Heike Duisberg-Schleier Leiterin der Kunststätte Bossard zeigt auf die Stelle des Kreutzes © NDR.de Foto: Katrin Schwier

Kunststätte Bossard: Aufarbeitung und Blick nach vorne

Stand: 26.09.2022 15:26 Uhr

Die Kunststätte Bossard im niedersächsischen Jesteburg zeigt den Lebenstraum des Künstlerpaares Johann Michael und Jutta Bossard. Nach Diskussionen um Johann Bossards Einstellung zum Nationalsozialismus, geht die Kunststätte nun offensiv mit dem Thema um.

von Katrin Schwier

Vor dem Eingang der Kunststätte Bossard bei Jesteburg steht jetzt ein Seecontainer. Hier werden die Ergebnisse eines Gutachtens zu Bossards Geisteshaltung gezeigt. Das Gutachten wurde schon im März der Öffentlichkeit vorgestellt. Svenja Weikinnis, wissenschaftliche Volontärin an der Kunststätte Bossard hatte die schwere Aufgabe die 100 Seiten wissenschaftlicher Untersuchungen auf wenigen Texttafeln zusammenzufassen.

Die Ausstellung zeigt: Es gibt viele Strömungen, mit denen Bossard sich beschäftigt hat, und die seine Kunst beeinflusst haben. Unter anderem hat er sich mit der Geisteshaltung der Ariosophie auseinandergesetzt, die besagt, "dass es eine herrschende Rasse gibt, die über eine andere Rasse herrschen kann. Das sind auch Sachen, die als Grundlage im Nationalsozialismus verwendet wurden", sagt Weikinnis.

Keine einfache Antwort auf Bossards Haltung

Trotz dieser Ergebnisse: Eine einfache Antwort, ob Johann Bossard ein Nazi war oder nicht, die gibt das Gutachten von Dr. Hof und damit die Ausstellung nicht, sagt Heike Duisberg-Schleier, Leiterin der Kunststätte Bossard: "So plakativ kann man diese Frage nicht beantworten. Das ist das, was wir von Dr. Hof gelernt haben. Dieses Denken in Schwarz-/Weiß-Kategorien ist nicht das, was der Person Johann Bossard oder der ganzen Forschung gerecht wird."

Wichtig sei es, einen Weg zu finden, mit diesem Künstler umzugehen. Deswegen hat die Kunststätte jetzt auch zu einer Fachtagung eingeladen, sagt Duisberg-Schleier: "Ich glaube, dass die Frage des Umgangs mit einem schwierigen Erbe viele Häuser umtreibt. Auf ganz unterschiedliche Art und Weise. Das, was wir hier haben, das ist einzigartig. Da gibt es kein Beispiel, wie man damit umgeht, den Weg müssen wir selbst finden. Aber andere Häuser beschäftigen sich mit Sammlungen und Exponaten aus kolonialen Kontexten. Sie beschäftigen sich mit Kunst aus NS-Raubzusammenhängen, oder mit anderen Künstlern die in dieser Zeit gelebt und gearbeitet haben."

Projekte und Diskussionsreihen zur Aufarbeitung

Wichtig sei dabei, nicht einfach weiterzumachen wie bisher, sondern Distanz zu schaffen und inne zu halten, sagt Dr. Anke Rees. Die Hamburger Wissenschaftlerin ist Expertin für unbequeme Denkmäler: "Wir könne nicht so tun, als ob alles schön ist. Wir können nicht, die Leute hier weiter heiraten lassen und einfach sagen, ach das ist ja hier sehr schön, und dann haben wir hier noch ein kleines Problem. Das wäre falsch. Man muss an der Stelle brechen und neue Wege finden, den Ort zu vermitteln und die Geschichte weiterzuschreiben." Das tut die Kunststätte Bossard.

Das Hakenkreuz Mosaik im Eddasaal

Der elf Millionen teure Neubau ist erstmal auf Eis gelegt. An der Kunststätte Bossard gibt es Führungen, die die Bossard Haltung kritisch beleuchten. Es gibt Projekte mit Schulklassen und eine Diskussionsreihe "Reden über Bossard". Der Anstoß zu der Debatte, das Hakenkreuz Mosaik im Eddasaal der Kunststätte ist derzeit umgestaltet: Vier Steine sind farblich der Umgebungsfarbe angepasst, so dass man nur noch ein Kreuz, aber kein Hakenkreuz mehr sieht. Auf einer Tafel im Eingang ist ein Bild des Original-Hakenkreuz- Mosaiks zu sehen, sagt Duisberg-Schleier von der Kunststätte: "Wir wollten das dieses Mosaik kein Stein des Anstoßes mehr ist, gleichzeitig sehen wir uns auch in der Verantwortung, es zu vermitteln und zu erklären. Und da arbeiten wir auch daran. Im Original wollen wir es nicht so zeigen, dass man ein Hakenkreuz erkennen kann, vielleicht finden wir zu einem späteren Zeitpunkt noch einen anderen Weg der Vermittlung mit diesem Mosaik."

Konzept zur Vermittlung in Vorbereitung

Langfristig will Duisberg-Schleier ein Konzept erarbeiten, wie dieses Thema den Besuchern der Kunststätte vermittelt werden kann. Dafür wünscht Sie sich Unterstützung, von externen Experten: "Wir wollen das gar nicht unbedingt selbst machen. Wir möchten es auch Fachleuten überlassen, die mit einem Blick von außen dran gehen, wie man das Thema gut vermitteln kann. Sei es auf digitale Art und Weise, sei es, dass etwas Schriftliches herauskommt, wie wir uns hier intensiv mit dem Thema auseinandersetzen."

Die Kunststätte Bossard ist auf der Suche nach einem Weg, mit der umstrittenen Haltung des Künstlers umzugehen. Ein Thema, das auch die Besucher beschäftigt: "Dieses angebliche Hakenkreuz, das sind 4 Steinchen, die da liegen, in einem bestimmten Muster angeordnet. Ich finds gut, dass es aufgezeigt wird, und dass es in Frage gestellt wird, aber damit auch gut." Und ein anderer ergänzt: "Das finde ich schon in Ordnung, dass man das erwähnt."


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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Klassisch in den Tag | 27.09.2022 | 19:00 Uhr

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