Ausstellungsstücke der Schau © Kruszewski/Kunstmuseum Wolfsburg Foto: Kruszewski

"Empowerment": Ausstellung zeigt feministische Kunst in Wolfsburg

Stand: 11.09.2022 08:06 Uhr

Frauen leiden nach wie vor unter Macht- und Ungleichheitsverhältnissen. Auf diese Missstände macht die Ausstellung "Empowerment" im Kunstmuseum in Wolfsburg aufmerksam. Sie ist eine der Größten ihrer Art.

"Two minutes to midnight" - "2 Minuten vor Mitternacht" heißt die Video-Inszenierung der israelischen Künstlerin Yael Bartana. In ihrer Arbeit bildet sie mit gut einem Dutzend Frauen einen fiktiven Friedensrat nach, der unter Zeitdruck eine nukleare Bedrohung auflösen soll. Alle Frauen wirken wichtig und geschäftig. Ab und zu reicht ihnen ein knapp bekleideter, oberkörperfreier Kellner ein paar Häppchen.

Yael Bartana parodiert männliche Stereotype, erklärt Kuratorin Uta Ruhkamp vom Kunstmuseum Wolfsburg: "Genau das sind solche Verhaltensmuster, die ja praktisch eine Antwort auf halbnackte Kellnerinnen und Männer sind, die sich von Frauen bedienen lassen. Hier wird es ins Gegenteil verkehrt. Aber das ist genau eine Verhaltensweise, die die 1:1 Antwort auf ein patriarchales System ist, die diese Frauen hervorgebracht hat und jetzt kehren sie das um. Das wird aber gleichzeitig auch wieder kontrovers diskutiert, ob das der richtige Weg ist. Damit macht diese Parodie, wenn Sie es so nennen wollen, eben einen schönen Fragenkatalog auf: Wie kann dieser Ausweg einer aus dem patriarchalen System sein?"

Dreieinhalb Jahre Vorbereitungszeit für "Empowerment"-Ausstellung

Den Ausweg aus gesellschaftlichen Strukturen, den suchen alle der 116 Ausstellungswerke, die das Kunstmuseum sammeln konnte. In insgesamt sieben Themenkategorien sind sie geordnet. Von normativen Rollenverständnissen, Schönheit und Sexualität jenseits der festgesetzten Ideale über Missbrauch und Femizide, bis hin zu den Fragen: Welche Zukunft soll es für Frauen in Zeiten von Klimawandel und Pandemien geben? Fangen sie verschiedene Perspektiven und feministische Fragestellungen ein?

Dreieinhalb Jahre lang hat der Leiter des Kunstmuseums Andreas Beitin die Ausstellung gemeinsam mit seinen beiden Kuratorinnen-Kolleginnen vorbereitet: "Wir haben auch in Deutschland immer noch den Gender-Pay-Gap, also die ungleiche Bezahlung von Frauen und Männern für die gleiche Arbeit bis hin zu extremen Formen von Gewalt gegen Frauen. Es finden jedes Jahr rund 100.000 sogenannte Femizide statt. Es ist also ganz dringend und wichtig, eine Ausstellung zu präsentieren, die zeigt, wie eben Künstlerinnen in aller Welt mit diesen Herausforderungen umgehen und sie in der Kunst übersetzen."

Kontrast aus unschuldiger Szenerie und brutaler Realität

Ausstellungsstücke der Schau © Kruszewski/Kunstmuseum Wolfsburg Foto: Kruszewski
Viel Platz und Raum für alle Aspekte des "Empowerment".

Die Ausstellungshalle ist hell, die Werke sind nicht statisch aneinandergereiht, sondern man schwebt fast leichtfüßig durch sie hindurch. Gleich zu Beginn baumeln runde, bunte Stickrahmen von der Decke, durch die die Besucher einfach hindurchgehen können. Auf die bunten Rahmen hat eine chinesische Künstlerin verachtende Schimpfwörter aus sozialen Netzwerken eingestickt, die gegen Frauen gerichtet waren. Es sind Wörter wie "Fotze", "Flittchen" und "Mannsweib", die der Besucher zwar sehen, aber geschickt umgehen kann. Genau dieser Kontrast aus unschuldiger Szenerie und der brutalen Realität verleiht den Werken ihre Wucht.

Die Werke stammen von Künstlern aus über 50 Ländern. Mehr als zwei Drittel von ihnen kommen aus dem globalen Süden. Es ist die komplexeste Ausstellung, die er je in seinem Hause hat ausstellen lassen, sagt Beitin. Ihm sind vor allem die verschiedenen Blickwinkel wichtig. Allerdings liegt es im Auge des Betrachters, ob man die Vielschichtigkeit, die Komplexität und Multiperspektivität des sehr breiten Themenspektrums als Stärke, oder möglicherweise auch als Schwäche empfindet.

Ausstellung kann durch ihren Umfang überfordern

Die Ausstellung kann durch ihren Umfang ein Stück weit überfordern, räumt auch der Leiter ein. Dass das Thema inzwischen etwas abgedroschen sein könnte, weist er entschieden von der Hand: "Natürlich ist uns das klar gewesen, dass es schon ganz viele Ausstellungen zu diesem Thema gegeben hat, aber die haben im Grunde genommen nur feministische Kunst aus den 60ern und 70ern gezeigt und unsere Ausstellung geht eben deutlich darüber hinaus und zeigt ganz aktuelle Positionen aus den letzten 20 Jahren. Und wir hatten ja jetzt gerade auch zwei ganz furchtbare Fälle, wo Attacken auf Transmenschen ausgeübt worden sind, eine Attacke sogar mit Todesfolge. Und auch das wird ja in dieser Ausstellung thematisiert, dass Schluss sein muss mit dieser Ausgrenzung, dieser Marginalisierung von Menschen."

 

 

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Datum:
Ende:
Ort:
Kunstmuseum Wolfsburg
Hollerpl. 1
38440 Wolfsburg
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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Klassikboulevard | 11.09.2022 | 14:20 Uhr

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