Abschied vom Polittbüro: Hamburger Kabarett-Ära geht zu Ende
Am Hamburger Steindamm gibt seit vielen Jahren die Kabarettbühne das Polittbüro. Der Name ist Programm: Links. Politisch. Kritisch-engagiert. Nun gehen Lisa Politt und Gunter Schmidt in Rente.
Geht damit eine Ära zu Ende? Knallrote Haare, Pferdeschwanz, große Klappe - besonders, wenn Männer im Spiel sind. "Und denk' an das generische Femininum. Noch zehn Sekunden. Mach's einfach wie immer: Lies, was im Teleprompter steht." Lisa Politt ist eine Marke, hier in der ZDF -Kabarettsendung "Die Anstalt".
Anfänge des Polittbüros in den 80er-Jahren mit Gunter Schmidt
Angefangen hat sie bei "Herrchens Frauchen" in den 80er-Jahren, zusammen mit Gunter Schmidt. Sie laut, er eher leise: "Gunter kam vom Schwulentheater und ich war eine Emanze, die eine Band gesucht hat. Wir haben eine Symbiose.", erzählt Lisa Politt. "Würde ich nicht auf der Bühne stehen, dann wäre ich vielleicht Politikerin geworden. Da kann man nur froh sein, dass wir uns damals getroffen haben."
Trauer ums Polittbüro
Alles Schnee von gestern. "Die Fregatte geht ins Trockendock" ätzt Lisa Politt über den neuen Schongang, den sie sich und ihrer Gesundheit verordnet hat. Wenn es richtig weh tut, wird die Kabarettistin laut - wenn sie etwa eine "Stammkundin" zitiert, die Karten kaufen wollte: "Ich bin latent depressiv. Mein Arzt hat gesagt: Geh' mal zu "Herrchens Frauchen". Mir helfen keine Tabletten. Habt ihr sie noch alle?"
Auch andere jammern. Der Kultursenator lobt das bissige politische Kabarett, das hoffentlich bleiben wird. Für Corny Littmann, den legendären Begründer von Schmidt's Tivoli auf der Reeperbahn, geht einiges verloren: "Ein Ort an dem experimentelles, innovatives, gewagtes, sehr schräges Kabarett geboten wurde."
Kabarett ans junge Publikum anpassen
Littmann wird ganz melancholisch über die langen gemeinsamen Theaterjahre - und das auch für ihn nahende Rentenalter. Die Herausforderung wird also das neue, zukünftige, junge Publikum sein.
"Der Kabarett, den es in den 70er-Jahren bis 90er-Jahren gab, den gibt es nicht mehr. Das Publikum gibt es nicht mehr. Deswegen muss man etwas verändern": Ab September macht Michel Abdollahi das Programm am Steindamm. Ein smarter Talk-Show-Gastgeber, Veranstalter von Poetry-Slams und Initiator politisch-brisanter Aktionen. Mit seinem Film "Im Nazidorf" gewann er den Deutschen Fernsehpreis. "Slam Poetry, das werden wir so weiterführen" sagt Abdollahi. "Einige sagen: Ich bin Humorist. Andere Comedian oder Comedienne. Keine Ahnung - was soll Kabarett sein? Ich komme aus dem Iran. Für mich ist Kabarett das, was im Lido ist."
Michel Abdollahi wird neuer Impresario ab September
Abdollahi schätzt alte Berufsbezeichnungen wie Conférencier und Impresario für sich. Als ein solcher Theaterdirektor will er ab September "die Tür aufmachen" am Steindamm. Einen neuen Namen für sein Theater hat er noch nicht, aber Kurt Krömer wird unter den ersten Künstlern sein. Der wäre auch ins Polittbüro gekommen: "Stand-Up, Comedy Slam Poetry. Das haben die alles gemacht", erzählt Abdollahi. "Wir haben von denen gelernt. Und das werden wir genauso weiterführen."