Halal oder haram?
Plädoyer für ein fleischfreies Opferfest
Ab dem 12. September feiern Millionen Muslime weltweit ihr höchstes Fest - das Opferfest. Viele von ihnen werden dann wieder Schafe von einem muslimischen Schlachter schächten lassen und einen Großteil des Fleisches verschenken und spenden. Doch ist es tatsächlich eine religiöse Pflicht, ein Tier zu opfern? Nein, meint unsere Gastautorin Hilal Sezgin.
Ein Kommentar von Hilal Sezgin
Alle Jahre wieder stellen mir Mitmenschen die Gretchenfrage: Wie hältst du es mit dem Opferfest? Wie denkst Du über das islamische Schächten? Ich, die einen privaten Gnadenhof betreut, wo große und kleine Schafe mit ihren Familien leben und grasen und in Frieden alt werden können - inschallah. Diese Mitmenschen interessieren sich sonst meist wenig für Schafe oder das Geschick sonstiger potentieller Schlachtopfer; auch Schweine, Puten, Kälber und Fische verzehren sie, ohne mit der Wimper zu zucken. Aber dass wir Muslime traditionell zum Opferfest ein Tier töten, ja sogar betäubungslos schächten - das finden sie barbarisch. Da erwacht ihr moralischer Instinkt, der sich den ganzen Grillsommer über vom Duft angeschmorter Tierkörperteile hat einlullen lassen und schon bei Kindern mit Bärchenwurst bestochen wird.
Betäubung ist nichts Sanftes
Das Problem ist, glaube ich, dass die meisten Leute eine etwas idealisierte Vorstellung von der Betäubung haben, wie sie im regulären Schlachthaus praktiziert wird. Betäubung bedeutet für Tiere, dass sie in der Kohlendioxidkammer um Luft ringen, dass sie an den Füßen hängend durch ein Elektrobad gezogen werden, dass ihnen jemand den Schädel mit einem Bolzen zertrümmert. Betäubung ist nichts Sanftes. Die von unserem Tierschutzgesetz vorgeschriebene Betäubung ist in jedem Fall physische Gewalt, äußerst schmerzhafte Gewalt zumeist, der auch äußerste Angst vorausgeht.
Ebenso wie dem Schächten. Die Frage, welches Schlachten schlimmer oder weniger schlimm sei, ist wie die, ob Waterboarding schlimmer sei als Daumenschrauben. Nach der Schlachtung jedenfalls sind die Tiere tot. Ihr Leben endet gewaltsam, sie werden der Möglichkeit des irdischen Lebens beraubt.
Andere Zeiten - andere Möglichkeiten
Gemäß dem Koran allerdings leben sie weiter, haben eine unsterbliche Seele, werden am Jüngsten Tag vor ihrem Herrn versammelt. Auch heißt es im Koran, Vögel und andere Tiere seien Gemeinschaften wie wir Menschen. Einmal rügte Gott Mohammed, weil er seine Wut an einem Ameisenhaufen ausließ. Dennoch erlaubt der Koran das Essen von Tieren. Wie passt das zusammen?
Jede Offenbarung richtet sich an die Menschen einer bestimmten Zeit und fordert sie zu dem auf, was ihnen möglich ist. Mohammed befahl seinen Anhängern, die Tiere mit einem einzigen schnellen Schnitt zu töten. Er verbot ihnen, die Fingernägel oder Grashalme beim Schlachten zu verwenden; da sieht man mal, was die Menschen alles probierten. Das war eine Zeit, bevor es in jedem Supermarkt scharfe Messer zu kaufen gab. Und eine Weltgegend, in der Tiere die beste Nahrung darstellten, die die Menschen besaßen - und opfern konnten.
Der Geist, der aus dem Koran wie auch aus etlichen Hadithen spricht, ist klar: Seid milde zu den Tieren, so mild wie euch möglich! Für uns bedeutet das heute meiner Ansicht nach: Opfert sie nicht. Esst sie nicht. Tötet sie nicht. Egal wie.