Stapellauf der "Gorch Fock" (I) © Blohm & Voss Foto: unbekannt

Die abenteuerliche Geschichte der "Gorch Fock" (I)

Stand: 07.03.2023 16:40 Uhr

Ab Januar 1933 in Bau, läuft die "Gorch Fock"-Vorgängerin "Gorch Fock" (I) vor 90 Jahren in Hamburg vom Stapel. Im April 1945 versenkt, wird sie zwei Jahre später wieder gehoben. Heute liegt sie als Museumsschiff im Hafen von Stralsund.

Wer in Deutschland den Schiffsnamen "Gorch Fock" hört, denkt meist an das bekannte Schulschiff der Bundesmarine, das 1958 gebaut wurde und seinen Heimathafen in Kiel hat. Was viele nicht wissen: Es gibt eine Vorgängerin mit bewegter Vergangenheit - die "Gorch Fock" (I). Das Segelschiff wird 1933 im Auftrag der Reichsmarine bei Blohm + Voss in Hamburg in nur 100 Tagen gebaut. Am 3. Mai 1933 läuft die "Gorch Fock" (I) vom Stapel und ist bis 1939 als Schulschiff im Einsatz. Während des Zweiten Weltkriegs dient sie an verschiedenen Standorten als Wohnschiff, zuletzt in Stralsund.

Versenkt, gehoben und zurück nach Stralsund

Als sich das Kriegsende abzeichnet, wird das Schiff abgetakelt und außer Dienst gestellt. Am Nachmittag des 30. April 1945 versenkt die eigene Besatzung die "Gorch Fock" (I) im Strelasund, um sie nicht der näherrückenden Roten Armee zu überlassen. 1947 heben die Sowjets das Schiff im vierten Versuch und setzen es bis 1950 in Rostock und Wismar instand. Danach fährt es unter dem Namen "Towarischtsch" als Ausbildungsschiff über die Weltmeere, kommt 1992 unter ukrainische Flagge, wird 1999 nach Wilhelmshaven geholt und dort zu einer der großen Attraktionen der "EXPO 2000 am Meer". 2003 kauft der Verein Tall-Ship Friends e.V. das Schiff und überführt es nach Stralsund, wo es umfassend restauriert wird.

"Gorch Fock"-Sanierung verschlingt Millionen

Seitdem liegt die "Gorch Fock" (I) als Museumsschiff im Stralsunder Hafen. Mittlerweile müsste das nicht mehr seetüchtige Schiff erneut dringend saniert werden, denn an Rumpf und Takelage gibt es Sicherheitsmängel. Doch dem Verein fehlt dafür lange das Geld. Im September 2022 beschließt der Bund, 13,5 Millionen Euro aus dem Förderprogramm "KulturInvest" zu Verfügung zu stellen - vorausgesetzt, die Stadt Stralsund übernimmt das Schiff. Doch die entscheidet sich zunächst dagegen.

Nach einem weiteren Abstimmung der Bürgerschaft steht nun seit Februar fest, dass die Stadt den Traditionssegler kaufen wird. Zahlen muss sie dafür erst einmal nichts - für Kauf und Sanierung sind derzeit 10,5 Millionen Euro eingeplant, von denen 9,5 Millionen von der EU, dem Bund und dem Land Mecklenburg-Vorpommern kommen. Den Eigenanteil, den eigentlich Stralsund hätte beisteuern müssen, übernimmt nun der Eignerverein "Tall Ship Friends". Die Instandsetzung des Dreimasters soll auf der Stralsunder Volkswerft erfolgen. Langfristig soll das ehemalige Segelschulschiff der Marine laut Verein zu einem barrierefreien Museumsschiff umgebaut werden. 

"Gorch Fock" (I) Teil einer Familie von sechs Schiffen

Die "Gorch Fock" (I) gehört zu einer Familie von sechs Segelschulschiffen, die zwar nicht komplett baugleich sind, sich aber ähneln. Dazu zählt auch die "Gorch Fock II". Die anderen vier Schiffe sind die "Eagle" (ehemals "Horst Wessel"), die heute der US-Küstenwache gehört und neun Monate im Jahr in ihrem neuen Heimathafen New London (USA) liegt, die "Sagres" (ehemals "Albert Leo Schlageter"), die seit 1961 als Segelschulschiff unter portugiesischer Flagge fährt, und die "Mircea", ein rumänisches Segelschulschiff. Die "Herbert Norkus" wurde nie fertig. Nach dem Krieg wurde sie von den Alliierten beschlagnahmt, 1947 mit Giftmunition beladen und im Skagerrak versenkt.

Gorch Fock hieß eigentlich Johann Kinau

Namensgeber der "Gorch Fock" (I) und des gleichnamigen 1958 erbauten Schulschiffs war der Schriftsteller Gorch Fock, der eigentlich Johann Kinau hieß. Er wurde am 22. August 1880 in Hamburg-Finkenwerder geboren und schrieb Gedichte und Erzählungen in Hoch- und Niederdeutsch, sein 1912 erschienenes Werk "Seefahrt ist not" wurde zu einem Klassiker der Seefahrtsliteratur. Kinau starb 1916 in der Schlacht am Skagerrak als Matrose auf dem untergehenden Kreuzer "SMS Wiesbaden".

Weitere Informationen
Das Segelschulschiff "Gorch Fock I" in Stralsund. © NDR Foto: Wulf Marquard

Rolle rückwärts: Stralsund will "Gorch Fock" (I) nun doch kaufen

Am Donnerstagabend hat sich die Bürgerschaft noch einmal mit der Zukunft des Traditionsseglers beschäftigt - und sich in einer zweiten Abstimmung für den Kauf entschieden. (24.02.2023) mehr

Die Gorch Fock unter vollen  Segeln im Jahr 1976 © dpa /  Picture Alliance Foto: Kurt Scholz

"Gorch Fock" - Schulschiff der Bundesmarine

Kaum ein deutsches Schiff ist bekannter als die "Gorch Fock". Die Sanierung des Marine-Schulschiffs war zum Debakel geworden. mehr

Luftbild der Hamburger Werft Blohm + Voss (ca. 1930) © picture-alliance / akg-images Foto: akg-images

Blohm + Voss: Die wechselhafte Geschichte der Hamburger Werft

Nach dem Zweiten Weltkrieg ist mit Schiffbau erstmal Schluss: Am 1. Februar 1948 erteilen die Briten den Befehl zur Demontage. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 24.02.2023 | 05:30 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

NS-Zeit

"Gorch Fock"

Schifffahrt

Schiffbau

Mehr Geschichte

Reichsstatthalter und NSDAP-Gauleiter Friedrich Hildebrandt  bei der Umbenennung von Alt-Gaarz in Rerik am 1. April 1938. © Heimatmuseum Rerik

Germanen-Wahn unterm Hakenkreuz in Mecklenburg

Archäologen gehen in der NS-Zeit einen Pakt mit den Machthabern ein. Mit Folgen bis heute: Vor genau 85 Jahren wird aus Alt-Gaarz Rerik. mehr

Die Viermastbark Sedov © Stema Service Foto: Vallery Vasilivsky

Die schönsten Schiffe des Nordens

Traditionsschiffe sind die optischen Höhepunkte bei Hafenfesten und Großseglertreffen. Eine Auswahl geschichtsträchtiger Großsegler und Dampfschiffe im Porträt. mehr

Norddeutsche Geschichte