Thole Rotermund © picture alliance/dpa Foto: Oliver Berg
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AUDIO: Neustart Kultur: "Programm hat dem Kunsthandel sehr geholfen" (7 Min)

Neustart Kultur: "Programm hat dem Kunsthandel sehr geholfen"

Stand: 15.11.2022 17:36 Uhr

Wurden kommerzielle Galerien und Kunsthändler während der Corona-Pandemie zu Unrecht gefördert? Ein Gespräch mit Thole Rotermund, Schatzmeister des Galeristenverbandes und Hamburger Kunsthändler. Er war Mitglied der Kommission für NEUSTART KULTUR zur Förderung von Galerien.

Im Juni 2020 warnte der Verband der Galeristen und Kunsthändler: Ohne öffentliche Hilfen werden wir untergehen. Das Notprogramm Neustart Kultur wird schließlich eingerichtet. Es bedenkt Einzelkünstlerinnen und -künstler, aber auch kommerzielle Galerien und Kunsthändler werden gefördert. Zu Unrecht? Das legt zumindest eine Recherche von Deutschlandfunk Kultur nahe.

Herr Rotermund, laut Deutschlandfunk Kultur sei 2020 für Galeristen und Kunstverkäufer ein unheimlich gutes Bilanzjahr gewesen. Wie kommt diese Differenz zustande?

Thole Rotermund: Das ist eine ganz große Frage, die wir uns alle stellen - damit meine ich den Deutschen Kunsthandel. Denn die Jahre 2020 und 2021 waren absolute Stressjahre für die Kunsthändler. Und auch für die Künstler*innen, denn die hängen in unserem Geschäft immer dran. Das ist gar nicht ohne Künstler*innen zu denken. Wo diese Zahlen herkommen, ist mir ein großes Rätsel.

Es gibt ein Beispiel: Die Galerie "Eigen + Art" von Judy Lybke hat ihren Gewinn um eine Million auf 3,6 Millionen gesteigert - und hat trotzdem 80.000 Euro aus "Neustart Kultur" bekommen. Braucht man die dann?

Rotermund: Das ist ein Einzelfall. Wir müssen uns den gesamten Kunsthandel anschauen. Wir können jetzt diese Förderung nicht infrage stellen, wenn man in der Situation der Bedürftigkeit ist. Wenn wir uns den Kunsthandel in den Jahren 2020 und 2021 anschauen, da lagen die Galerien am Boden. Es gab keine Ausstellungsmöglichkeiten. Die Messen sind zum großen Teil komplett abgesagt worden. Der Bundesverband hat gemeinsam mit dem Institut für Strategieentwicklung in Berlin eine Umfrage gestartet, wo die Umsätze für 2020 abgefragt wurden, und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass es insgesamt 40 Prozent Umsatzeinbußen gab.

Die Einzelfälle kenne ich auch, ich habe auch mit einigen Galerien gesprochen, denen es gar nicht so schlecht ging. Wenn wir das jetzt herunterrechnen, dann wird es bei 40 Prozent Minus viele andere Kunsthändlerinnen und Galeristen gegeben haben, die noch weit mehr als 40 Prozent Einbußen hatten. Dass die Förderung notwendig war, daran gibt es, hoffe ich, keinen Zweifel. Das war in der Situation unausweichlich.

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Deutschlandfunk Kultur bezieht sich hier auf die Bilanzen von 20 großen Galerien, und die hätten sehr positiv ausgesehen. Kann es sein, dass es den Großen besser gegangen ist?

Rotermund: Das könnte unter Umständen sein. Das kann ich gar nicht beurteilen, weil ich nicht in die Betriebsgeheimnisse der sogenannten großen Galerien schauen kann. Ich habe die Zahlen auch nicht überprüft. Ich kann aber sagen, dass ungefähr 400 Galerien von dem Galerie-Förderprogramm im positiven Sinne betroffen waren. Und wenn wir uns zehn Galerien von diesen 400 anschauen, dann sehen wir, dass das ein verschwindend geringer Anteil ist. Diese Galerien konnten das damals auch gar nicht sehen, ob sich die Umsätze nicht doch reduzieren würden oder ob sie gleich bleiben - das war ja alles offen in der Zeit. Die Bedürftigkeit war ohne Frage da. Das war ein ganz erfolgreiches Programm, was dem Kunsthandel sehr geholfen hat. Hätte es zum Beispiel die Messeförderung nicht gegeben, würden verschiedene kleinere Messen heute nicht mehr existieren. Auch andere Messen, wie etwa die Art Cologne, haben ganz wesentlich davon profitiert, dass diese Förderung ausgesprochen wurde.

Der Berufsverband Bildender Künstler*innen Berlin hat in mehreren offenen Briefen sehr früh gewarnt und Ende 2020 offengelegt, dass von 100 Anträgen von Einzelkünstlerinnen und -künstlern zwölf gebilligt worden sind. Von 100 Anträgen von Galerien und Kunsthändlern wurden 80 bewilligt. Das ist schon ein großer Unterschied, oder?

Rotermund: Das kann ich nicht beurteilen, weil ich nicht in den Förderprogrammen der Künstler*innen gesteckt habe. Womit das zusammenhängt, das müssten Sie die entsprechenden Verantwortlichen fragen. Ich kann nur für den Deutschen Kunsthandel sprechen. Und auch da dürfen wir nicht vergessen, dass das Projektförderungen waren - das wird häufig falsch verstanden. Das sind keine Förderungen gewesen, die die Galerien pauschal erhalten haben, sondern es mussten konkrete Projekte eingereicht werden, um diese Förderung ausgezahlt zu bekommen. Diese wurden minutiös abgerechnet.

Vertreterinnen des Kunsthandels haben auch mit am Tisch gesessen, als die Förderung projektiert worden ist. Könnte es daran liegen, dass sie mit diesen 80 Prozent Förderquote am Ende ganz gut dagestanden haben?

Rotermund: Ich kann nicht für die Förderung der Künstlerinnen und Künstler sprechen, weil das überhaupt nicht in meinem Bereich liegt. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass auch die Kunsthandel-Förderung eine Künstler-Förderung gewesen ist. Denn ohne die Umsätze der Galerien, ohne die Künstler geht es nicht. Das heißt, die Künstler haben im Wesentlichen durch unsere Förderungen profitiert. Es wurden Publikationen herausgegeben. Es wurden besondere Ausstellungen in sehr schwierigen Zeiten veranstaltet, die sonst nicht stattgefunden hätten. All das ist den Künstler*innen, den Grafikern, Fotografen, Transporteuren und so weiter zugute gekommen. Das war eine Multi-Förderung, die sich nicht nur auf den Konten der Galeristen und Kunsthändler*innen ausgewirkt hat.

Wir stellen fest, dass es Einzelfälle sind, die da zitiert werden. Aber wenn man gute Umsätze gemacht hat und sich dann noch aus Bundesmitteln neue Computer finanzieren lässt - finden Sie das nicht problematisch?

Rotermund: Wie gesagt, das sind Einzelfälle und die will ich gar nicht kommentieren, weil es nicht um die geht. Ich sehe das Gros. Man könnte im Nachhinein, wie das bei anderen Corona-Hilfen der Fall war, die sogenannte Bedürftigkeit nachweisen. Aber um die Bedürftigkeit ging es gar nicht. Es ging darum, dass Projekte gefördert wurden. Bei den Computern ging es zum Beispiel auch darum, auch Medienkunst zu fördern. Die Galerien waren bis vor der Pandemie - wie andere Unternehmen auch - nicht in dem Maße digitalisiert, wie es in dieser Zeit notwendig war. All das spielt da eine Rolle und auch das kommt letztendlich wieder den Künstlerinnen und Künstlern, den Publizisten, den Verlagen, den Grafikern zugute, weil die alle daran auch einen Anteil hatten. Es ist also nicht einfach damit abgetan, dass da 5.000 Euro für einen Computer ausgegeben wurden, sondern man muss sich schon überlegen, wozu das letztendlich geführt hat.

Das Gespräch führte Mischa Kreiskott.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Journal | 15.11.2022 | 16:45 Uhr

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Kulturpolitik

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