Festlicher Auftritt auf Bühne mit Musikerinnen und Musikern © Fanny Mendelssohn Förderpreis Foto: unbekannt

Heide Schwarzweller: Kultur-Mäzenin baut zielstrebig Förderpreis auf

Stand: 03.12.2022 13:36 Uhr

Als sie sich dem Rentenalter näherte, suchte Heide Schwarzweller nach einer Herausforderung für den Unruhestand. In Hamburg machte sie sich 2014 an die Entwicklung ihres Förderpreises für junge Musiker.

von Anina Pommerenke

"Es war natürlich sehr schwierig", resümiert Heide Schwarzweller, als Quereinsteigerin und völlig Unbekannte in der Branche loszulegen. Das gesamte Projekt stemmt sie zum Großteil aus ihrem privaten Vermögen und mit nur einer Mitarbeiterin. Zuvor hatte Schwarzweller eine Agentur für Kommunikation geführt. Als sie aufs Rentenalter zusteuerte, wollte sie ihren Mitarbeiter*innen rechtzeitig eine Perspektive bieten und traf daher die Entscheidung, die Agentur zu verkaufen.

Für sich selbst hatte sie bereits Pläne für etwas Neues geschmiedet: "Ich fühlte mich einfach noch stark und lebensfroh genug, um weiterzumachen. Ich habe gefühlt mein Leben lang gearbeitet, aber immer mit großer Lust und Freude. Ich habe das nie als Belastung empfunden", so Schwarzweller. Sie habe sich dann überlegt, was ihr im Leben wichtig sei und erkannt, dass sie immer gern mit jungen Menschen zusammengearbeitet habe.

Ein Preis, benannt nach einer mutigen Komponistin des 19. Jahrhunderts

Die Kreativität und Unvoreingenommenheit von jungen Menschen habe sie persönlich als Bereicherung empfunden. Hinzu sei die Liebe zur klassischen Musik gekommen. Die Kombination aus beidem brachte die Unternehmerin auf die Idee, einen Preis auszuschreiben. Bewusst benannt nach einer Komponistin, die ihre Leidenschaft ausgelebt hat, obwohl dies als Frau im 19. Jahrhundert jede Menge Kreativität und Mut erforderte.

Seitdem gibt es den "Fanny Mendelssohn Förderpreis" für junge Nachwuchsmusikerinnen und -musiker. 2015 wurde der ungarische Trompeter Tamás Pálfalvi erster Gewinner des Förderpreises. "Junge Klassikmusiker sind sehr diszipliniert, weil sie sich auf ihre Instrument und ihr Studium fokussieren müssen. Der Preis ist auch eine Art Belohnung für diese Disziplin", erläutert Schwarzweller. Er beinhaltet die Möglichkeit, ein Debüt-Album ohne kommerziellen Druck veröffentlichen zu können. Ein zweckgebundenes Preisgeld von 10.000 Euro. Und eine Reihe von Konzertauftritten. Hier konnte Heide Schwarzweller unlängst starker Partner von einer Zusammenarbeit überzeugen: darunter die Festspiele Mecklenburg-Vorpommern und das Schleswig-Holstein Musik Festival.

Aller Anfang ist: ein Anruf bei den Festspielen Mecklenburg-Vorpommern

Doch wie anfangen, wenn man eigentlich niemanden in einer Branche kennt? Schwarzweller griff damals zum Telefon und rief den frisch designierten Intendanten der Festspiele Mecklenburg-Vorpommern Markus Fein an und löcherte ihn mit Fragen. Auch Markus Fein - mittlerweile Intendant an der Alten Oper Frankfurt - erinnert sich noch gut an die erste Begegnung mit Heide Schwarzweller: "Wer ihr gegenüber sitzt, der spürt schnell das Engagement dieser zupackenden, visionären Frau." Heide Schwarzweller habe ihren Erfolg als Geschäftsfrau und ihre damit verbundene Zielstrebigkeit auf die Kultur übertragen. Er habe schnell gespürt, dass ihr Engagement von Herzen komme und ihr ein echtes Anliegen sei, erinnert sich Fein.

Heide Schwarzweller im Kreise von Nachwuchsmusikern © Fanny Mendelssohn Förderpreis Foto: unbekannt
Die Zusammenarbeit mit Nachwuchsmusikern ist für sie eine persönliche Bereicherung.

Ohne Frage habe Schwarzweller viel Zeit und Kraft in ihre Aufgabe investiert und sei bei der Gründung des Förderpreises äußerst professionell vorgegangen. Für Markus Fein sind solche Initiativen gar nicht hoch genug einzuschätzen: "Die Kultur braucht dringend Unterstützung, und sie braucht Menschen, die sich ihr mit Leidenschaft hingeben: als Künstler, Konzertgänger, Verantwortliche - oder als Mäzenin", so der Opern-Intendant. Auch beim Schleswig-Holstein Musik Festival ist man voll des Lobes für den Fanny Mendelssohn Förderpreis. Er sei eine außergewöhnliche Auszeichnung, die sich in vielen Punkten von etablierten Wettbewerben abhebe: Durch das spezielle Auswahlverfahren und ein innovatives Konzept fördere der Preis Persönlichkeiten, die sich mit Musik, Musikvermittlung und außergewöhnlichen Formaten beschäftigen. Die "Fanny-Mendelssohn-Artists" seien daher eine herausragende Gruppe junger Musikerinnen und Musiker, die mit ihrer Programmauswahl ihr Publikum ansprechen und auf der Bühne sowohl instrumental als auch konzeptionell überzeugen.                                                                

Starke Partner seien für das Schleswig-Holstein Musik Festival von enormer Bedeutung, daher habe man besonders von der Kooperation mit den Preisträgerinnen und Preisträgern der Stiftung bei einer Konzertreihe zum Komponistenschwerpunkt Brahms im Sommer 2022 profitiert. Dabei sei unter der Leitung von Matthias Schorn, ebenfalls ein enger Vertrauter der "Fanny-Mendelssohn-Artists", ein kreatives, abwechslungsreiches Programm mit den Preisträgerinnen und Preisträgern entstanden. Auch in der Frauenkirche Dresden oder auf Schloss Elmau konnten die Gewinner der vergangenen Jahre bereits Konzerte spielen. Als Highlight hat Schwarzweller wiederholt den Kleinen Saal der Elbphilharmonie für ihre Schützlinge angemietet - selbst in der Corona-Pandemie hielt sie an dem Auftritt dort fest, auch wenn sich bereits früh abzeichnete, dass nicht alle Karten verkauft und sie selbst mit großem Verlust aus der Nummer rauskommen würde.

Weitermachen, so lange es gesundheitlich geht

Heide Schwarzweller spricht bei den gemeinsamen Konzerten und dem Netzwerk, was so über die Jahre entstanden ist, auch gerne von der internationalen Fanny-Mendelssohn-Familie und sie hofft, dass diese über ihre eigene Amtszeit hinaus bestehen bleibt. "Ich hatte mir vorgenommen, zehn Jahre zu bleiben!" Das heißt, eigentlich wäre es 2025 vorbei. Doch Schwarzweller ist mit so viel Herzblut dabei, dass sie mittlerweile davon ausgeht, dass sie solange weiter macht, wie es gesundheitlich möglich ist. Dann möchte sie schrittweise eine Nachfolge institutionalisieren, die ebenso wie sie als Beraterin und Ideengeberin für die jungen Menschen fungiert, die künstlerische Leitung dafür sei bereits geklärt. In ihrer Vorstellung lebt der Fanny Mendelssohn Förderpreis dann in einer gemeinnützigen Stiftung weiter, gefördert von Privatpersonen, mit ähnlichem Antrieb wie sie selbst. Das wäre, so die Kulturmäzenin, ihr großer Wunsch.

Weitere Informationen
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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | 03.12.2022 | 13:40 Uhr

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