Bundeskanzler Olaf Scholz (links) und König Charles III. © imago
Bundeskanzler Olaf Scholz (links) und König Charles III. © imago
Bundeskanzler Olaf Scholz (links) und König Charles III. © imago
AUDIO: König Charles in Deutschland: "Besuch zeigt, Europa ist wichtig" (6 Min)

König Charles in Deutschland: "Besuch zeigt, Europa ist wichtig"

Stand: 30.03.2023 13:20 Uhr

Bei seinem Deutschland-Besuch wird König Charles morgen auch nach Hamburg kommen. Was bedeutet dieser royale Besuch für die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem britischen Königshaus?

Katja Lembke, Direktorin des Niedersächsischen Landesmuseums in Hannover, spricht im Interview über die Wichtigkeit des Staatsbesuchs und über die Verbindung zwischen Niedersachsen und dem britischen Königshaus.

Frau Lembke, wie haben Sie den gestrigen Besuch von Charles verfolgt?

Katja Lembke: Ich verfolge das schon seit einigen Wochen mit großer Spannung. Was wird der erste Ort sein, den er besucht? Leider hat es mit seinem Frankreich-Besuch nicht geklappt wegen des großen Streiks, aber zum Glück hat es jetzt mit Deutschland funktioniert, obwohl wir ja auch Streik hatten. Also, auch der König ist nicht gefeit vor solchen Experimenten.

Weitere Informationen
König Charles mit Krone liest im November 2023 bei der Regierungserklärung im Oberhaus des britischen Parlaments © dpa Foto: Leon Neal/PA Wire/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

König Charles III. engagiert sich für Wohltätigkeit

Der britische Monarch widmet sich den Themen, die ihm am Herzen liegen: Umweltschutz und Engagement gegen Hungerleiden. mehr

Ist Ihnen persönlich der morgige Besuch in Hamburg morgen ein bisschen wichtiger als der in Berlin?

Lembke: Ich hoffe, dass ihm Hamburg wichtig ist. Immerhin hat er das als Ziel ausgesucht. Ich hätte mich auch sehr gefreut, wenn er nach Hannover gekommen wäre, denn da sind ja die Wurzeln seiner Familie.

Wie eng ist denn die Verbindung von Niedersachsen zum britischen Königshaus?

Lembke: Die Verbindung ist extrem eng. Eigentlich kann man sagen: Jeder, der heute den Königsthron besteigt, ist ein Hannoveraner. 1714 wurde mit Georg I. der erste Hannoveraner König gekrönt, weil er Protestant war, und die Linie der Stuarts wurde einfach übergangen. Diese Dynastie, diese Doppelmonarchie - er war sowohl Herrscher von Hannover als auch Herrscher in Großbritannien - hielt bis 1837. Dann kam Victoria - aber das passte den Welfen wiederum nicht, denn in der welfischen Thronfolge ist eine Frau ausgeschlossen. Das führte dazu, dass sie nur Königin von Großbritannien wurde und es stattdessen eine weitere Königsdynastie in Hannover gab.

Diese enge Verbindung ist den Royals heute noch durchaus bewusst und präsent, oder?

Lembke: Die ist bewusst, die ist auch nicht ganz unproblematisch. Victoria hat ja einen weiteren Deutschen geheiratet: mit Albert von Sachsen-Coburg und Gotha wiederum jemanden, der aus Deutschland kam und der nicht nur ein Gemahl war, sondern auch ein sehr enger Freund und Geliebter. Wir kennen heute die Royal Albert Hall und das Victoria and Albert Museum - insofern hat sie damals eine ganze Menge dafür getan, um auch ihren Mann zu protegieren. Aber er kam eben aus Deutschland, und das wurde im Ersten Weltkrieg zu einem Problem, als Großbritannien und Deutschland im Krieg miteinander waren. Also hat sich das Haus umbenannt: nicht mehr Sachsen-Coburg und Gotha, sondern seit 1917 Windsor.

Weitere Informationen
Königin Camilla verlässt nach der Krönungszeremonie mit der Krone von Queen Mary die Westminster Abbey. © Gareth Cattermole/POOL getty/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk Foto:  Gareth Cattermole

Camilla - Steiniger Weg zur britischen Königin

Lange muss sie um Akzeptanz in der Königsfamilie kämpfen. Die Königin liebt das Landleben und kämpft für Prävention von Osteoporose. mehr

Die Zeiten ändern sich: Wir haben den Brexit, den Charles auch vertreten muss; wir haben Diskussionen über Kolonialismus; der Commonwealth ist nicht mehr so fest zusammen, wie wir das kennen. Wie sehen Sie diese Schwierigkeiten?

Lembke: Charles hat jetzt eine große Bürde. Er hat nicht mehr diese lange Tradition, auf die seine Mutter fußen konnte, die so viele Jahre regiert hat, und er muss jetzt etwas Neues beginnen. Man sieht schon die ersten Brüche, etwa in Australien, wo das Bild von Prinz Charles nicht mehr auf die Münzen geprägt werden soll. Es gab auch im Vorfeld der Krönung eine lange Diskussion um die Krone, um den Koh-i-Noor-Diamanten, der sich normalerweise auf der Krone befindet. Da mussten schon Kompromisse gemacht werden, und es wird jetzt eine andere Krone für Camilla bereitgestellt, damit es nicht zu einem Fauxpas kommt. Denn dieser Koh-i-Noor stammt aus kolonialen Kontexten, aus Indien oder Pakistan, da sind sich nicht alle einig. Aber auf jeden Fall gibt es Rückgabeforderungen, und denen wollte man sich bei der Krönungszeremonie nicht stellen. Wir dürfen nicht vergessen, dass sowohl England als auch Schottland seit Neuestem von Menschen mit kolonialem Hintergrund regiert werden. Es sind beides indischstämmige Premierminister, und das ist auch eine besondere Herausforderung, die Charles jetzt hat.

Was was sind die wichtigen Punkte bei seinem Besuch? Umweltschutz wird eine wichtige Rolle spielen, Nachhaltigkeit, vielleicht auch Versöhnung im weitesten Sinne. Was wären gute Signale, die er hinterlassen könnte?

Lembke: Besonders wichtig ist uns der Brexit, der uns alle tief getroffen hat. Gerade wenn man, wie ich, viel mit Großbritannien zu tun hat, sich auch kulturell eng verbunden fühlt, war das schon ein herber Schlag und für mich auch vollkommen unerwartet. Großbritannien bindet sich durch einen solchen Besuch wieder an den Kontinent, und er zeigt, dass Europa wichtig ist. Wenn das sich fortsetzt und wir vielleicht in nicht allzu ferner Zukunft diesen Brexit wieder Vergangenheit werden lassen können, wäre das ein ganz wichtiges Zeichen.

Das Interview führte Philipp Schmid.

Weitere Informationen
König Charles III. und Camilla stehen auf dem Balkon des Hamburger Rathauses und winken. © Daniel Reinhardt/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ Foto: Daniel Reinhardt/dpa

Jubel trotz Regen: König Charles III. und Camilla in Hamburg

Das britische Königspaar gedachte der Kriegsopfer, schüttelte viele Hände und trug sich ins Goldene Buch der Stadt ein. Tausende waren dabei. mehr

König Charles III. spricht beim Staatsbankett von Bundespräsident Steinmeier zu Ehren von König Charles III. und Königsgemahlin Camilla im Schloss Bellevue in Berlin. © Bernd von Jutrczenka/dpa Pool/dpa
9 Min

König Charles in Deutschland: "Wichtiges Zeichen zur Versöhnung"

Der Politologe Alexander Clarkson vom King's College in London bewertet den Staatsbesuch als interessante Entwicklung in der europäischen Diplomatie. 9 Min

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Journal | 30.03.2023 | 16:15 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Europa-Politik

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Mann und Frau sitzen am Tisch und trinken Tee. © NDR Foto: Christian Spielmann

Tee mit Warum - Die Philosophie und wir

Bei einem Becher Tee philosophieren unsere Hosts über die großen Fragen. Denise M‘ Baye und Sebastian Friedrich diskutieren mit Philosophen und Menschen aus dem Alltag. mehr

Mehr Kultur

Lars Eidinger im Gespräch mit dem NDR © Screenshot

Eidinger: "Es gibt kein Stück, in dem ich nicht am Ende sterbe"

Zwischen Trauer, Komik und Tragik spielt Eidinger den Dirigenten Tom Lunies - das Alter Ego von Regisseur Matthias Glasner. Für den Schauspieler ist der Tod eine große Unbekannte. mehr