Stand: 19.05.2016 00:00 Uhr

Peter Zadek: Welttheater und Skandale

von Katja Weise
Peter Zadek © dpa Foto: Werner Baum
Peter Zadek wurde 21 Mal zum Berliner Theatertreffen eingeladen - öfter als jeder andere.

Schon zu Lebzeiten war Peter Zadek eine Legende. Auch und gerade weil viele seiner Inszenierungen Publikum und Kritik oft tief spalteten. Seine Hamburger "Lulu", heute seine vielleicht berühmteste Inszenierung, sorgte sogar für einen handfesten Theaterskandal. Am 19. Mai 1926, also vor 90 Jahren, wurde der Regisseur in Berlin geboren.

Die eigene Theatertruppe - ein Jugendtraum

"My way" hat Peter Zadek seine erste Autobiografie genannt - und seinen Weg ist er immer gegangen, selten geradeaus, oft mit überraschenden Wendungen. Der Dramaturg Hermann Beil, ein langjähriger Wegbegleiter, hat es einmal so formuliert: "Das finde ich das ungemein Sympathische an ihm, dass er nicht stur an einer Linie festhält, sondern es sind bei ihm Kurven, Schlangenlinien, er schlägt Haken - und insofern ist man immer wieder neugierig."

So erfüllte Zadek sich 2005, vier Jahre vor seinem Tod, noch einen Jugendtraum. Zusammen mit Tom Stromberg gründete er eine eigene Theatertruppe, die, natürlich, "My way productions". Gespielt werden sollten die für ihn zeitlebens so zentralen Werke Shakespeares. Und das von Schauspielern aus der über Jahrzehnte gewachsenen "Zadek-Familie" - wie Eva Mattes, Uwe Bohm, Susanne Lothar und Angela Winkler.

Peter Zadek konnte tagelange bei den Proben schweigen

Die Beziehung zu seinen Schauspielern war zentral für Peter Zadek. Während der Proben ließ er sie oft tagelang einfach spielen - und trieb sie zur Verzweiflung, weil er nichts kommentierte, sondern einfach wartete und beobachtete. Der inzwischen ebenfalls verstorbene Gert Voss beschrieb Zadeks Methode so: "Es wird ja wahnsinnig viel gelogen am Theater, also beim Spielen auch, und er hat uns Schauspieler dazu gebracht, statt zu verstellen, uns zu enthüllen. Und zwar mit der ganzen Person."

Theaterskandale "Othello" und "Lulu"

Ulrich Wildgruber in der Titelrolle und Eva Mattes als Desdemona während einer Probe des Shakespeare-Stückes "Othello" am 21. April 1976 im Deutschen Schauspielhaus in Hamburg. © (c) dpa - Bildarchiv Foto: DB Peter Pabst
Ulrich Wildgruber und Eva Mattes während einer Schauspielhaus-Probe von "Othello" 1976. Auch diese Inszenierung galt als skandalös.

Ja, es gehörte sehr viel Mut dazu oder auch Überwindung, sich so preiszugeben. Doch wenn das gelang, entstand großes Theater. Wie 1976 "Othello" am Hamburger Schauspielhaus, mit Eva Mattes und Ulrich Wildgruber. Der mit schwarzer Farbe bemalte Koloss Wildgruber raste über die Bühne - und der Theaterskandal war perfekt: "Ein Totengräber des Theaters. Die Kapitulation vor dem Menschen ist diese Vorstellung, einfach grauenhaft. Ein Missbrauch von Shakespeare, ein Missbrauch der Schauspieler, zum Kotzen", so die Pressestimmen.

Zwölf Jahre später dann, wieder am Hamburger Schauspielhaus: "Lulu" mit Susanne Lothar. Der nächste Skandal. In diesen Jahren war Peter Zadek auch Intendant des größten deutschen Sprechtheaters, doch die Verwaltungsarbeit lag ihm nicht. Ab 1989 arbeitete er nur noch als freier Regisseur. "Meine Begabung ist sicher, am Theater mit Menschen zu arbeiten und aus den Menschen, aus der Mixtur, von dem, was die Menschen an Fantasie zu dem Thema oder dem Stück oder dem Film bringen und was ich dazu bringe, dann das zu formulieren", beschrieb er seine Arbeit selbst.

"Welttheater" aus Bremen

Seiten eines Kalenders © Fotolia_80740401_Igor Negovelov
AUDIO: Ein Magier der Bühne (15 Min)

Dabei hielt Zadek sich selbst für einen scheuen, verkrampften Menschen. Warum er sich entschieden habe, zum Theater zu gehen, wisse er gar nicht genau, gestand er einmal. Seine ersten Inszenierungen hatte er noch in England herausgebracht. Dorthin war er 1933 mit seinen Eltern emigriert. "Die Regiearbeiten, die ich in England gemacht habe, waren immer in einem ganz komischen Missklang mit dem englischen Publikum", erinnerte er sich. "Aber nicht der Art von Missklang, der hier entsteht, sondern in England war ich einfach ein Deutscher."

Zadek führt das Theater in eine neue Zeit

Ende der 50er-Jahre kehrte Peter Zadek nach Deutschland zurück, und ging 1962 mit Kurt Hübner nach Bremen. Dort sei "Welttheater" entstanden, findet Claus Peymann, der aus Bremen stammt und damals ein Jugendabonnement für das Theater hatte: "Das war der Aufbruch in eine neue Zeit. Das deutsche Theater fand Anschluss an das internationale Theater. Die Zeit des Biedermeiers der Nachkriegszeit, von den Leuten, die sich irgendwie mit den Nazis engagiert hatten, war dann mit einem Paukenschlag vorbei."

Zadek inszenierte auch hier Shakespeare, "Maß für Maß", eine ebenfalls legendäre Aufführung. Bei Shakespeare fand der Regisseur all das, was sein Theater ausmachte. Schönheit und Wildheit, Horror, Obszönität und Grazie. Am 30. Juli 2009 ist Peter Zadek nach langer Krankheit in Hamburg gestorben.

Weitere Informationen
Deutsches Schauspielhaus in Hamburg. © A.T. Schäfer

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Klassisch in den Tag | 19.05.2016 | 07:40 Uhr

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