Schwarz-Weiß-Foto von einem schemenhaft zu erkennenden Menschen. © Andreas Ehrig
Schwarz-Weiß-Foto von einem schemenhaft zu erkennenden Menschen. © Andreas Ehrig
Schwarz-Weiß-Foto von einem schemenhaft zu erkennenden Menschen. © Andreas Ehrig
AUDIO: FASD-Ausstellung: Eine unsichtbare Behinderung sichtbar machen (3 Min)

FASD-Ausstellung: Eine unsichtbare Behinderung sichtbar machen

Stand: 22.09.2023 13:22 Uhr

FASD hat viele Gesichter. Rund 1,6 Millionen Menschen leiden in Deutschland an der Fetalen Alkoholspektrumsstörung. In Rostock ist nun eine Foto-Ausstellung von Andreas Ehrig mit Bildern von Betroffenen zu sehen.

von Katja Bülow

Es gibt viele Erkrankungen, deren Name nicht jedem und sofort geläufig ist - FASD beispielsweise. Die Abkürzung steht für Fetale Alkoholspekrumsstörung und daran erkrankt sind Menschen, deren Mütter während der Schwangerschaft Alkohol getrunken haben. In Rostock ist jetzt die Foto-Ausstellung "FASD, die unsichtbare Behinderung" mit Bildern von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen zu sehen. Der Rostocker Filmemacher und Grafiker Andreas Ehrig hat versucht, ihre unsichtbare Behinderung sichtbar zu machen.

Betroffene leiden an Konzentrationsschwäche, Angststörungen, eingeschränkter Wahrnehmung

Schwarz-Weiß-Foto von einem schemenhaft zu erkennenden Menschen. © Andreas Ehrig
Die Fotos der Ausstellung erzählen vom fordernden Alltag der Betroffenen.

Der 44-Jährige, der auch am Rostocker Institut für neue Medien unterrichtet, hatte spontan die Idee, ein Unterrichtsprojekt daraus zu machen: Ich habe aber dann gemerkt, dass das Thema so viel Fingerspitzengefühl braucht und Tiefe hat, dass ich das nicht mit Schülern machen kann und hab dann gesagt, ich hab da eigentlich selber Bock drauf", berichtet Ehrig.

Je mehr er sich in die Hintergründe einarbeitete, desto betroffener machte ihn das. Auch er kennt die alten Sprüche, dass ein Gläschen Wein während der Schwangerschaft schon nicht schadet. Während der Arbeit für die Ausstellung hatte er dann aber eine Reihe von Gegenbeweisen vor Augen. Betroffene, die Mühe haben, sich zu konzentrieren, unter Angststörungen leiden, eine eingeschränkte räumliche Wahrnehmung haben. "Ich finde es unfassbar, wie viele Menschen tatsächlich ein Leid mit sich tragen. Wie viele Familien damit zu tun haben - und das irgendwie nicht öffentlich kommuniziert wird", so der Fotograf.

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Eine Tabuzone in unserer Gesellschaft, in der Alkohol zum Alltag und erst recht zu Festtagen dazu gehört. Die unsichtbare Behinderung sichtbar zu machen - der Fotograf hat zu diesem Zweck 19 Schautafeln mit Schwarz-Weiß-Bildern gestaltet. Ein Gesicht, das von vielen Händen umklammert wird, ein Mädchen im wilden Tanz, ein wütender Schrei - die Fotos in der Ausstellung erzählen von dem anstrengenden Alltag mit der Störung.

Steffen Schuster, Pflegevater eines neunjährigen Jungen, der mit 0,2 Promille das Licht der Welt erblickte, hatte Spaß an dem Foto-Shooting, bei dem ein schönes Gemeinschaftsgefühl spürbar gewesen sei. Und er betrachtet zufrieden die entstandenen Bilder: "Eins, das finde ich richtig gut, denn das ist etwas, was viele auch sehr unterschätzen: die Suchtgefahr", so Schuster. "Da ist von Jacky ein ganz, ganz tolles Foto, wie er den Mund aufgerissen hat und schreit. Das ist schon sehr rührend und zeigt den Konflikt, den diese Personen in sich tragen, den sie aber gar nicht definieren können."

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Konzentrationsschwäche, Angststörungen, gestörte räumliche Wahrnehmung: FASD hat viele Gesichter. "Demenzähnliches Vergessen" steht neben dem Foto von Steffen Schuster und seinem Sohn, denn das ist eines der Hauptprobleme, mit denen er kämpft. Geschrieben ist es in bunten, unlogisch zerhackten Silben. "So ähnlich, ist meine Erfahrung, nimmt Christian, also mein Jung, manchmal die Wörter war, wenn ich mit ihm rede", erzählt Schuster. "Also nicht in einem Zusammenhang, sondern immer nur Fragmente, die er sich selbst wieder zusammensetzen muss. Und das passiert manchmal in der verkehrten Reihenfolge."

Steffen Schuster hofft, dass möglichst viele Menschen die Wanderausstellung sehen. In seinen Augen ist es die Gesellschaft, die sich auf die Betroffenen einstellen muss, denn sie selbst sind dazu nicht in der Lage. Vielleicht könne sie auch die Einstellung zum Nervengift Alkohol verändern, denn FASD lasse sich nun einmal zu hundert Prozent vermeiden, wenn Mütter während der Schwangerschaft die Finger davonlassen.

Die Ausstellung "FASD, die unsichtbare Behinderung" ist noch am 22. und 23. September im Foyer des Rostocker Radisson-Hotels zu sehen, wo gerade eine deutschlandweite Fachtagung stattfindet. Von dort aus soll sie anschließend fünf Jahre lang durch das ganze Land wandern.

 

 

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Art:
Ausstellung
Datum:
Ende:
Ort:
Foyer des Rostocker Radisson-Hotels
Lange Str. 40
18055 Rostock
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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Kulturjournal | 22.09.2023 | 19:00 Uhr

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Schwangerschaft

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