Stadtheater Hildesheim © Elmar Witt Foto: Elmar Witt

Hildesheim: Start für den Jugendclub am Theater für Niedersachsen

Stand: 30.09.2022 10:18 Uhr

Für Theaterinteressierte zwischen 16 und 21 Jahren ist der Jugendclub am Theater für Niedersachsen in Hildesheim gestartet. Gemeinsam mit den jungen Erwachsenen wird dann ein Stück entwickelt.

Ein Gespräch mit der Theaterpädagogin Jana Nieswand und der Agentin für Inklusion am Haus Clara-Maria Scheim.

Wie kam es überhaupt zu diesem Jugendclub?

Jana Nieswand: Das ist ein Format, das sich schon länger am Theater für Niedersachsen zieht. Ich bin neu seit dieser Spielzeit und habe das Format von meiner Vorgängerin Jenny Holzer übernommen. Wir sind gerade dabei, neue Teilnehmende zu akquirieren und zu schauen, welche Teilnehmenden aus dem letzten Jahr gerne weitermachen möchten. Im Jugendclub gibt es häufig eine Fluktuation durch das Alter: Nach dem Abitur gehen einige weg, um zu studieren oder eine Ausbildung zu machen. Dadurch haben wir immer einen ganz guten Wechsel im Club.

Dieses Jahr möchten wir uns mit dem Thema beschäftigen: Wem gebe ich Macht über mein Selbstbild - in sozialen Medien, in der Schule? Da möchten wir gemeinsam Rollen entwickeln, die Bühne gestalten, Kostüme gestalten, mit unseren eigenen Ideen arbeiten.

Wer darf da mitmachen?

Nieswand: Alle Menschen von 16 bis 21. Nach oben hin haben wir, besonders bei den Teilnehmenden, die schon die letzten Jahre dabei waren, eine gewisse Kulanz. Aber alle Menschen, die Lust haben, Theater zu spielen, sich auszuprobieren auf der Bühne, sind herzlich willkommen.

Was ist an dieser gemeinsamen Arbeit mit den Jugendlichen im Bereich Inklusion besonders wichtig?

Clara-Maria Scheim: Für uns ist es wichtig, Zugänge zu schaffen, weil nicht alle Jugendlichen schon von klein auf mit Kultur in Berührung gekommen sind. Das hängt auch ganz stark damit zusammen, in welchem Elternhaus man zum Beispiel aufgewachsen ist. Inklusion ist ja ein wahnsinnig weit gefasster Begriff. Da gehören ganz klassische Barrieren dazu, wie zum Beispiel räumliche und kommunikative Barrieren, aber auch ganz persönliche Barrieren. Das Theatergebäude an sich ist ja schon ein wahnsinniges Statement, man weiß nicht immer, was dahinter passiert. Deswegen versuchen wir, Berührungsängste abzubauen, erste Kontakte zu schaffen und den Jugendlichen zu zeigen, was genau hinter den Kulissen passiert und wie wahnsinnig bereichernd das auch sein kann, selber aktiv zu werden und selber Theater zu spielen.

Wie ist die Resonanz der Jugendlichen, wenn sie zum Teil das erste Mal in so einem Theater sind und mitmachen können?

Nieswand: Das finde ich eine der bereicherndsten Sachen an dem Job, wenn man merkt, dass die Feuer gefangen haben. Die haben Lust zu spielen, die können sich ausprobieren und entdecken vielleicht auch noch mal eine ganz andere Seite an sich. Wenn man eher in sich gekehrt ist und sich nicht traut, vor anderen Menschen zu sprechen, dann ist das eine gute Möglichkeit, in eine andere Stärke zu kommen, wenn man auf einmal eine Hasstirade auf der Bühne vor sich her schreien darf und einen ganz neuen Raum erleben kann und sich darin erleben kann.

Ihr arbeitet auch mit angehenden Stimm- und Sprachtherapeuten zusammen. Wie läuft das ab?

Nieswand: Julian Klenner war letzte Spielzeit schon als Praktikant mit dabei und darf das Projekt Jugendclub dieses Jahr begleiten. Er wird auf der sprach- und stimmtherapeutischen Ebene mit den Jugendlichen arbeiten und schauen, dass eine gute Stimmhygiene eingeführt wird, dass wir ein regelmäßiges Warm-up haben und da eine gewisse Routine mit reinkommt, dass Übungen auch zu Hause gemacht werden können, die für eine gute Stimme und den professionellen Einsatz auf der Bühne wichtig sind.

Wie läuft das mit den Proben ab?

Nieswand: Wir treffen uns wöchentlich: donnerstags immer von 18 bis 20.30 Uhr. Julian und ich teilen uns das ein. Das ist abhängig von den Teilnehmenden: In welchen Bereichen wollen sie selber gefördert und gefordert werden? Daran arbeiten wir dann zusammen, damit wir am Ende ein gutes Stück auf die Bühne bringen können, auf das wir gemeinsam stolz sein können.

Das ist das Aufregende: Wenn es dann irgendwann auf die Bühne geht und alle kommen, um sich das anzugucken. Wie ist das in den letzten Jahren gewesen? Da ist man doch total aufgeregt, oder?

Nieswand: Jenny Holzer hat aus den letzten Jahren berichtet, dass das Team an sich super stark wird, dass Verantwortungen gegenseitig übernommen werden und dass das große Teamgefühl zusammenschweißt.

Ihr arbeitet auch mit Schulen zusammen und bietet Workshops an. Was sind das für Workshops?

Scheim: Wir am Theater für Niedersachsen versuchen unsere Stücke aus dem Spielplan zu vermitteln. Das bedeutet, wir beschäftigen uns zum einen inhaltlich mit den verschiedenen Thematiken, die jeweils in den Stücken vorkommen, und werden auch selber spielerisch aktiv. Wir bereiten unterschiedliche Übungen vor, und da können sich die Kinder und Jugendlichen selber auf den Theaterbesuch vorbereiten. Wir bieten auch verschiedene Nachbereitungen an.

Finden die Schülerinnen und Schülern das toll oder ist denen das teilweise auch so ein bisschen peinlich?

Scheim: Das kommt immer sehr stark auf die jeweiligen Schüler*innen an. Tendenziell macht es ihnen sehr viel Spaß. Zu Beginn sind sie manchmal etwas vorsichtig, aber nach dem Theater-Workshop merkt man, dass da eine positive Bereicherung stattgefunden hat.

Inklusion ist ein Riesenthema bei Euch. Zum Beispiel führt Ihr auch mit Gebärdensprache durchs Haus. Was wird da alles angeboten?

Scheim: Grundsätzlich versuchen wir in der Vermittlungsabteilung unterschiedliche Mitmachangebote zu etablieren, um möglichst viele Menschen von außerhalb in das Theater einzuladen. Dabei geht es bei uns sehr stark um selber Theater erleben und spielen, aber auch natürlich um Theater sehen. Wir bieten verschiedene offene Führungen durch unser Haus und durch unsere Werkstätten an, wo Menschen von außerhalb schauen können, was eigentlich in so einem Theater passiert: Welche Abteilungen gibt es? Wer stellt die Requisiten her? Was macht eigentlich die Maske? Uns ist es auch ein Anliegen, auf kommunikativer Ebene mit verschiedenen Menschen kommunizieren zu können. Deswegen haben wir in der letzten Spielzeit unterschiedliche Führungen in verschiedenen Varianten vorbereitet, ausprobiert und durchgeführt. Auch in dieser Spielzeit wird es wieder Führungen mit verschiedenen Fokussen geben. Zum Beispiel: Führung in einfacher Sprache - für alle Menschen, die sich nicht mit Fremdwörtern und Fachbegriffen berieseln lassen wollen, sondern möglichst zugänglich über die Arbeitsweisen am Theater informiert werden möchten. Oder Tastführung für nicht sehende und sehende Menschen, wo es sehr viel Dinge zum Ertasten gibt, zum Beispiel Requisiten, Maskenteile, und auch viel beschrieben wird. Oder Führungen in Gebärdensprache, damit auch gehörlose Menschen teilnehmen können.

Das Gespräch führte Martina Gilica.

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | Kulturspiegel | 27.09.2022 | 19:00 Uhr

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