Eine Briefmarke zeigt das Gesicht von Ilse Losa © gemeinfrei

Neuer "frauenOrt" in Melle: Das Leben der Schriftstellerin Ilse Losa

Stand: 20.03.2023 13:32 Uhr

In Portugal werden ihre Bücher in der Schule gelesen, in Deutschland ist die Schriftstellerin Ilse Losa unbekannt - noch. Denn eine Gruppe Frauen aus Melle im Osnabrücker Land will das ändern. Melle ist der Geburtsort der Schriftstellerin, die am 20. März 110 Jahre alt geworden wäre.

von Birgit Schütte

Eine Kunsthistorikerin, die in der Exilforschung aktiv ist, eine Autorin und bildende Künstlerin und eine ehemalige Lehrerin, die sich mit Genderforschung beschäftigt, sind Initiatorinnen von "Frauenort für Ilse Losa". Seit einigen Jahren tauchen die drei immer tiefer ein in die Geschichte der Schriftstellerin, die in Portugal vor allem für ihre Kinderbücher bekannt ist.

Vertreibung ins Exil nach Portugal

1934 musste die damals 20-jährige jüdische Frau Deutschland verlassen. Sie hatte in einem privaten Brief Hitler als Verbrecher bezeichnet und wurde daraufhin von der Gestapo verhört, erzählt die Exilforscherin Irene Below: "Wir wissen, dass sie depressiv war und ihr Schreiben damit begonnen hat und sie sich mit diesem ersten Buch 'Die Welt in der ich lebte' aus der Depression herausgeschrieben hat. Gleichzeitig war sie aber eine Kämpferin. Als sie ankam, sagte ihr Bruder: 'Nein du kannst nicht mit ins Café gehen. Da geht man als Frau nicht hin.' Und dann hat sie gesagt: 'Natürlich gehe ich ins Café'. Sie hat sich da als widerständig gezeigt hat und ist es auch geblieben."

Weitere Informationen
Auf einem Tisch liegen viele bunte Faltblätter mit Fotos und Bildern von Frauen.

"Verhältnisse treiben, statt sich treiben zu lassen"

An knapp 50 Orten erinnert die Initiative "frauenORTE Niedersachsen" an besondere Frauen, die das Dasein verändert haben. mehr

Schriftstellerin machte sich stark für Ausgegrenzte

Immer trat Ilse Losa für Ausgegrenzte ein, wie zum Beispiel benachteiligte Frauen. Und in dem einzigen ihrer Kinderbücher, das in Deutschland erschienen ist: "Beatriz und die Platane" geht es um eine Umweltschützerin: Ein kleines Mädchen, das durch einen Sitzstreik einen Baum retten will. Ilse Losa hat neben drei Exilromanen über 20 Kinderbücher veröffentlicht. Ihre Literatur in Deutschland bekannter zu machen, das ist ein Ziel der Fraueninitiative aus Melle.

Weitere Informationen
Auf einem Tisch liegen viele bunte Faltblätter mit Fotos und Bildern von Frauen.

frauenORTE Niedersachsen: Frauengeschichte sichtbarer machen

Projektkoordinatorin Friederike Apelt spricht über die heutige Relevanz der Initiative und über neue Projekte. mehr

Auch wenn sie auf Portugiesisch schrieb, hat die Autorin ihr Leben lang darunter gelitten, ihre Sprache und ihre Heimat verloren zu haben. Gerade deshalb findet die Künstlerin Barbara Daiber es umso erstaunlicher, was sie in Portugal vollbracht hat: "Sie musste sich dort eine ganz neue Welt aufbauen. Und es gibt ja viele Menschen, denen es heute genauso geht. Ich finde, dass sie ist ein Stück ein Vorbild ist. Dass man auch in einer fremden Welt doch so aktiv Fuß fassen kann, und auch erfolgreich sein kann. Vielleicht auch mit den Verlusten, die man erlitten hat und die man auch zeitlebens spürt, das macht sie auch immer deutlich."

50 Orte in Niedersachen, die besondere Persönlichkeiten hervorheben

Ende der 1980er-Jahre hat eine Osnabrückerin, die das Leben und Werk von Exilschriftstellerinnen erforschte, Ilse Losa entdeckt. Anfang der 1990er wurde sie nach Melle eingeladen und hat dort gelesen. Nun soll Ilse Losa in ihrem Heimatort bekannter werden: Mit der Initiative Frauenorte. In Niedersachsen gibt es bereits rund 50 Frauenorte, mit jeweils einer besonderen Persönlichkeit aus dem jeweiligen Ort. Eine Initiative des niedersächsischen Landesfrauenrats. Unter anderem ein Radweg mit Hörstationen soll dann die Geschichte der Exilschriftstellerin erzählen.

Späte Ehrung für Ilse Losa

Es gilt als sicher, dass die Stadt die Initiative unterstützt, sagt die Bürgermeisterin. Angelika Kemper, eine ehemalige Lehrerin, die sich mit Genderstudies beschäftigt, sieht das auch als späte Ehrung für Ilse Losa: "Dass der Ort, in dem sie geboren ist und wo sie ihre Kindheit und ihre Jugend verbracht hat, sie nach 90 Jahre der Vertreibung ehrt, da schließt sich ein Kreis. Ich finde zwar spät, aber immerhin."

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | 21.03.2023 | 16:00 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Porträt

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Mann und Frau sitzen am Tisch und trinken Tee. © NDR Foto: Christian Spielmann

Tee mit Warum - Die Philosophie und wir

Bei einem Becher Tee philosophieren unsere Hosts über die großen Fragen. Denise M‘ Baye und Sebastian Friedrich diskutieren mit Philosophen und Menschen aus dem Alltag. mehr

Mehr Kultur

Internist und Musiker Ludger Iske mit Gitarre © NDR.de

Vormittags Arzt, abends Singer-Songwriter

Seine Praxis in Eutin verwandelt der Internist Ludger Iske regelmäßig in einen Proberaum - oder auch gleich in einen Konzertsaal. mehr