Zwei Journalistinnen Megan Twohey (Carey Mulligan, links) und Jodi Kantor (Zoe Kazan) arbeiten gemeinsam am #MeToo-Skandal um Harvey Weinstein mit einer Zeugin - Szene aus Maria Schraders Drama "She said" ©  Universal Studios.

"She Said": Film über die Aufdeckung des Weinstein-Skandals

Stand: 07.12.2022 06:00 Uhr

Maria Schrader hat einen Film über die Journalistinnen gedreht, die 2017 den Weinstein-Skandal aufgedeckt haben. Für die gebürtige Hannoveranerin ist es die erste Kinoproduktion in den USA.

von Anna Wollner

Als am 5. Oktober 2017 in der "New York Times" ein Artikel über Harvey Weinstein und seinen jahrzehntelangen Machtmissbrauch in Hollywood erschien, ging ein riesiger Ruck nicht nur durch Hollywood. Unter dem Hashtag #metoo haben immer mehr, vor allem Frauen, öffentlich über sexuellen Missbrauch am Arbeitsplatz gesprochen. Viel hat sich seitdem verändert, Harvey Weinstein wurde mehrfach verurteilt.

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Akribische Recherche über Harvey Weinsteins Machtmissbrauch

Am Anfang ist es in "She Said" eine vage Idee, Gerüchte, die die Runde machen, in Hollywood und darüber hinaus. Gerüchte über die Arbeitsweise von Über-Produzent Harvey Weinstein. Die beiden Investigativjournalistinnen Jody Kantor und Megan Twohey versuchen alles, um an handfeste Beweise zu kommen. Beweise über den jahrzehntelangen Machtmissbrauch und sexuelle Übergriffe von Harvey Weinstein, die System hatten und von vielen gedeckt worden sind.

Es ist ein akribisches monatelanges Recherchieren. Puzzlestück für Puzzlestück setzen die Beiden Aussagen von Zeugen und Zeuginnen zusammen, tauchen tief ein in die Unternehmensgeschichte von Miramax, der ehemaligen Produktionsfirma von Weinstein, suchen und finden Frauen, die von Weinstein belästigt und missbraucht worden sind, die sich nicht trauen, ihre Stimme zu erheben, die noch immer, Jahre nach den Vorfällen, schwer traumatisiert und verängstigt sind.

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Gwyneth Paltrow und Ashley Judd kommen zu Wort

Neben den ehemaligen Weinstein-Assistentinnen wie Zelda Perkins oder Rowena Chiu sind es auch Schauspielerinnen, die im Film auftauchen, etwa Gwyneth Paltrow am Telefon. Am prägnantesten ist Ashley Judd: Sie spielt sich im Film selbst und ihre Aussagen waren essentieller Bestandteil des ersten "New York Times"-Artikels.

Ein Glücksfall, so Maria Schrader: "Aus meiner Perspektive ist es so besonders, dass man eine Verabredung zwischen Film und Publikum bricht. Es ist ja ein Spielfilm, man ist daran gewöhnt, dass Schauspieler Rollen spielen - und plötzlich ist die wahre Person da. Ashley Judd entscheidet, wie sie Ashley Judd spielt und Ashley Judd entscheidet, wie sie mit welchen Worten diese Geschichte erzählt. Weil es ihre Geschichte ist."

"She Said": Unaufgeregt, unglamourös, unprätentiös

"She Said" ist kein Standard-Journalist*innenfilm, sondern ein Film mit mehreren Ebenen, ein Kommentar über das eigene System. Schrader durfte mit ihrer Crew als erstes Spielfilm-Team überhaupt in den Büros der "New York Times" drehen. Eine Adelung vorab. Sie spart das Private der Journalistinnen nicht aus, das Hadern, das Zweifeln, das Verzweifeln, die eigene Work-Life-Balance als arbeitende Mütter.

Dabei ist "She Said" wirklich ein Film der Frauen, ohne zu belehrend sein zu wollen oder zu didaktisch. Schrader entlarvt das System Weinstein, ohne ihn auch nur ein einziges Mal voll zu zeigen. Die Drohungen gegen die Journalistinnen kommen übers Telefon - oder seinen Anwalt.

Schrader zeigt Weinstein nur einmal kurz im Anriss von hinten - ein ganz bewusstes Fehlen, so die Regisseurin: "Ich glaube, wir haben genug Vergewaltigungsszenen gesehen, genug Gewalt. Ich wüsste gar nicht, was ich mit solchen Bildern Neues erzählen kann. Ich glaube, es ist sehr interessant, nachdem wir uns so lange und immer wieder um die Täter gekümmert haben, jene Stimmen zu hören, und zwar in voller Länge, die ihre eigenen Geschichten erzählen. Ich glaube, dass auch Bilder in den eigenen Köpfen entstehen und dass es vielleicht einen sogar stärkeren Eindruck hat."

"She Said" ist unaufgeregt, unglamourös, unprätentiös, selbstreflektierend. Der vielleicht wichtigste Film des Jahres, der eines zeigt: Die Frauen haben gemeinsam gewonnen.

She Said

Genre:
Drama
Produktionsjahr:
2022
Produktionsland:
USA
Zusatzinfo:
Mit Carey Mulligan, Zoe Kazan, Patricia Clarkson u.a.
Regie:
Maria Schrader
Länge:
129 Minuten
FSK:
ab 12 Jahre
Kinostart:
ab 8. Dezember 2022

Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Kultur | 07.12.2022 | 07:55 Uhr

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