Ein Komet fliegt durch das All © NASA

Stichtag: Jahrhundertkomet rast auf die Erde zu - oder doch nicht?

Stand: 22.03.2023 00:01 Uhr

Ein Hamburger sah es zuerst: Das Licht des fortan als "Jahrhundertkometen" angekündigten C/1973 E1. Vor 50 Jahren fing der tschechische Astronom Luboš Kohoutek den Kometen mit dem Teleskop der Sternwarte in Bergedorf endgültig ein.

von Annika Feldmann

Am 21. März 1973 fiel das Licht eines Himmelskörpers in das Teleskop der Hamburger Sternwarte in Bergedorf und hinterließ einen nebligen, aber erstaunlich hellen Fleck auf der Aufnahme des tschechischen Astronoms Luboš Kohoutek. Das Bild bestätigte die Annäherung eines "Jahrhundertkometen", den Kohoutek, zufällig auf zwei früheren Aufnahmen entdeckt hatte. Er gab ihm den Namen C/1973 E1.

Kometenschweif unbekannten Ausmaßes

Ein Mann sitzt vor einem Mikrofon © NASA
Der tschechische Astronoms Luboš Kohoutek entdeckte in Bergedorf den Jahrhundertkomet.

Das Erstaunliche: Obwohl der Komet noch knapp 800 Millionen (777 908 927.64) Kilometer (5,2 AE) von der Sonne und etwa 630 Millionen (628 311 056.94) Kilometer (4,2 AE) von der Erde entfernt war, leuchtete er hell. Die Berechnungen seiner Laufbahn legten nahe, dass C/1973 E1 um den 28. Dezember der Erde am nächsten kommen und eine hohe Lichtintensität entwickeln würde: ein "Weihnachtskomet" von erstaunlicher Strahlkraft. Was folgte, war eine regelrechte Kometenhysterie.

Mit dem Kreuzfahrtschiff auf Kometenfahrt

Das Presseecho war enorm. "Gala-Schau am Nachthimmel" titelte etwa der Spiegel und kündigte an, Kohuteks Lichtschweif solle ein Sechstel des Abendhimmels überstrahlen. Massenweise Souvenirs, Kometenreisen in dunkle Gegenden und sogar eine dreitägige Komet Kohoutek-Kreuzfahrt mit der "Queen Elizabeth 2", während der Hamburger Astronom einen Vortrag über seinen Kometen halten sollte (ein Anfall von Seekrankheit verhinderte dies allerdings), wurden angeboten.

Verkauf der Teleskopen stieg um 200 Prozent

Besonders in den USA war man fasziniert von dem erwarteten "Weihnachtskometen". Im Dezember stieg der Verkauf von Teleskopen hier um 200 Prozent an und noch am 17. Dezember veröffentlichte das Time-Magazin ein reißerisches Special: "Kohoutek: Comet of the Century".

Vom "Jahrhundertkometen" zum "Reinfall des Jahrhunderts"

Auf Euphorie folgte Spott. Die Helligkeitsentwicklung von C/1973 E1 blieb weit hinter den Erwartungen zurück. Dennoch war er einige Wochen lang mit bloßem Auge zu erkennen. Als der Komet nach seinem Periheldurchgang relativ rasch an Leuchtkraft verlor, wurde aus "Komet Kohoutek" der "Komet Kohouflop". Auf die vorhergegangene Euphorie folgten Enttäuschung und Spott. Das sollte nicht nur die Kometenbegeisterung der breiten Masse für Jahrzehnte dämpfen, vor allem der Ruf der Astronomie als exakte Wissenschaft litt nachhaltig unter den medial hoch gepeitschten und nicht erfüllten Erwartungen. Die Kometenforschung allerdings hat C/1973 E1 weit vorangebracht. Den Astronomen gelangen viele ausgezeichnete Beobachtungen.

Verewigt von Kraftwerk und den Simpsons

Auch in der Popkultur hat der Komet seine Spuren hinterlassen. Kraftwerk, Journey und R.E.M. widmeten ihm Songs. Sein Besuch ist in den Comics der Peanuts und der Simpsons verewigt. Das alles dank eines Lichtstrahls, der zufällig vom Teleskop der Hamburger Sternwarte in Bergedorf eingefangen wurde.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Kulturjournal | 21.03.2023 | 19:30 Uhr

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