Der Regisseur Hark Bohm steht 2019 auf einem Fähranleger in Hamburg. © picture alliance/dpa Foto: Ulrich Perrey

Hark Bohm: Der norddeutsche Vater des Autorenfilms

Stand: 24.04.2024 16:22 Uhr

Sein Vater drängte ihn zum Jurastudium, doch Hark Bohm wollte lieber Geschichten erzählen - und wurde einer der bekanntesten Filmemacher Deutschlands. Der Drehbuchautor, Regisseur, Schauspieler und Produzent lebt in Hamburg. Im Mai wird er 85 Jahre alt.

Geboren 1939 in Hamburg-Groß Flottbek, verbringt Hark Bohm seine Kindheit bei seinem Großeltern auf der Nordseeinsel Amrum. Er soll dort dem Krieg entgehen. Die Insel, die Natur, das Dörfliche und der weite Horizont prägen ihn tiefgreifend: "Da hatte man nicht mal ein Radio. Man hatte das, was die Omas erzählten", so Hark Bohm heute.

Nach Abitur und Studium in Hamburg geht er für sein Referendariat Ende der 1960er-Jahre nach München. Dort bekommt er über seinen Bruder, den 2006 verstorbenen Schauspieler und Drehbuchautor Marquard Bohm, Kontakt zu jungen Filmschaffenden. "Es gab Kneipen, in denen man zusammen hockte. Und so fing man an, herumzuspinnen", erinnert sich Hark Bohm.

Keimzelle des Neuen Deutschen Films

Er lernt die jungen Filmemacher Rainer Werner Fassbinder, Werner Herzog und Volker Schlöndorff kennen und spielte in ihren Filmen Nebenrollen, so etwa in den Fassbinder-Filmen "Der Ehe der Maria Braun" (1978) und "Berlin Alexanderplatz" (1980).

Hark Bohm am 10.04.1976 in der Aktuellen Schaubude. © NDR/Müller Foto: Müller
Der junge Filmemacher Bohm - hier 1976 in der "Aktuellen Schaubude" - bringt politische und sozialkritische Themen ins Kino.

Doch auch die Arbeit hinter der Kamera fasziniert ihn. Mit Wim Wenders, Hans W. Geissendörfer und anderen Autorenfilmern gründet Hark Bohm 1971 den Filmverlag der Autoren. Der Filmverleih versteht sich als Gegenmodell zur auf seichte Unterhaltung ausgelegten deutschen Filmindustrie. Der Filmverlag entwickelt sich zur Keimzelle des Neuen Deutschen Films, der für seinen politischen Anspruch bekannt wird - und dafür, dass die Regisseure ihre Drehbücher weitgehend selbst schreiben.

Erste Spielfilme handeln von Jugendthemen

1972 dreht Hark Bohm mit "Tschetan, der Indianerjunge" seinen ersten großen Spielfilm: Das Regiedebüt wird mehrfach ausgezeichnet. Sein Kameramann ist Michael Ballhaus - für den jungen Regisseur ein Glücksfall, Ballhaus habe ihm das Filmen beigebracht, so Bohm. "Der erklärte mir erst, wie man ein Bild auflöst." 1975 und 1977 folgen mit "Nordsee ist Mordsee" und "Moritz, lieber Moritz" sozialkritische Jugendfilme. Bis heute genießt "Nordsee ist Mordsee", die Geschichte zweier jugendlicher Ausreißer, zu der Udo Lindenberg die Filmmusik verfasste, Kultstatus.

Hark Bohm als Lehrer und Drehbuchautor

Regisseur Fatih Akin und Autor Hark Bohm in der Akademie der Künste in Hamburg. © dpa picture alliance Foto: Markus Scholz
Mit dem Hamburger Regissseur Fatih Akin ist Hark Bohm freundschaftlich verbunden.

1979 initiiert Hark Bohm zusammen mit den Regisseuren Werner Herzog, Volker Schlöndorff und Wim Wenders das Filmfest Hamburg. 1992 gründet er den Studiengang Film der Universität Hamburg, der 2004 in die Hamburg Media School integriert wird und hat dort auch einen Lehrstuhl inne. Ab 1992 hat er dort auch eine Professur inne. Viele seiner Studentinnen und Studenten werden später selbst bekannt.

2016 schreibt Bohm gemeinsam mit dem Hamburger Regisseur Fatih Akin und Lars Hubrich das Drehbuch zur Verfilmung des Romans "Tschick" von Wolfgang Herrndorf. Gemeinsam mit Akin entsteht auch das Drehbuch zu "Aus dem Nichts" (2017), für das Akin und Bohm 2018 mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet werden. Aktuell entsteht auf Amrum, in Dänemark und in Hamburg die neue Zusammenarbeit Akins und Bohms: "Amrum". Der Spielfilm basiert auf den Kindheitserinnerungen Bohms auf der Nordseeinsel.

Hark Bohm privat: Hobbyornithologe und Segler

Hark Bohm und seine Frau Natalia Bowakow bei der Verleihung des Deutschen Filmpreises 2018. © imago images Foto: Tinkeres
Hark Bohm mit seiner Frau Natalia Bowakow 2018 bei der Verleihung des Deutschen Filmpreises.

Mit seiner Frau, der Mongolei stammenden Filmproduzentin Natalia Bowakow, zieht Hark Bohm sechs Adoptiv- und Pflegekinder auf, darunter Uwe Bohm, der bereits eine Hauptrolle in "Nordsee ist Mordsee" spielte und später als Schauspieler bekannt wird. Neben der großen Leidenschaft für den Film und für seine Familie hat Hark Bohm vor allem zwei weitere Interessen: das Beobachten von Vögeln und das Segeln. Der 84-jährige lebt mit seiner Frau in Hamburg.

Weitere Informationen
Der Schauspieler Uwe Bohm - hier bei der 70. Berlinale - ist im Alter von 60 Jahren am 9. April 2022 gestorben © EYE/RenexduxVinagex POP-EYER

Uwe Bohm ist tot: Schauspieler starb an plötzlichem Herztod

Der gebürtige Hamburger spielte unter der Regie von Peter Zadek jahrelang am Deutschen Schauspielhaus. Auch im Tatort wirkte er mit. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Der Talk | 09.04.2022 | 15:40 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Porträt

Spielfilm

Eine junge Frau sitzt auf einem Bett, zwei Männer sitzen am Bettrand neben ihr und lächeln (Szene aus "Challengers" von Luca Gadagnino mit Zendaya) © Niko Tavernise / 2023 Metro-Goldwyn-Mayer Pictures Inc.  All Rights Reserved. Foto: Niko Tavernise

Filme 2024: Diese Highlights kommen ins Kino

2024 locken Blockbuster wie "Alles steht Kopf 2" und "Gladiator 2" ins Kino. Auch von Nora Fingscheidt, Ridley Scott und vom "Joker" gibt's Neues. mehr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Mehr Kultur

"Die Zweiflers" (v. li. n. re.): Lilka (Ellanor Rissa), Saba (Saffron Marni Coomber), Samuel (Aaron Altaras), Leon (Leo Altaras) und Mimi (Sunnyi Melles) © ARD Degeto/HR/Turbokultur Foto: Elliott Kreyenberg

Mediathektipps: "Die Zweiflers", "Borders" und "ABBA"

Es geht um eine Serie über eine jüdische Familie in Frankfurt, eine Serie aus Israel und eine Doku über die Popgruppe ABBA mehr