Die traurige Geschichte des Gorillas Fritz und seiner Nachfahren
Anhand des Lebens eines berühmten Gorillas erzählt Jenny von Sperber in "Fritz, der Gorilla" die Geschichte der Haltung von Menschenaffen in Zoos. Das Buch ist nominiert für den NDR Sachbuchpreis.
Über 800 Zoos gibt es in Deutschland. Und viele Menschen gehen gern dorthin, manche haben Lieblingstiere, denen sie regelmäßig Besuche abstatten. Die dort lebenden Wildtiere sind genau das: Wildtiere. Sie werden in einer artfremden Umgebung unter ebenso artfremden Bedingungen gehalten.
"Fritz, der Gorilla": Jenny von Sperber erzählt von Menschenaffen im Zoo
Auf der anderen Seite sind Zoos mittlerweile mit ihren unterschiedlichen Zuchtprogrammen ein wichtiger Baustein für aktuelle oder künftige Auswilderungsprojekte für vom Aussterben bedrohte Tiere. Darüber und über vieles mehr hat Jenny von Sperber geschrieben: Vor dem Hintergrund des Lebens eines berühmten Gorillamannes, erzählt von Sperber die Geschichte der Haltung von Menschenaffen in Zoos.
Fritz, der Gorilla, ist ein sogenannter Wildfang. Geboren 1963 in Kamerun, wird er im Alter von drei Jahren von Wildhändlern an den Münchner Tierpark Hellabrunn verkauft. Wahrscheinlich hat man seine Familie getötet. Die Menschenaffen verteidigen ihren Nachwuchs. Gorillas sind in Mode damals. Jeder Zoo will einen haben. Skrupel kennt man kaum.
Gorillas sind Mode in den Zoos
Fritz hält man zunächst für ein Mädchen, überhaupt gibt es nur spärliche Kenntnisse über die Lebensgewohnheiten von Gorillas. "Als Fritz nach München kam, hat man den Affen sogar noch Löffel zum Essen in die Hand gegeben oder man hat die Vegetarier mit Fleisch gefüttert. Man wusste praktisch nichts über sie", sagt von Sperber.
Mittlerweile gebe es Forscher, die mit Gebärdensprache mit Affen kommunizieren könnten. "So ähnlich sind wir uns. Wir sind uns im Wissen und im Verständnis im Umgang miteinander schon nähergekommen."
Über sechs Jahre lang hat von Sperber die Lebensgeschichte von Fritz recherchiert - und auch die seiner Kinder und Enkelkinder, von denen eines, Zazie, im Zoo Hannover lebt. "Es ist letztendlich eine Familiensaga über besondere Gorillatypen und Persönlichkeiten, die viel erlebt haben." Und irgendiwe auch "ein Buch über Menschen", sagt von Sperber. "Weil wir Menschen im Laufe von Fritz' Leben sehr viel über Gorillas gelernt haben und uns so nähergekommen sind - und ich mitgelernt habe."
1970: Gorilla Fritz wird zum Liebling im Nürnberger Tiergarten
Am 2. November 1970 zieht Fritz in den Nürnberger Tiergarten um. Er wird zum Publikumsliebling, Nürnberg bleibt seine Heimat bis zum Lebensende. Ab und an bekommt er auch mal ein Bier, man möchte ihn verwöhnen. Lange Jahre lebt Fritz auf Kacheln, Beton und Holzwolle. Außengehege werden erst nach und nach populär. Dann beginnen die Reisen. Immer wieder wird Fritz an andere Zoos ausgeliehen, um für Nachwuchs zu sorgen. Doch nur in Nürnberg wird er tatsächlich Vater. Die Babys nimmt man den Müttern weg, um sie von Hand aufzuziehen.
Die Zoomitarbeiter wussten nicht, dass sie einen Fehler machten. Dass es für die kleinen Gorillas im Leben sehr schwer werden würde, wenn sie wie Menschenkinder großgezogen werden. Sie sehen sich später weder als Mensch noch als Affe, bleiben zwischen den Welten. Zitat aus dem Sachbuch
Grenze zwischen Silberrücken und Menschen ist erstaunlich unscharf
Jenny von Sperber hat mit vielen Pflegern und Weggefährten von Fritz gesprochen. In deren Erzählungen über den Silberrücken wird die Grenze zwischen Mensch und Tier mitunter erstaunlich unscharf. Wir wissen heute, dass Menschen und Gorillas zu 98,05 Prozent identische Gen-Sequenzen haben.
Kann man, darf man die Menschenaffen mit diesem Wissen in Zoos halten? "Als Fritz nach München kam, war das gerade mal 40 Jahre her, dass man noch Menschen ausgestellt hat in Zoos. Ich frage mich immer, wie viele von den Menschen, die damals diese anderen Menschen angeguckt haben, wohl ein ähnliches Gefühl hatten?" Das müsse sich irgendwann verändert haben, diese Auffassung und dieses Selbstverständnis. "Irgendwann gab es mit Sicherheit auch Leute, die da standen und sich sagten: 'Das ist doch komisch! Die sitzen da und wir glotzen die an.'", sagt Jenny von Sperber.
Durch die Augen von Fritz sehen wir, wie sich die Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten verändert hat. Seine Geschichte weist aber auch in die Zukunft und macht klar, wie wichtig eine Debatte über die Sinnhaftigkeit und den Nutzen von Zoologischen Gärten ist.
Fritz, der Gorilla
- Seitenzahl:
- 228 Seiten
- Genre:
- Sachbuch
- Zusatzinfo:
- Biografie eines faszinierenden Menschenaffen
- Verlag:
- Hirzel
- Veröffentlichungsdatum:
- 19. April 2022
- Bestellnummer:
- 978-3-7776-2969-8
- Preis:
- 20 €