Geschichten aus der dänischen Provinz voller schräger Figuren
Im dritten Band seiner "Himmerlandsgeschichten" erzählt der Däne Johannes V. Jensen voller Humor, Liebe und Melancholie Geschichten über Käuze aus der Provinz - und über den Aufbruch in die Moderne.
An manche Literaturnobelpreisträger erinnert sich schon wenige Jahre nach der Verleihung kaum noch jemand. Sebastian Guggolz versucht in seinem Verlag solche Schätze, wie es die Bücher großer vergessener Autoren sein können, zu heben - vor allem aus dem skandinavischen Sprachraum. Der dänische Dichter Johannes Vilhelm Jensen erhielt 1944 den Literaturnobelpreis.
"Neue Himmerlandsgeschichten": 18 Geschichten aus der Provinz
Einen Band mit einzelnen Geschichten vorzustellen, ist immer eine besonders knifflige Sache. Entweder man bleibt angesichts von - wie in diesem Fall - 18 ganz verschiedenen Erzählungen allgemein in der Beschreibung oder man wählt ein-zwei Geschichten beispielhaft aus, um Lust darauf zu machen, auch die übrigen lesend zu erobern - was bei Johannes Jensen in der fabelhaften Übersetzung von Ulrich Sonnenberg ein wahrlich großes Vergnügen ist.
Ich entscheide mich hier für zwei Geschichten. Eine handelt von einem Pastor, dem von seiner jungen Frau Hörner aufgesetzt wurden.
In Jütland erinnert man sich noch lange an den starken Pastor von Ulbjerg und seine gewaltige Stimme. Man erzählte sich die üblichen Geschichten von den schier übermenschlichen Kräften des Pastors, die auch anderen zugeschrieben wurden. War etwas Schweres anzuheben, legte er wie zufällig einen Arm darunter und ersetzte so ein paar Männer; ein Pferdegespann hatte er samt Kutsche aus dem Morast gezogen … Zitat aus dem Buch
Frau des Pastors ist schwanger von einem Nebenbuhler
In Wut geraten soll er einmal seine Frau den Kirchturm hinauf geschleppt haben und sie aus allen Himmelsrichtungen aus den Schalllöchern herausgehalten und geschüttelt haben. Das war, als er erkannte, dass seine Frau in anderen Umständen war, aber nicht von ihm.
Als der Pastor den Umfang seiner Schande erkannte und sie zum ersten Mal in ihrer Gesamtheit überblickte, kochte dem stattlichen Mann das Blut vor Zorn, doch er behielt einen kühlen Kopf. Zitat aus dem Buch
Der Pastor liebt seine schöne Brigitte. Er hatte sie nicht angerührt in den ersten Jahren seiner Ehe, weil sie ihm so rein und unschuldig schien. Die Geschichte endet mit einem Bild der gesamten Familie, in der dann noch viele gemeinsame Kinder geboren wurden. Ein Junge steht auf dem Bild und gehört bei genauer Betrachtung nicht so recht dazu. So erzählt Jensen immer von den Brüchen oder auch kleinen Haarrissen im Leben seiner Helden und Antihelden.
Däne Johannes V. Jensen erzählt vom Auswandern
In einer anderen Geschichte geht es um das Auswandern aus einer alten Kultur, die den Emigranten nicht länger ernähren kann und dem niemals Ankommen in einem anderen Land:
Wie viele sind freiwillig und mit verbundenen Augen über den Atlantik ihrer Auslöschung als Mensch entgegengegangen, um sich als Dänen zu verlieren und mit anzusehen, wie ihre Kinder - wenn es gut geht und sie Amerikaner werden - in einer anderen Klasse verschwinden. Niemals wächst ein Auswanderer über sich selbst hinaus, für ihn gibt es kein Zurück, er wird es jedoch nie begreifen. Zitat aus dem Buch
Vom schmerzhaften, befreienden Ausbruch in die Moderne
Der Himmerländer, und alle, die es werden wollen, bekommen hier bei Johannes Jensen einen Spiegel vorgehalten. Die Geschichten beschreiben voller Melancholie eine untergehende Epoche.
Jensen lebte von 1873 bis 1950 und erlebte das, was man so nüchtern: "Strukturwandel" nennt. Ein krisenhafter, vielleicht auch befreiender Aufbruch in die Moderne, der allerdings nicht schmerzlos in eine andere Zeit überging.
Von diesen Schmerzen erzählt Jensen mit besänftigendem Humor, Augenzwinkern und Liebe zu den Menschen in den Himmerlandsgeschichten.
Neue Himmerlandsgeschichten
- Seitenzahl:
- 340 Seiten
- Genre:
- Roman
- Verlag:
- Guggolz
- Bestellnummer:
- 978-3-945370-37-7
- Preis:
- 25 €