
Ein Kommentar von Kübra Gümüsay
Die Debatten um den Islam sind ermüdend. Seit vielen Jahren beteilige ich mich als Muslimin daran. Und wie viele andere stelle auch ich fest: Wir treten bei diesen Diskussionen auf der Stelle. Es sind immer wieder die gleichen Themen: Mal geht es um das Kopftuch, dann um die Burka, um die Moscheen, den Terror und die Gewalt. Alle Argumente wurden bereits mehrfach ausgetauscht. Im Grunde genommen könnte ich bei jeder neu aufkochenden Debatte auf meine Texte von vor drei Jahren verweisen. Das haben übrigens einige Journalisten bei der letzten Burka-Debatte tatsächlich getan.
Auf die wirklich wichtigen Fragen konzentrieren
Und seien wir mal ehrlich: Was haben diese Islam-Debatten bisher gebracht? Den Teilnehmern: mehr Bücher, mehr Talkshows, mehr Geld, mehr Macht. Der Gesellschaft: mehr Ängste und Sorgen. Und noch mehr Islam-Debatten. Aber nicht weniger Probleme.
Inzwischen haben sich viele dieser Debatten verselbstständigt. Für einige sind sie zu einem Geschäftsmodell verkommen. Und nicht alle, die daran teilnehmen, haben das Wohl aller im Kopf.
Es geht mir nicht darum, dass wir uns künftig nicht mehr mit den kritischen Aspekten unserer Religion auseinandersetzen. Aber wir sollten den Fokus erweitern und uns auch auf die wirklich wichtigen Fragen konzentrieren: Wie möchten wir zusammenleben? Welche Konflikte stehen uns bevor und wie können wir sie gemeinsam bewältigen? Was müssen wir alle tun und leisten, damit wir in einer positiven, offenen, freiheitlichen und gerechten Gesellschaft leben können?
Alles wird zu einem Politikum
Mir begegnen oft junge Muslime, die Islamwissenschaften, Theologie, Journalistik oder auch andere Fächer studieren möchten, um "endlich den Islam zu erklären". Sie fühlen sich offenbar verpflichtet, ihre persönlichen Interessen hinten anzustellen. So entsprechen sie letztlich den Erwartungen der Gesellschaft und werden zu Pressesprechern einer Weltreligion.
Doch das hält uns vom Leben ab. Nimmt uns jegliche Leichtigkeit. Die Kleidung, die Sprache, der Lebensstil, die Berufswahl - alles wird zu einem Politikum. Wir engen uns damit ein. Wir alle ersticken in diesen Debatten.
Das ganz "normale" Leben als Lösung
Eine Normalisierung des Miteinanders ist nicht durch Islam-Debatten zu erreichen, sondern durch das ganz "normale" Leben. Durch Ziele, wie man sie sich setzen würde, wenn es diese Debatten, den alltäglichen Rassismus und die innermuslimischen Konflikte nicht gäbe: engagierter Lehrer werden, erfolgreiche Romanautorin, eigenbrötlerische Musikerin, der nächste Steve Jobs oder der lustigste Bäcker im Stadtteil.
Ich wünsche mir ein selbstverständliches muslimisches Leben in Deutschland. Menschen, die es wagen, zu träumen. Die sich der Missstände in den muslimischen Gemeinden und der Gesamtgesellschaft bewusst sind, die sie anpacken und versuchen zu lösen - aber dabei auch das eigene Leben lieben und leben.
