Tänzer im scheinwerferlicht auf der Bühne © picture alliance/KEYSTONE | GIAN EHRENZELLER Foto: GIAN EHRENZELLER

Die Energiekrise und die Kultur - ein Problem

Stand: 20.07.2022 19:42 Uhr

Eine mögliche Energiekrise durch fehlendes Gas bereitet Städten und Gemeinden schon jetzt Kopfzerbrechen. Einige Städte arbeiten nun laut Deutschem Städte- und Gemeindebund schon an Krisenplänen für eine Energie-Knappheit im Winter.

von Torben Steenbuck

Amelie Deufelhard, Intendantin des Theaters Kampnagel in Hamburg. © Marcello Hernandez Foto: Marcello Hernandez
Amelie Deuflhard, Intendantin des Theaters Kampnagel in Hamburg.

Im Wintermantel ins Konzert, mit Wollmütze ins Museum, oder doch direkt Schließung der Häuser? Es sind Schreckensszenarien wie diese, die Vertreterinnen und Vertreter der Kultur sich aktuell durch den Kopf gehen lassen müssen, wenn es um den kommenden Winter und mögliche Heizprobleme geht. Amelie Deuflhard, Intendantin des Hamburger Kulturzentrums Kampnagel, befindet sich zwar gerade im Urlaub, ist gedanklich aber schon bei möglichen Lösungen: "Wir werden auf jeden Fall ein Manual machen für alle, wie man jetzt in Zukunft mit Energie umgehen kann. Heizungen ausstellen, Lichter abstellen, aber klar ist, unser Hauptenergieverschwender ist unser Spielbetrieb und den können wir nicht einfach einstellen." Laut Amelie Deuflhard drohe ein zu großer Vertrauensverlust beim Publikum, wenn die Kultureinrichtungen im Winter schon wieder schließen müssten.

Noch größere Sorgen machen ihr allerdings die steigenden Heizkosten, die auf Kampnagel zukommen. "Ich wüsste nicht, wie man nach der Corona-Zeit mit immer noch niedrigeren Vermietungseinnahmen, mit immer noch möglicherweise niedrigeren Einnahmen an der Kasse, auch noch diese extrem hohen Energiepreise, selber erwirtschaften könnte. Dafür hab ich keinen Plan." Amelie Deuflhard rechnet hierbei mit Unterstützung aus der Politik.

Mit Schließungen rechne man nicht

Die Hamburger Behörde für Kultur und Medien schreibt auf Anfrage, man sei mit den Einrichtungen im Austausch, die derzeit noch mit dem Aufstellen der Wirtschaftspläne beschäftigt seien. Mit generellen Schließungen rechne man aktuell nicht. Es müsse aber auch darum gehen energetische Sanierungen verstärkt voranzutreiben. Ein Aspekt, der auch Hildegard Bauer in Kiel beschäftigt. Sie ist Chefin im Kultur- und Kommunikationszentrum 'Die Pumpe'. "Wir hoffen immer noch auf dieses Solardach. Das ist 600 Quadratmeter groß und würde, zumindest was Strom angeht, viel für dieses Haus bringen - wir könnten uns damit selbst versorgen. Aber der Denkmalschutz steht im Weg und bis so etwas fertig ist, brauch das alles seine Zeit. Wenn wir gar nicht mehr heizen können, müssten wir das Kino schließen und unsere Gruppenräume müssten wir auch zumachen, denn dort wäre es zu kalt."

Bundesregierung erarbeitet Gas-Notfallplan

Die Bundesregierung erarbeitet aktuell einen Gas-Notfallplan, der neben Privathaushalten auch soziale Einrichtungen besonders schützen soll. Demnach müsste die Pumpe als Soziokulturelles Zentrum in der Priorisierung bei der Gas-Vergabe nach oben rutschen. Das Ministerium für Bildung Wissenschaft und Kultur in Schleswig-Holstein betonte auf Anfrage noch einmal, dass bei Priorisierungsfragen auch die kritische Infrastruktur unter den kulturellen Einrichtungen genau betrachtet werden würde. Ein Punkt, wäre wenn in einem Museum zum Beispiel fragile Kulturgüter gelagert werden. Denn genau das ist für Museen oft ein großes Problem, wenn es um die Klimatisierung geht.

Das Kunstmuseum Wolfsburg von außen betrachtet. © Marek Kruszewski Foto: Marek Kruszewski
Das Kunstmuseum in Wolfsburg

Andreas Beitin vom Kunstmuseum Wolfsburg arbeitet bereits selbst an Notfallplänen. "Da muss man dann einfach schauen, was möglich ist, ob man eventuell dann die Klimatisierung nur auf den Depotbereich begrenzt und im Ausstellungsraum dann nur Kunstwerke zeigt, oder Ausstellungen konzipiert, die wenig, oder gar keine Klimatisierung brauchen. Das muss man dann erstmal sehen, wie sich das entwickelt und wie langfristig diese Energieknappheit, die möglicherweise auf uns zukommt, anhalten wird."

Kunstwerke müssen bei Temperaturen zwischen 19 und 23 gelagert werden

Ein Entwurf für einen Notfallplan der Europäischen Kommission sieht vor, dass öffentliche Gebäude, Büros und kommerzielle Gebäude ab Herbst bis maximal 19 Grad beheizt werden sollen. Für Andreas Beitin würde das reichen, denn laut internationalem Standard sollten Kunstwerke bei einer Temperatur zwischen 19 und 23 Grad gelagert werden. Schließungen wie zu Corona-Hoch-Zeiten möchte Andreas Beitin auf jeden Fall verhindern. "Dann lieber reduzierte Öffnungszeiten als eine komplette Schließung, das wäre ganz furchtbar und da hoffe ich, dass wir da drum herumkommen werden." Und das eint die angefragten Kultureinrichtungen: Sie wollen für die Menschen offen bleiben. Außerdem sehen viele die Chancen jetzt noch aktiver Klimaschutz durch Energiesparen zu betreiben und sie wollen in dieser Situation nicht überstürzt handeln.

Plan B für eine Energieknappheit gibt es noch nicht

Die Rückmeldung aus den zuständigen Behörden und Ministerien im Norden dazu sieht ähnlich aus. Alle seien mit den Kultureinrichtungen oder Verbänden in Gesprächen. Einen fertigen Plan B, für eine massive Energieknappheit kann noch keiner vorlegen. Ein einfaches "Heizung runterdrehen" wird das Problem alleine aber definitiv nicht lösen.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Klassisch in den Tag | 21.07.2022 | 08:15 Uhr

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