documenta: Künstlerkollektiv arbeitet mit Straßenmagazin zusammen
Die Straßenzeitung "Asphalt" aus Hannover ist Medienpartner der documenta fifteen, die am 18. Juni startet. Tina Maschke ist eine der Verkäuferinnen - die bei der Zeitung mitmacht.
Es ist viel los auf der Limmerstraße in Hannover - wie immer. Ein Treiben, das zum Sound von Tina Maschkes Lebens gehört: Hier verkauft sie seit 15 Jahren die Straßenzeitung "Asphalt". Außerdem macht sie Kunst: "Ich male so ein bisschen", erzählt Maschke. "Kleine, abstrakte Bilder, in Postkartengröße. Das habe ich zwar schon länger nicht gemacht, ich muss mir das immer vornehmen, aber wenn ich es mache, macht es mir viel Spaß."
Treffen mit Künstlerkollektiv Ruangrupa im "Wohnzimmer" der documenta
Als sich im Frühjahr ein kleines Asphalt-Grüppchen mit Mitgliedern des Künstlerkollektivs Ruangrupa traf, war Maschke dabei. Zwei Stunden lang haben sie im Ruru-Haus, dem "Wohnzimmer" der documenta, diskutiert, erzählt die Verkäuferin: über die unterschiedlichen Biografien, die Kooperation und Konzepte des Miteinanders.
"Bei dem Treffen ging es auch um den Begriff Lumbung, und als Symbol dafür stand eine mit Reis gefüllte Scheune in einem Dorf in Indonesien. Der Reis in der Scheune wird geteilt, und der Ertrag geht an die Menschen, die wenig oder gar nichts haben. Die, die gar nichts haben, brauchen auch nichts beisteuern. Das machen sie erst, wenn sie etwas haben - so wird der Überfluss praktisch geteilt. Und das ist auch so ein Gedanke in der Kunst."
"Asphalt"-Chefredakteur Volker Macke war beim Austausch in Kassel auch dabei. Er sagt: "Die Kunst ist ein Vehikel für eine definitiv politische Botschaft, die die Ruangrupa mitbringt, und die sie versucht im Kunst- und Medien-Markt zu etablieren."
documenta fifteen: Kunst für alle
Kunst allen zugänglich zu machen, im Kollektiv zu entscheiden, gemeinsam zu tüfteln und zu teilen - für Ruangrupa, das die documenta fifteen kuratiert, ist die Zusammenarbeit mit dem Straßenmagazin Asphalt eine veritable Möglichkeit, die elitär anmutende Kunstblase in alle Bevölkerungsschichten hineinzutragen. Da stellt sich die Frage: Wie wahrhaftig ist diese Kooperation?
Asphalt-Chefredakteur Macke: "Die haben extrem auf Augenhöhe agiert, da war überhaupt kein Standesdünkel. Sie haben hier Menschen, an denen viele im Grunde einfach nur vorbeigehen, in den Scheinwerferkegel gesetzt und sagen: 'Hier, das sind tolle Menschen mit tollen Biografien. Und die machen auch tolle Sachen, tolle Kunst zum Beispiel, so wie Tina'."
Für den Gegenbesuch kam die Künstlerin Ayşe Güleç bei der Verkäuferversammlung in Hannover vorbei. Sie nahm sich ebenfalls viel Zeit, um mit den rund 40 Anwesenden ins Gespräch zu kommen. Einmal mehr wurde deutlich, wie passend die Kooperation ist - auch aus Sicht einer Straßenzeitung, sagt Macke: "Das ist eben dieser Kollektivgedanke, wie es die Lumbung-Praxis auch vorsieht: Da wird gesät und man guckt, was könnte der Ertrag sein? So agieren auch Straßenzeitungen untereinander."
"Asphalt"-Verkäuferin: "Die haben mir richtig Mut gemacht"
Sie sind solidarisch, sprechen sich ab, nutzen Synergien, berichtet der Journalist. Zudem werden die Verkäufer*innen ermutigt, bei der Zeitung mitzumachen. Von Tina Maschke wurden zum Beispiel schon Gedichte abgedruckt. Auch beim Treffen in Kassel war ihre Kunst Gesprächsthema: "Ich hatte mit dem Handy Bilder fotografiert", erzählt Maschke. "Die haben sie die Leute von Ruangrupa angeguckt - die waren davon auch angetan und haben mir richtig Mut gemacht."
Vielleicht wage sie es ja doch einmal, in Linden auszustellen? Tina Maschke lächelt, als sie das sagt. Wird sie denn hinfahren, zur documenta fifteen? "Auf jeden Fall! Ich freue mich schon sehr. Wir fahren mit 'Asphalt' zusammen nach Kassel. Da ist auch schon ein Bus gechartert und wer Interesse hat, kann eben mitfahren."