Stand: 28.09.2022 15:56 Uhr

"Im Westen nichts Neues" in Vorauswahl des Europäischen Filmpreises

von Dirk Fleiter

Das Drama "Im Westen nichts Neues" des gebürtigen Wolfsburgers Edward Berger ist in die Vorauswahl des Europäischen Filmpreises aufgenommen worden. Die Neuverfilmung des Klassikers von Erich Maria Remarque ist auch der deutsche Vorschlag für die Oscars 2023.

Fast 100 Jahre nach der Veröffentlichung von Erich Maria Remarques "Im Westen nichts Neues" startet am Donnerstag erstmals eine in Deutschland produzierte Verfilmung von "Im Westen nichts Neues". Bereits vor dem Kinostart sorgt der Film im Feuilleton und bei den internationalen Filmpreisjurys für viel Begeisterung. Nachdem die Auslandsvertretung des deutschen Films die Produktion bereits als deutschen Kandidaten für die Oscars vorgeschlagen hat, könnte der Film nun auch für den Europäischen Filmpreis nominiert werden. Die Europäische Filmakademie in Berlin teilte am Mittwoch mit, dass das Drama in die Vorauswahl aufgenommen wurde. Die Auszeichnungen sollen dann im Dezember im isländischen Reykjavik verliehen werden.

"Im Westen nichts Neues": Die Grauen des Krieges

1917: Deutsche Soldaten an der Westfront in Frankreich. Hunderttausende von ihnen sterben in zermürbenden Grabenkämpfen. Aber in der Heimat lassen sich noch immer junge Männer - wie der Gymnasiast Paul Bäumer und seine Schulfreunde - für den Kriegsdienst begeistern.

Die Zukunft Deutschlands liegt in den Händen seiner größten Generation. Meine Freunde, das sind Sie. Darum: Auf in den Kampf für Kaiser, Gott und Vaterland. Filmzitat - Lehrer Kantorek

Doch aus der Kriegseuphorie wird keine Heldengeschichte. Schnell lernen die jungen Männer die Grauen des Krieges kennen. "Wir sind mit diesem Horror, mit diesem Verlust, mit dieser Schuld aufgewachsen", sagt Regisseur Edward Berger, der in Wolfsburg geboren und aufgewachsen ist. "Ich habe einfach keinen Bezug zu heldenhaften Soldaten. Das ist eine Perspektive, die ich interessant fand, mit anderen Ländern, mit der Welt zu teilen, die das aus Deutschland heraus erzählt bekommen."

"Im Westen nichts Neues": Für den Oscar vorgeschlagen

Bereits die erste amerikanische Verfilmung von 1930 hat Kinogeschichte geschrieben und gewann zwei Oscars. Die Nazis sahen in ihr eine "Gefährdung des Ansehens Deutschlands" und zensierten sie. 1979 gab es eine weitere Verfilmung in britisch-amerikanischer Koproduktion.

Die neue Verfilmung des Jahrhundertromans "Im Westen nichts Neues" ist die erste deutsche Produktion. Die Verfilmung des Literaturklassikers soll 2023 den Oscar nach Deutschland holen. Die Auslandsvertretung des deutschen Films schlug den Film bei der Oscar Academy als Nominierungskandidaten vor.

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Felix Kammerer (l.) in einer Szene des Filmes "Im Westen nichts Neues" - eine Netflixproduktion © Reiner Bajo Foto: Reiner Bajo

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Felix Kammerers Leinwanddebüt

Der aktuelle Film spiegelt die gnadenlose Brutalität des Kriegsalltags aus der Perspektive seines Hauptdarstellers. Felix Kammerer gibt sein Leinwanddebüt in der Rolle des Paul Bäumer. Der 26-Jährige ist Ensemblemitglied am Wiener Burgtheater. Die Filmproduktion - für ihn ein absolutes Neuland: "Ich wurde ins kalte Wasser geworfen und musste "learning by doing" gucken, wie ich mit so einem Projekt zurande komme."

Fast drei Monate dauerten die kräftezehrenden Dreharbeiten. "Es war sehr nass, das Set war gigantisch", erzählt Kemmerer. "Es waren 120.000 Quadratmeter Schlachtfeld, und dann rennt man den ganzen Tag von A nach B mit 40 Kilogramm Equipment. Da ist der Körper auf Hochleistung gelaufen."

Der Kampf um den letzten Rest Menschlichkeit

Aufwendige Inszenierungen, die den Wahnsinn des Krieges spürbar machen, der Paul und den jungen Soldaten ihre Unschuld raubt. Konfrontiert mit Tod, Hunger und Kälte kämpfen sie um den letzten Rest an Menschlichkeit. "Ich hatte das Glück, dass ich nicht wirklich in den Krieg gezogen bin, aber dann guckst du die Nachrichten und siehst plötzlich, dass es genau das gleiche ist", sagt Hauptdarsteller Kemmerer. "Gerade durch die geografische Lage der Ukraine sieht es ziemlich ähnlich aus, wie das Set, das wir da hatten. Das ist so erschreckend. Gerade deswegen braucht man, glaube ich, wieder so eine Erinnerung daran."

Daniel Brühl spielt Politiker Matthias Erzberger

Bei der Schilderung der Grauen des Krieges bleibt der Film nah an der Romanvorlage. Erich Maria Remarque war selbst an der Westfront, verarbeitete neben seinen eigenen Erfahrungen auch Berichte anderer Kriegsteilnehmer. Abweichend vom Roman zeigt der Film aber auch die historischen Verhandlungen zwischen Deutschland und Frankreich. Schwere Verluste zwingen die Delegation um den Politiker Matthias Erzberger, gespielt von Daniel Brühl, zur Kapitulation - gegen den Widerstand der deutschen Militärs.

"Das sind keine Verhandlungen, das ist ein Diktat."
"Was uns jetzt noch von einem Waffenstillstand trennt, ist nur noch falscher Stolz. Wir werden nun die Suppe auslöffeln, die Sie und ihre Feldherren uns eingebrockt haben. Aber wenn sie lieber abreisen würden: bitte schön. Wir bleiben hier." Filmzitat

Kriegspropaganda verliert nicht an Aktualität

Erzbergers Einsatz für das Ende der Kampfhandlungen ist der verzweifelte Versuch, die menschenverachtende Logik des Krieges endlich zu durchbrechen. "Wir haben das alles schon mal durch", sagt Berger. "Man merkt, wie die Demagogen junge Menschen verführen und wieder in den Krieg ziehen, die völlig unschuldig und unbewusst darein ziehen, das überhaupt nicht verstehen und beeinflusst werden durch Propaganda, so dass das Thema anscheinend nicht an Aktualität verliert."

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | NDR Kultur - Das Journal | 26.09.2022 | 22:45 Uhr

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