Rufus Beck: "Hatte ähnliches Leben wie Harry Potter"
Schauspieler, Produzent und Hörspiel-Sprecher Rufus Beck ist untrennbar mit dem Erfolg der "Harry Potter"-Saga in Deutschland verbunden. Ein Gespräch aus dem Jahr 2020 über die Romanfigur Harry Potter.
Harry Potter als Romanfigur feiert den 40. Geburtstag. Herr Beck - würden Sie ihm im realen Leben wünschen?
Rufus Beck: Was man jedem Menschen wünschen würde. Glück, Gesundheit, Frieden und Bei-sich-Sein.
Harry hat eine Menge durchgemacht im Laufe seines Lebens. Besteht die Chance, dass er mit 40 Jahren ein glückliches Leben führt? Was glauben Sie?
Beck: Ich habe ein ähnliches Leben gelebt wie Harry Potter, deswegen kenne ich die Internatszeit. Ich bin auch genau in diesem Alter ins Internat gekommen. Und habe dann meinen Abschluss gemacht. Ich weiß, wie es in einem Internat läuft, welche Freunden man haben muss. Welche Seilschaften es gibt, welche Feindschaften und Rivalitäten man überleben muss. Das ist schon eine harte Schule - auch, abseits der Eltern zu leben. Man sucht sich dann selbst seine Familie. Das kenne ich alles. Vielleicht ist mir Harry Potter bei der Produktion damals deshalb so nahe gewesen.
Wir werden natürlich enorm geprägt von der Kindheit, aber auch durch die Jugend. Harry scheint eine sehr gute Basis zu haben. Er ist charakterlich sehr fest. Er ist auch bescheiden gewesen. Er hatte immer Schwierigkeiten damit, seine Sonderrolle in dieser magischen Welt anzunehmen und hat seine Verdienste heruntergespielt. Letztendlich ist er ein liebenswürdiger, hilfsbereiter und sehr mutiger Mensch. Ich denke, diese charakterlichen Eigenschaften werden ihn ein Leben lang begleiten. Die Chancen, dass er alt und glücklich wird, und seinen Weg geht, sind sehr hoch.
"Von Anfang an hat mich 'Der Stein der Weisen' fasziniert"
Vor allem durch Ihre Interpretation sind ja auch die Hörbücher zu einem Erfolg geworden, zu etwas eigenem. Wie haben Sie damals den Erfolg erlebt?
Beck: Als mir das angeboten wurde, hatte ich für den Bayerischen Rundfunk öfter Kindersendungen gemacht. Das Medium Hörbuch war Ende der 90er-Jahre weit vom Boom entfernt. Dann bekam ich dieses Angebot und hatte dieses Buch gelesen. Ich wusste aber nicht, dass da noch sechs weitere Bücher folgen würden. Ich war sehr angetan von dieser wunderbaren Geschichte. Von Anfang an hat mich der erste Band "Der Stein der Weisen" fasziniert. Ich fand es eine großartige Idee, zu behaupten, dass wir unter Magiern leben, diese aber nicht erkennen können. Falls wir in Gefahr geräten, einen Zauberer zu identifizieren, käme sofort das Ministerium für Erinnerungslöschung. Das heißt, es gibt eine Parallelwelt. Diese ist eine alte viktorianische oder eine mittelalterliche Welt, die in der Zauberschule Hogwarts stattfindet. Harry ist anfangs zehn Jahre alt, hat Geburtstag, bekommt einen Brief und soll in Hogwarts aufgenommen werden. Seine Verwandten, vor allem Tante Petunia, gehen nicht so gut mit ihm um. Als ich das damals las, dachte ich: "Oh, das ist ein wunderbares Kinderbuch!" Ich hatte mir ausbedungen, es nach Lust und Laune zu interpretieren.
Man hatte mir vollkommen freie Hand gelassen. Mir war damals überhaupt nicht klar, dass das so ein Hype werden würde. Wenn ich ehrlich bin, ist mir erst in den letzten Jahren bewusst geworden, was das für eine Auswirkung hatte. Die heute Anfang 30-Jährigen sind mit meinen Hörbüchern groß geworden. Manchmal stehe einem 30-jährigen Menschen gegenüber, der mir erzählt, dass er zehn Jahre mit meinen Hörbüchern verbracht hat (lacht). Das finde ich berührend, aber es macht mich ein bisschen unsicher. Ich denke: "Meine Güte, ist das schon so lange her?" Auf jeden Fall ist es ein großes Geschenk gewesen, dieses Epos gestalten zu dürfen.
Unter normalen Umständen hätte man den Schluss des siebten Bandes gelesen, bevor man mit der ersten anfängt vorzulesen. In diesem Fall ging das nicht. War es eine glückliche Fügung, dass das Buch sich erst entwickelte und mit großer Spannung erwartet wurde?
Beck: Es gab damals keinen Film und die Bücher sind später auch zeitgleich mit dem Hörbuch herausgekommen. Das Problem wäre gewesen: Was wäre passiert, wenn in irgendeinem der Bände etwa der Haus-Elf Dobby die Hauptfigur gewesen wäre? Das hätte man nicht 400 Seiten lang ausgehalten: Den hatte ich mit einer sehr unangenehmen, weinerlichen, sehr hohen Stimme angelegt, weil die Figur nervt. Und gleichzeitig tut sie einem leid. Das muss man akustisch umsetzen. Hagrid hat beispielsweise eine sehr tiefe, leicht norddeutsch angehauchte Stimme. Ich habe ihn damals angelegt als Hamburger Harley-Davidson-Fahrer. Diese Figur ist immer tiefer und liebenswürdiger geworden. Bei Dumbledore war es der umgekehrte Fall, der hatte am Anfang eine fast verschnupfte, kränkliche Stimme, die wurde bis zum letzten Band immer weiser. Ruhiger, langsamer und fast nicht mehr hörbar. Wichtig für die Interpretation war nur, dass der Held Harry Potter ziemlich normal geblieben ist.
Wüssten Sie, wie der 40-jährige Harry Potter sprechen würde?
Beck: Der würde genauso klingen wie ich jetzt. Ohne sich zu verstellen. Stimmen können ja sehr jung bleiben. Nach dem Stimmbruch verändert sich die Stimme nicht mehr so schnell wie der Körper und das Aussehen.
Wie stolz sind Sie auf Ihre Hörbuch-Interpretation der "Harry Potter"-Buchreihe?
Beck: Es bestätigt etwas in diesem Metier: dass - wenn man frei und naiv sein Ding macht, wenn man in sich hineinhört - dass es vielleicht ein Erfolg wird. Wäre es eine Disney-Produktion gewesen, hätte man sich genau überlegt, wie man alles anlegt, damit es möglichst viel Publikum erreicht. Hier kamen die Figuren wirklich aus mir heraus.
Ich gehöre zu den ganz wenigen, die noch nie einen "Harry Potter"-Film gesehen haben. Ich selbst habe in meine Hörbücher nie hineingehört. Zum einen, weil mir die Zeit fehlt und ich zum anderen, ehrlich gesagt, Angst hatte, dass mir viele Dinge nicht gefallen und ich sie nicht korrigieren kann. Nicht, weil ich ein Perfektionist bin - aber die Arbeit hat sich so entwickelt. Erst mit den späteren Bänden ist die Geschichte runder geworden, auch in meiner Interpretation. Vielleicht habe ich irgendwann Zeit, sie mir anzuhören. Es sind ja fast 130 CDs. So lange kann man nicht in den Urlaub fahren, bis man das alles gehört hat.
Das Gespräch führte NDR Kultur Moderator Philipp Schmid.