Femizide in Österreich: Ein fast unsichtbares Thema
Wenn Frauen oder Mädchen aufgrund ihres Geschlechts gewaltsam attackiert oder getötet werden, spricht man von Femiziden. In Europa ist Österreich trauriger Spitzenreiter. Zwei Feature-Autorinnen sind auf Spurensuche gegangen.
Wann immer in Österreich ein Femizid bekannt wird, protestieren in Wien Menschen auf dem Karlsplatz. Sie singen das mexikanische Lied "Canción sin miedo" - Gesang ohne Angst, eine feministische Hymne gegen männliche Gewalt. Renate Daurer hat sie erlebt: "Mordversuch. Es war Mordversuch. Dann sagt er, er hätte mich nur leicht verletzen wollen, aber das ist ja lächerlich, wenn er fünf-, sechsmal mit dem Hammer auf den Kopf haut und ich schreie und weine und er lässt mich nicht los." Wochenlang musste Renate Daurer im Krankenhaus behandelt werden. Wenn sie heute offen darüber spricht, dann nur, um anderen Frauen Mut zu machen, sich aus toxischen Beziehungen zu lösen.
Patriarchal geprägte Rollenbilder
Heidi Kastner arbeitet als Gerichtsgutachterin bei Femiziden: "Man bezeichnet damit Tötungsdelikte oder versuchte Tötungsdelikte an Frauen, wobei das Motiv darauf beruht, dass die Frau ihrer angenommenen oder ihr zugeschriebenen Rollenerwartung nicht entspricht. Das weibliche Rollenbild, das dahintersteht, ist ein sehr patriarchales." Patriachal heißt in diesem Zusammenhang auch: keinen Widerspruch von Frauen zulassen, jede Form ihrer Eigenständigkeit im Keim mit Gewalt ersticken.
Dina Nachbaur, Leiterin des Vereins Neustart, sagt: "Nach diesen gewalttätigen Ausbrüchen ist oft wieder so etwas wie Flitterwochen: Die Gewalttäter sind wieder sehr entgegenkommend, bringen Geschenke, versprechen alles und bemühen sich besonders. Da ist natürlich die Versuchung besonders groß, dass man in einer Partnerschaft doch etwas verzeiht und noch einmal eine Chance gibt. Das darf man sich nicht so leicht vorstellen, aus so einer Gewaltbeziehung von heute auf morgen auszusteigen."
Reden hilft
Auch Renate Daurer ist es so ergangen: "Eines Tages hat er mich angerufen und gesagt: 'Schau beim Fenster raus!' Und ich war wieder so dumm. So dumm. Rotz und Wasser hat er geweint: 'Bitte, bitte komm wieder heim!' Und ich habe zu ihm gesagt: 'Wenn das wieder passiert, sitze ich auf der Straße, so wie schon einmal'. 'Nein, nein', hat er gesagt, 'das passiert nicht wieder'. Aber es ist dann natürlich wieder passiert."
Der Arzt Peter Klar hat Zivilcourage bewiesen. Er konnte den tödlichen Ausgang eines Femizids verhindern, indem er den Täter in die Flucht geschlagen und die schwerverletzte Frau schnell in ein Krankenhaus gebracht hat. Für ihn steht fest: "Natürlich gehört es dazu, Situationen mal falsch eingeschätzt zu haben und das zu melden. Aber das ist der Preis, den man zahlen muss, um die Fälle zu entdecken, die wirklich Hilfe brauchen. Ich glaube, das ist ganz wichtig. Umso mehr wir darüber reden, umso mehr werden wir das auch verhindern können." Nur so werden die Demonstrationen gegen Femizide auf dem Wiener Karlsplatz eines Tages, hoffentlich bald, überflüssig.