Ein Mann steht vor einer Statue und hält einen Zeichenblock. Neben ihm werden ein Handy und ein Tablet gehalten. © Kunsthalle Bremen Foto: Marcus Meyer Photography

Auf ein Tinder-Date mit der Kunsthalle Bremen

Stand: 21.03.2023 11:00 Uhr

Mit zwei neuen Web-Apps geht die Kunsthalle Bremen auf moderne Gewohnheiten ein - möchte aber auch Menschen mit Kunst zusammenbringen, die noch gar nicht genau wissen, welche Kunst ihnen eigentlich gefällt.

von Anina Pommerenke

"Es funktioniert wirklich wie eine Online-Dating-App", schmunzelt Jasmin Mickein, die Leiterin der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit an der Kunsthalle Bremen. Stolz zeigt sie die App, mit der die Kunsthalle in Zukunft auch Menschen einen angenehmen Besuch im Haus ermöglichen will, die sich bislang noch nicht so gut auskennen. Oder eventuell gar nicht vor Ort sind und nicht wissen, welche Kunst ihnen eigentlich gefällt. Die Idee habe schon jahrelang bei ihr in der Schublade gelegen, so Mickein, mit Hilfe einer Förderung des Bundes sei sie im Laufe des vergangenen Jahres nun endlich umgesetzt worden.

Kunst und Besucher spielerisch zueinander führen

"It's an Art Match" soll eigentlich wie ein Besucherleitsystem funktionieren, damit die 54 Räume der Kunsthalle, die sich über fünf Stockwerke erstrecken, besser erschlossen werden können. "Wenn man sich chronologisch durch die Räume vorarbeitet, kann es passieren, dass es lange dauert, bis man bei der Kunst ist, die man eigentlich sehen möchte", so Mickein. Mit der neuen Web-App können Menschen schon vor ihrem Besuch herausfinden, welche Kunstwerke und Räume eigentlich am besten zu ihnen passen.

Auf ein Date mit Max Liebermann und der Renaissance

Eine Person hält vor einem Gemälde ein Handy in der Hand © Kunsthalle Bremen Foto: Marcus Meyer Photography
Sieben Fragen reichen, um Interessierten Dates mit Kunstwerken vorzuschlagen.

Konkret funktioniert das so: Zunächst legen Interessierte über die Plattform art-surfer ein Profil mit Namen, Altersgruppe und Geschlecht an. In einem nächsten Schritt müssen die Nutzerinnen und Nutzer dann sieben einfache Fragen beantworten. Zum Beispiel "Stadt oder Land", "Team Hund oder Team Katze" und "einfarbig oder bunt". Danach stellt einem die App fünfzehn Matches mit Gemälden vor. Zum Beispiel Max (54) - in diesem Fall ist das Max Liebermann, der das Werk im Alter von 54 Jahren gemalt hat. Außerdem zeigt einem die App auch, wo im Haus man sein potenzielles Kunst-Match findet - also "wo man das Date trifft". Man kann aber auch gleich eine ganze Epoche daten - wie zum Beispiel die Renaissance.

Ist das Match erfolgreich - also gefällt einem das Bild, so kann man das Match in der App speichern. Ein kurzer, niedrigschwelliger Einführungstext versorgt die Nutzer mit den wichtigsten Informationen. Doch was hat es jetzt zum Beispiel mit Team Hund oder Katze zu tun? Auch die Begründung für das Match lässt sich einsehen, also die Übereinstimmung mit den Eingangsfragen. Wer sich dabei etwa für den Hund entschieden hat - also ein Rudeltier - matcht tendenziell eher mit gesellschaftlichen Aktivitäten, also zum Beispiel Bilder auf denen viele Menschen zu sehen sind, erläutert Mickein.

Manche Matches sind leider gerade nicht verfügbar - wie im echten Leben

"Es kann aber auch passieren, dass ein Match mal nicht verfügbar ist", erklärt Jasmin Mickein mit einem Augenzwinkern. Immerhin finde man auf echten Dating-Plattformen ja auch viele Personen, die eigentlich emotional gar nicht verfügbar seien. "Wenn man Herausforderungen liebt, kann man das natürlich trotzdem speichern - aber das Match könnte eine ganze Weile unerreichbar bleiben, da es im Depot steht." Die Einstellungen lassen sich aber auch jederzeit ändern, sodass man immer wieder neue Matches und Vorschläge erhält. Besonders spannend macht die App, dass auch Menschen sie benutzen können, die ganz woanders wohnen und sich ohne große Hürden mit Kunst auseinandersetzen wollen. So können sie zum Beispiel herausfinden, welche Werke, welche Epoche, welcher Stil ihnen gefallen. "Viele Künstler aus unserer Sammlung sind in fast allen großen europäischen Sammlungen vertreten - also kann man auch in Berlin unsere App nutzen und dann dort ins Museum gehen und sich passende Werke anschauen", erläutert Mickein.

Zweite Web-App ermöglicht das Erstellen von Online-Ausstellungen

Auch die zweite App, die die Kunsthalle Bremen am Dienstag vorgestellt hat, geht auf moderne Angewohnheiten und Verhaltensweisen ein. Das "Pinnwand-Museum" funktioniert eher wie die App Pinterest, eine Art visuelle Suchmaschine, bei der man Einrichtungsideen oder Rezepte auf einer virtuellen Pinnwand zusammentragen kann. Diese App hat Hartwig Dingfelder, der Leiter der Abteilung Bildung und Vermittlung an der Kunsthalle Bremen konzipiert. Die Grundidee ist, sich individuelle Online-Ausstellungen erstellen zu können.

Schulklassen können ihre Werke zusammenstellen

Die Zielgruppe seien besonders Kurse und Schulklassen, erklärt Dingfelder, denn diese würden im Atelier regelmäßig kreative Produkte zu Werken der Kunsthalle entwickeln: "Wenn die Veranstaltung vorbei ist, dann spielt das aber leider keine Rolle mehr", das solle sich nun ändern. Mit Hilfe der Web-App lassen sich sowohl Werke aus der Sammlung der Kunsthalle auf eine Pinnwand ziehen - als auch eigene gestaltete Fotos oder Kunstwerke. Oder eben interessante Bilder, Fotos und andere Kunstwerke, die man gerne einem bestimmten Exponat gegenüberstellen möchte. Das ganze lässt sich noch mit Kommentaren in Text oder Audio ergänzen. Interessierte können die Pinnwand - also die eigene Ausstellung - gestalten und sogar ein Werbeplakat erstellen, berichtet Dingfelder.

Eigene Assoziationen zu Kunstwerken festhalten

Im Laufe der Entwicklung habe das Team gemerkt, dass die Web-App sich durchaus auch für interessierte Einzelbenutzer eigne, so Dingfelder, um zum Beispiel eigene Assoziationen zu Kunstwerken festzuhalten. Hierbei können die Nutzerinnen und Nutzer auf die Fotomediathek der Kunsthalle zurückgreifen. Dingfelder macht das an einer seiner eigenen Pinnwände deutlich, die er sich bereits angelegt hat: "Ich habe hier beispielsweise die Psyche von Antonio Canova aus unserer Sammlung hochgeladen - und dazu eine eigene Zeichnung angefertigt." An anderer Stelle hat er ein dystopisches Gemälde von Arnold Böcklin einem atmosphärisch sehr ähnlichem Screenshot von einem Playstation-Spiel gegenüber gestellt.

Spielwiese zum Kennenlernen der Sammlung

Egal ob eine fachliche Auseinandersetzung mit den Werken, eine persönliche oder lustige - eigentlich sei alles möglich, so Dingfelder: "Es ist sozusagen eine Spielwiese zum Kennenlernen unserer Sammlung!" Vorraussetzung sei nur, dass man sich über den art-surfer der Kunsthalle anmelde und sich dann dort ein Profil anlege. Die Inhalte bleiben außerdem im geschützten Raum - also entweder im ganz privaten Profil oder als Teil einer Gruppenausstellung, und können von außen nicht eingesehen werden.

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Matinee | 21.03.2023 | 11:15 Uhr

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