Konzertveranstalter zu Ticketverkäufen: "Branche hat Long Covid"
In Theatern, Konzerten und Lesungen ist wieder volle Platzbelegung möglich: ohne Corona-Test, Impfnachweis und meist ohne Maske. Trotz der Rückkehr zur Normalität läuft der Verkauf schleppend für einige Festivals.
Bei einigen Kulturveranstaltungen verkaufen sich die Tickets nur langsam. Bei wem läuft es schlecht und bei wem läuft es aber auch gut? Und was können Veranstalter tun, um das Publikum zurückzugewinnen? "Die großen Namen verkaufen wir eigentlich immer. Das muss man ganz klar sagen", sagt Stephan Thanscheidt vom Konzertveranstalter FKP Scorpio. Das gilt für die Rolling Stones oder Bruce Springsteen, wo dann auch schon einmal der Ticketserver zusammenbricht.
"Räucherei Kiel": 25 statt 300 Karten verkauft
Seinen Konzertplan zu füllen, das ist auch kein Problem für André Gremmel, den Inhaber der "Räucherei" in Kiel. Die Musikerinnen und Musiker dürsten danach, wieder Konzerte zu spielen. Den Konzertsaal zu füllen - das ist schon schwieriger: Am kommenden Sonnabend tritt zum Beispiel der Bluesgitarrist Henrik Freischlader in der Kieler "Räucherei" auf. "Da wären normalerweise jetzt schon 300 Karten weg. Ich bin bei 25 vorverkauften Karten. Das ist natürlich dramatisch."
Gremmel ist überzeugt, dass die Angst, sich mit Corona anzustecken, immer noch der Hauptgrund für das wegbleibende Publikum ist. Deshalb hätten es Indoor-Veranstalter besonders schwer. Gremmel hat sein Konzert-Angebot angepasst und um Plätze unter freiem Himmel erweitert. Mit Bierbänken, Regenschutz - auch von dort aus kann man die Musik von drinnen hören: "Die Leute haben Bock auf Kultur. Die Leute haben Bock auf Live, sind aber eben wirklich vorsichtig", glaubt Gremmel.
Kulturwerk MV blickt optimistisch auf die Saison
So richtig gefruchtet hat dieses veränderte Konzept noch nicht. André Gremmel hofft weiter. Dank der finanziellen Unterstützung des Bundesregierungsprogramm "Neustart Kultur" und einer Crowdfunding-Aktion könne sich die "Räucherei" noch über Wasser halten. Ganz anders nimmt Johanna Treppmann das Konzertpublikum wahr. Sie ist Koordinatorin des Kulturwerks MV und betreut insgesamt 33 Clubs und Livespielstätten in Mecklenburg-Vorpommern. Orte, in denen bis zu einer Publikumsgröße von 1.000 Personen kleinere, lokale Acts zu erleben sind.
"Wir blicken da eigentlich ganz optimistisch auf die Saison. Im Großen und Ganzen bleibt das Publikum derzeit nicht aus", beobachtet Treppmann. Sie spekuliert, dass es auch eine Frage des Alters sei. Bei Jüngeren sei die Sehnsucht stärker, endlich wieder Konzerte zu erleben: "Wir haben auch ein relativ durchmischtes Publikum, wobei wir natürlich eher die jüngeren Menschen ansprechen und eher Studierende haben. Vielleicht ist unser Publikum etwas mutiger und unsere Häuser sprechen ein ganz anderes Publikum mit ganz anderen Bedürfnissen an."
FKP Scorpio: Jüngere Themen verkaufen sich besser als ältere
In zehn Tagen beginnt im niedersächsischen Scheeßel das Festival "Hurricane", das vor allem junge, rockinteressierte Musikfans anlockt. Seit längerem schon ist das Festival ausverkauft. 70.000 kommen dann - es eines der größten seiner Art in Deutschland. Stephan Thanscheidt, der Geschäftsführer des Veranstalters FKP Scorpio, beobachtet ebenfalls, dass die jüngeren Themen besser gebucht sind als die älteren: "Da waren die Zielgruppen etwas zögerlicher. Im europäischen Vergleich hatten wir in Deutschland auch sehr lange weitgreifende Restriktionen, so dass es alles auch einen Moment brauchte, um das Vertrauen der Leute zurückzugewinnen, um das Gefühl von einer Sicherheit und der Lust auf Konzerte auch wieder miteinander in Einklang zu bringen", meint er: "Und da sieht man aber schon, dass das besser wird."
Mit Marketingmaßnahmen könne man versuchen, noch mehr Menschen zu erreichen, sagt Thanscheidt. Aber vor allem gehe es darum, erst einmal generell wieder eine gewisse Normalität zu erreichen. "Ich habe gelesen, dass die Veranstaltungsbranche Long Covid hätte, und wenn man genauer darüber nachdenkt stimmt das auch ein bisschen", sagt Thanscheidt. "Weil der Rattenschwanz, der da dranhängt, uns noch eine ganze Weile begleiten wird".
Festspiele MV: Fast alle Konzerte noch nicht ausverkauft
Das spüren auch die Festspiele Mecklenburg Vorpommern, die Ende Juni eröffnen. Ungewöhnlicherweise gibt es noch viele Karten für fast alle der vor allem klassischen Konzerte. Dass es am Musikgenre Klassik oder dem eher älteren Publikum liegt, glaubt Indendantin Ursula Haselböck nicht. In Zeiten, in denen Lebensmittel und Energie teurer werden und die Menschen weniger Geld in der Tasche haben, spielt sicher auch das Finanzielle eine Rolle. Das stellt auch Haselböck fest: Die günstigeren Preiskategorien bei den Festspielen MV verkaufen sich besser denn je.