"Songs from Home": Interkultureller Chor für Frauen in Hamburg

Stand: 06.02.2023 14:08 Uhr

Die Ethnologin Imke McMurtrie hat es sich zur Aufgabe gemacht, geflüchteten Frauen zweimal im Monat die Möglichkeit zu geben, ihre Lieder aus der Heimat mit Frauen an ihrem jetzigen Wohnort zu teilen.

von Andreas Hohn

Verständigung durch Gesang - darum geht es im Chor "Songs from Home". Er ist für alle Frauen in Hamburg, die Freude am Singen haben. Alle zwei Wochen trifft sich der interkulturelle Frauen-Chor "Songs from Home" zur Chorprobe. Musik-Ethnologin Imke McMurtrie leitet ihre Sängerinnen bereits seit 2018. Auf Deutsch wird hier eher selten gesungen. Heute Abend lernen die zwölf Frauen ein Lied aus dem Iran. "Polin hat uns ein Lied mitgebracht. Ein persisches Lied, also in der Sprache der Farsi, und es kommt aus dem, was heute Pakistan ist", erzählt Imke McMurtrie.

Historische Hintergründe eines Liedes lernen

Polin Afshinnia lebt seit etwa vier Jahren in Deutschland und singt bereits seit ihrer Kindheit. Das Lied des roten Derwischs - ein altpersisches Lied - stammt aus dem Sufismus, einer spirituellen Ausrichtung im Islam. Es handelt von einem Zwiegespräch eines Menschen mit Gott. Imke McMurtrie steht vor einer weißen Tafel, auf der der Text in großen Buchstaben zu lesen ist. Die Musik-Ethnologin bringt ihrem Frauenchor auch die historischen Hintergründe der Lieder, die sie gemeinsam singen. "Diese mystische Tradition im Iran, die ist ganz frei. Auch religiös waren die Sufis total frei. Die persischen Dichter hatten einen ganz freien Blick auf die Verbindung zu Gott und sie haben gesagt, dass jeder Mensch seine eigene Beziehung zu Gott hat", erklärt Imke McMurtrie.

"In meinen Gedanken bin ich immer in meinem Heimatland"

Und dann wird gesungen - Vers für Vers. Polin singt vor - der Chor antwortet. Laute nachsingen und kein einziges Wort verstehen ist keine leichte Aufgabe. Und doch klingt es für Polin schon ein bisschen wie die iranische Amtssprache Farsi. "Ich glaube, für die anderen ist alles ein bisschen schwierig in Bezug auf die Aussprache. Ich habe auch zum Beispiel diese Schwierigkeiten erlebt beim Deutsch lernen", erzählt sie. Hier in Hamburg ein altpersisches Lied mit anderen zu singen hilft Frauen wie Polin gegen ihr Heimweh. "Ich bin körperlich hier - aber in meinen Gedanken bin ich immer in meinem Heimatland", sagt Polin.

Lieder aus Kulturen, die neu ankommen

Manchmal singen sie auch mehrstimmig. Zum Beispiel ein Lied aus Georgien. "Wir versuchen immer, die Lieder aus den Kulturen zu nehmen, die hier gerade neu ankommen und probieren aus. Manchmal gehen wir in die Unterkünfte, manchmal kommen die Leute zu uns", erzählt Imke McMurtrie. Im Chor treffen unterschiedliche Kulturen aufeinander. Die Teilnehmerinnen kommen sehr gern hierher. So auch Susanne Matthiesen aus Hamburg, die seit drei Jahren im Goldbekhaus singt. "Ich bin hier, weil mir dieser Chor sehr viel Spaß macht, und es einfach wunderbar ist, Lieder aus anderen Kulturen zu singen - und weil's auch so schöne, kraftvolle zum Teil Heil-Lieder sind, zum Teil Trink-Lieder, zum Teil ganz normale Volkslieder - aber ganz bunt und ganz interkulturell - und das finde ich schön", sagt sie.

Dieses Thema im Programm:

Hamburg Journal | 05.02.2023 | 19:30 Uhr

Das Ukrainian Freedom Orchestra in Hamburg © © MUTESOUVENIR | KAI BIENERT

Ukrainian Freedom Orchestra in der Elbphilharmonie

Die insgesamt 75 Musikerinnen und Musiker wollen ein Zeichen gegen den Krieg in der Ukraine setzen. Am Sonntag traten sie in der Hamburger Elbphilharmonie auf. mehr

Eine Frau aus der Ukraine und ihr Sohn sitzen vor der Zentralen Ausländerbehörde an der Hammer Straße in Hamburg und warten auf Einlass. © dpa Foto: Marcus Brandt

Flüchtlinge in Norddeutschland

Derzeit kommen viele Geflüchtete aus der Ukraine in den Norden. Auf NDR.de finden Sie Meldungen und Hintergründe rund um das Thema. mehr

Ein Chor aus Frauen, Männern und Kindern singt, begleitet vom Chorleiter am Klavier, im Gemeindesaal der evangelischen Bonhoeffer-Gemeinde in Wolfsburg. © NDR Foto: Janek Wiechers

Chor mit Ukrainerinnen in Wolfsburg: "Das Herz öffnet sich"

In einem Gemeindesaal in Wolfsburg treffen sich ukrainische Mütter und ihre Kinder, um Lieder aus ihrer Heimat zu singen. mehr

This Band is Tocotronic, Cover
Podcast von ARD Kultur, rbb, NDR Kultur © ARD

"This Band is Tocotronic" in der ARD Audiothek

Der Podcast von rbb und NDR erzählt die Geschichte der Band. extern

Porträt von Philipp Schmid © NDR Foto: Sinje Hasheider

Philipps Playlist

Philipp Schmid kennt für jede Lebenslage die richtige Musik. Egal ob Pop, Klassik oder Jazz. Träumt Euch zusammen mit ihm aus dem Alltag! mehr

Peter Urban © NDR Foto: Benjamin Hüllenkremer

Urban Pop - Musiktalk mit Peter Urban

Spannende Stories, legendäre Konzerte, bewegende Begegnungen: Peter Urban hat viel erlebt und noch mehr zu erzählen. mehr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Mehr Kultur

Eine Frau und ein Mann sitzen nebeneinander auf einer Bank, hinter ihnen ist Wasser. © Pedro Deltell Foto: Pedro Deltell

Cinemare Fest in Kiel: Kino live gespielt - wie geht das?

Der Film "Schiffbruch mit Publikum" wird in Echtzeit improvisiert und ins Kino projiziert. Auf dieser Seite können Sie die Live-Produktion heute ab 19 Uhr verfolgen. mehr