Ein Muslim betet © picture alliance / NurPhoto Foto: Narayan Maharjan
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AUDIO: Islam: Beten als Ausdrucksform des Glaubens (7 Min)

Islam: Beten als Ausdrucksform des Glaubens

Stand: 14.04.2023 06:00 Uhr

Das Gebet gehört zu den fünf Säulen des Islam. Dazu zählen feste Rituale ebenso wie mystische Bewegungen. Im modernen Islam entwickeln sich auch neue Formen des Betens und der Andacht.

von Karin Dzionara

Das Morgengebet, ein Innehalten im Alltag, Friedensgebete, Momente der Stille: Beten hat viele Facetten. Für gläubige Muslime ist das rituelle Gebet eine religiöse Pflicht, erläutert die islamische Theologin und Religionswissenschaftlerin Hamideh Mohagheghi: "Das Gebet ist in der islamischen Tradition sehr wichtig. Es gehört zu den Geboten, die man einhalten sollte. Wenn man 'ja' sagt zum Islam und sich vornimmt, als gläubiger Mensch zu leben, gehört das dazu, dass man die Gebete fünfmal am Tag einhält."

Die Religionswissenschaftlerin Hamideh Mohagheghi © NDR Foto: Eric Klitzke
"Das Gebet ist nichts anderes als ein Zwiegespräch zwischen Mensch und Gott", sagt die Religionswissenschaftlerin Hamideh Mohagheghi.

Dabei spielt der Ort keine Rolle, gebetet werden kann überall. Gebete strukturieren den Alltag der Gläubigen und geben der Woche ihren Rhythmus: "Die fünf Gebete beginnen mit dem Morgengebet, bevor die Sonne aufgeht, gefolgt vom Mittagsgebet, wenn die Sonne am höchsten steht und dem Nachmittagsgebet, je nach Jahreszeit zwei oder drei Stunden danach. Das Abendgebet, wenn die Sonne untergeht, und bevor man schlafen geht, das Nachtgebet."

Gesten bringen menschliche Emotionen zum Ausdruck

Beten als Ausdrucksform des Glaubens - das haben fast alle Religionen gemeinsam, weiß der Kurator am Haus der Religionen in Hannover, Sören Rekel-Bludau: "Grundsätzlich ist es so, dass Gebete als festgefügte, ritualisierte Form von Kontaktaufnahmen schon sehr früh nachweisbar sind. Wir haben Gebetstexte, die schon aus sumerischer, aus ägyptischer Zeit überliefert sind, also teilweise 5.000 Jahre alt. Das, was da gebetet wird, hat sich seitdem eigentlich nicht grundlegend verändert."

Dabei hat das Gebet in den unterschiedlichen Religionen jeweils eigene Gesten und Rituale entwickelt, manche von ihnen ähneln sich sogar, betont Sören Rekel-Bludau: "Da haben wir die volle Bandbreite, die auch menschliche Grundemotionen abbildet. Gerade im islamischen Ritualgebet gibt es viele verschiedene Formen, die während des Gebetes zum Einsatz kommen. Zum Beispiel nach oben erhobene Hände, die bitten und flehen. Es gibt das Sich-auf-die-Knie-Beugen, sich also verbeugen vor Gott. Es gibt die Unterwerfung, also das Aufliegen auf dem Boden und mit der Stirn den Boden berühren, sich so klein machen wie möglich, um der Größe Gottes Raum zu lassen. Solche Formen gibt es in verschiedenen Religionen. Das sind Haltungen, die menschliche Grundemotionen zum Ausdruck bringen und deswegen auch kulturübergreifend funktionieren."

Das Gebet sorgt für Ruhe im Alltagsstress

Gebete können Sicherheit und Orientierung geben: "Auch wenn die Menschen sonst nicht so religiös sind, versuchen sie sich an diese Gebote zu halten, gerade an das Gebet. Weil das Gebet etwas ist, das einen Tagesablauf durchbricht und die Menschen im Gebet vielleicht eine ruhige Zeit am Tag finden", erklärt Mohagheghi. "Aber es gibt auch viele, die das Gebet verrichten, weil das zu den Geboten gehört, und wenn man sich daran hält, dass man den Platz im Paradies sicher hat", beobachtet die islamische Theologin. "Es ist auch manchmal leider so, dass man betet, weil man beten muss, und nicht, weil man beten will. Das ist etwas, worauf ich manchmal skeptisch blicke. Unter jungen Menschen entwickelt sich langsam auch eine Art Spiritualität, die als Ersatz für vorgegebene Gebete verstanden wird."

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Ein Mann betet © picture alliance/ZUMA Press

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Gebete als Zeichen des Zusammenhalts

Neben den ritualisierten Gebeten kennt man im Islam heute auch freie meditative Formen. Ähnlich wie in den mystischen Strömungen steht hier die Gotteserfahrung im Zentrum. Die verschiedenen Gebetsformen müssen einander nicht ausschließen: "Das Gebet ist an sich eine meditative Haltung und Handlung. Der Sinn des Gebetes ist, dass man sich bewusst macht, dass man einige Minuten am Tag vor Gott steht und mit Gott spricht. Das Gebet ist nichts anderes als ein Zwiegespräch zwischen Mensch und Gott. Deswegen hat man auch eine bestimmte Körperhaltung vor dem Gebet und nimmt beide Hände hinter die Ohren. Das ist ein symbolischer Akt, dass man sagt: Das Weltliche lasse ich hinter mir und konzentriere mich auf Gott. Für die Verbundenheit mit der Gemeinschaft ist es ganz wichtig, dass man sich an diese Formen hält, wenn man im Gebet steht, und damit das Gefühl hat, dass auf der ganzen Welt jetzt Millionen von Menschen in dieser Situation sind. Das ist ein sehr starkes Gemeinschaftsgefühl."

Gebete können auch eine Brücke zwischen den Religionen sein - besonders in unruhigen Zeiten. Für die islamische Theologin Hamideh Mohagheghi sind Gebete ein Zeichen des Zusammenhalts: "Auf jeden Fall Friedensgebete und auch überhaupt Gebete, die dann die Solidarität mit Menschen, die in Not sind, die leiden. Gerade aktuell ist natürlich Erdbeben in der Türkei, dass man durchaus auch Gemeinschaftsgebete macht, um an die Menschen zu denken, die gerade sehr leiden oder verstorben sind."

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Freitagsforum | 14.04.2023 | 15:20 Uhr

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Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

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