Demis Volpi steht während einer Pressekonferenz im Hamburger Ballettzentrum mit verschränkten Armen vor einer Statue © Georg Wendt/dpa

John Neumeiers Nachfolger Demis Volpi: "Bin ein anderer Künstler"

Stand: 14.11.2022 17:19 Uhr

Demis Volpi ist derzeit Ballettdirektor und Chefchoreograf beim Ballett in Düsseldorf. Im August 2024 kommt er als Ballettintendant nach Hamburg. Ein Besuch bei John Neumeiers selbstbewusstem Nachfolger.

von Annette Matz

Wer ist der Mann, der sich traut, das heilige Erbe John Neumeiers anzutreten? Demis Volpi folgt einem Ballettchef, der 50 Jahre lang die Geschicke einer erstklassigen Compagnie in der Hand hatte, internationale Erfolge feiert und hoch verehrt wird. 

"Eigentlich ist das größenwahnsinnig"

Die Fußstapfen sind riesig. Das weiß Demis Volpi. Bei der ersten Anfrage sei er dann auch erst einmal erschrocken gewesen. Auch in dem langen Entscheidungsprozess hätte es Momente gegeben, wo er dachte: "Eigentlich ist das größenwahnsinnig, was ich hier mache." Viel später habe es ein sehr offenes Gespräch mit John Neumeier selbst gegeben. Das habe etwas verändert, sagt Volpi: "Da hatte ich das Gefühl, es gibt eine Chance." Und auch Neumeier habe ja irgendwann mal angefangen, war zum Start beim Hamburg Ballett sogar noch jünger als der jetzt 36-jährige Volpi. 

Erfolg mit Handlungsballett "Krabat"

Die Generalprobe zu "Krabat" kurz vor der Premiere in Düsseldorf gibt Einblicke in Volpis choreografische Handschrift. Mit diesem Handlungsballett landete er schon 2013 einen Publikums-Hit. Damals noch als einer der Haus-Choreografen beim Ballett in Stuttgart. Volpis Compagnie ist jung und ausdrucksstark. Im Mittelpunkt steht, eine Geschichte zu erzählen und eine andere Welt zu erschaffen. Dass das auf Spitzenschuhen und mit einer Tanzcompagnie passiert, erscheint fast ein bisschen nebensächlich. So selbstverständlich schmiegt sich die Choreografie an die Ereignisse an.

Demis Volpi: Teamplayer und Geschichtenerzähler

Erst seit 2020 ist Demis Volpi Ballettdirektor in Düsseldorf. Er musste seine Compagnie sofort durch die Corona-Zeit führen. Man spürt, dass er seiner Arbeit und seinem jungen Ensemble sehr nah ist. Ihnen zu sagen, dass er geht, sei schwierig gewesen. Volpi ist ein Teamplayer. Er brauche den Dialog, sagt er, Austausch sei für ihn der Kern seiner Arbeit und den werde er auch in Hamburg kultivieren: "Das kann eine Bereicherung für alle sein." Für das "Krabat"-Projekt etwa hat Demis Volpi eine junge Dirigentin engagiert, tauscht sich eng mit einer Lichtdesignerin aus.

John Neumeiers Nachfolger: Ballett als Berufung 

Das Ballett ist seine Berufung. Nach seiner Work-Life-Balance gefragt, antwortet er, dass ihn je nach Arbeitsphase der Schlaf regelrecht störe. Volpi tanzt seit seinem vierten Lebensjahr, ist in Argentinien geboren und dann über das Ballett in Kanada nach Stuttgart gekommen. Das Stuttgarter Ballett ist für viele heute erfolgreiche Ballettintendanten so etwas wie eine Kaderschmiede. Mario Goecke zum Beispiel, Intendant in Hannover, war da. Neumeier hat in Stuttgart auch seine ersten Choreografien gemacht - genau wie Volpi. 

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"Ich habe etwas zu geben"

Demis Volpi ist ein selbstbewusster Künstler, mit innerlicher Klarheit und Ruhe gesegnet. "Ich habe etwas zu geben. Sonst würde ich nicht das tun, was ich mache", sagt er. Und mit Blick nach Hamburg: "Ich denke, ich kann etwas dazu beitragen, dass sich auch diese Compagnie weiter in die Zukunft entwickelt."

Schon jetzt plant Volpi für Hamburg. Fragt Gäste an für seine erste Spielzeit. Vermutlich wird es auch in der Compagnie Bewegung geben. Das sei normal bei so einem Wechsel. Volpi wünscht sich allerdings schon, dass viele bleiben. Denn Neumeiers Ballette werden ja auch unter Volpis Intendanz zu erleben sein, "und die muss ja jemand tanzen", sagt er.

"Es ist nicht meine Aufgabe, John Neumeier zu ersetzen"

An Hamburg liebt Demis Volpi den Wind und ein französisches Café um die Ecke vom Rathaus. Da sei man unter Leuten, aber könne sich auch gut verstecken und untertauchen. Das bleibt wahrscheinlich nicht mehr lange so, wenn er erst einmal hier ist. Als neuer Ballettintendant ist er eine der wichtigsten Kulturpersönlichkeiten der Stadt. Traditionen, bei denen sich das Publikum zuhause fühlt, wolle er beibehalten. Wie die Ballettwerkstatt zum Beispiel. Klar sei aber, dass es nicht seine Aufgabe sei, John Neumeier zu ersetzen: "Ich bin ein anderer Künstler. Ich nehme jetzt die Fackel in die Hand und zeige den Weg für fünf Jahre." Er hoffe, dass die Menschen ihm folgen, mit ihm gemeinsam einen Weg entdecken und "im Gespräch bleiben." 

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Dieses Thema im Programm:

NDR 90,3 | Kulturjournal | 14.11.2022 | 19:00 Uhr

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Tanz

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