"Wie - auch kein Wasser?" - Ramadan erklären
Der Fastenmonat Ramadan ist für Muslime eine besondere Zeit. Silvia Horsch-Al Saad, die vor Jahren zum Islam konvertierte, erinnert sich an ihr erstes Fasten - und an die Reaktionen.
Millionen Muslime verzichten im Fastenmonat Ramadan tagsüber darauf, zu essen und zu trinken. Es ist für sie eine Zeit der Besinnung, der Nächstenliebe und auch der Begegnung von Muslimen und Nicht-Muslimen beim gemeinsamen Fastenbrechen. Silvia Horsch, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Islamische Theologie an der Universität Osnabrück, ist vor vielen Jahren zum Islam konvertiert. Im Freitagsforum erinnert sie sich an ihren ersten Ramadan - und an die Reaktionen ihrer nicht-muslimischen Freunde und Kolleginnen.
Als ich vor etwas mehr als 20 Jahren zum ersten Mal im Ramadan fastete, lag der Fastenmonat im Winter. Fasten bedeutete damals eigentlich nur, das Frühstück etwas vorzuziehen und das Mittagessen ein bisschen zu verschieben. Trotzdem hatte ich großen Respekt vor den zehn Stunden zwischen Morgendämmerung und Sonnenuntergang, in denen ich nichts essen und trinken sollte. Ich bemühte mich daher, in der übrigen Zeit die verpassten Kalorien wieder einzuholen. Ein typischer Anfängerfehler, die Folge war eine spürbare Gewichtszunahme.
Fasten im Ramadan: Auch kein Wasser trinken
Trotz der kurzen Fastentage begleiteten mich schon damals die erstaunten Fragen und ungläubigen Blicke meiner nichtmuslimischen Freunde, Kommilitoninnen und Kollegen: "Den ganzen Tag nichts essen?" "Nein", erklärte und erkläre ich bis heute geduldig, "nichts essen und auch nichts trinken." Eine Auskunft, auf die zuverlässig die Nachfrage folgt: "Wie, auch kein Wasser?!" "Wasser ist natürlich eine Ausnahme!", bin ich jedes Mal versucht zu sagen, aber ich verkneife mir den Scherz. Vor meiner Konversion hätte ich wahrscheinlich die gleichen Fragen gestellt.
Muslime fasten nicht für die Gesundheit
Schwieriger finde ich die ungebetenen Kommentare: "Gesund ist das ja nicht!" merkt meine Zahnärztin während der Behandlung an. Mit aufgesperrtem Mund lege ich mir die Erwiderung zurecht, dass Muslime seit immerhin 1.400 Jahren ohne größere gesundheitliche Schäden fasten. Aber sie kommt mir zuvor: "Naja, Sie machen das ja auch nicht für die Gesundheit."
So ist es - Muslime fasten nicht für die Gesundheit. Auch wenn viele von ihnen den immer wiederkehrenden Fragen mit der Strategie begegnen, das Fasten als eine Art Gesundheitskur darzustellen. Sie zitieren medizinische Studien zum Fasten und verweisen mit Stolz auf den neuesten Trend des Intervallfastens, bei dem 16 Stunden am Tag nichts gegessen wird. Aber auch solche Erklärungen sorgen nur begrenzt für Verständnis. Einer meiner Bekannten wurde über Jahre von ihren Kollegen - und zwar immer den gleichen - die Frage nach dem Wasser gestellt, bis sie schließlich zurückgab: "Tja, der Islam ist halt nichts für Weichlinge!"
Die spirituelle Seite des Ramadan lässt sich nicht erklären, nur erleben
Diese Antwort ist vielleicht nicht ideal, aber sie verweist auf einen wichtigen Punkt: Natürlich ist Ramadan anstrengend, besonders im Sommer. 18 Stunden nichts zu essen und zu trinken und dabei den alltäglichen Verpflichtungen nachzugehen, die Arbeit und Familie mit sich bringen, ist nicht einfach. Aber es gehört zum Sinn des Fastens, uns aus unserer Bequemlichkeit und unseren Gewohnheiten herauszureißen.
Seit ich die Anfängerfehler hinter mir gelassen habe, fühle ich mich tatsächlich nach dem Ramadan fitter als davor. Aber wie meine Zahnärztin schon sagt, es geht nicht um die Gesundheit. Der Verzicht auf Essen und Trinken ist nur die körperliche Seite des Ramadan, die andere Seite ist die seelische. Diese ist viel schwerer zu erklären und nach ihr werde ich auch nur selten gefragt. Während die Nahrung im Ramadan für den Körper reduziert wird, wird die Seele durch zusätzliche Nahrung aufgepäppelt: durch Gebete, das Lesen des Koran und Kontemplation. Für mich ist das eine Zeit, in der das Gleichgewicht zwischen Körper und Seele wieder hergestellt wird, und das Wohlbefinden, das sich bis zum Ende des Ramadan bei mir einstellt, führe ich auf diesen Ausgleich zurück. Diese Erfahrung kann man aber niemandem erklären - man kann sie nur machen.